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Tanz*Hotel: Zwiebeln, Erdäpfel & die Fliege

AAR 25: Bert Gstettner, Dorothea Zyringer Veronika Hösch, Ale Bachlechner.

AAR 25 – ein silbernes Jubiläum. Seit 2008 betreut Bert Gstettner im Tanz*Hotel das von ihm geschaffene Projekt Artists At Residence, mit dem Bühnenkünstlerinnen aller Sparten und Genres an einem Residenz- und Mentoring-Programm teilnehmen. Am 3. April ist das 25. AAR mit einer dreifachen Premiere gefeiert worden. Natalie Campbell, Veronika Hösch und Vito Vidovič Bintchende zeigten das Ergebnis ihrer Arbeiten.

Vito Vidovič Bintchende. Die Fliege sekkiert ihn, da wird er selbst zur Fliege.Vito Vidovič Bintchende, geboren 1994 in Slowenien, lebt in Wien als freischaffender Tänzer. Nach seinem Abschluss in zeitgenössischem und klassischen Tanz an der MUK in Wien, erlangte er den Master of Arts an der London Contemporary Dance School. Nach weiteren Auslandsaufenthalten lebt er zurzeit in Wien. Im ImPulsTanzFestival 2021 und 2024 hat er gemeinsam mit Zoé-Afan Strasser eine Public Moves-Klasse geleitet. Mit Gstettner als Mentor hat er die Choreografie Of the Seen Body erarbeitet, ein eindrucksvolles, körperorientiertes Solo, Vito Vidovič Bintchende und Medusa, die Skulptur der tausend Augen von  Ksija Vrbanac Strelkin. in sich der großgewachsene Tänzer mit den Veränderungen des eigenen Körpers durch die Blicke anderer verändert. Bintchende ist ein erfahrener Tänzer, der seine Ballettausbildung nicht leugnet, guten Kontakt zum Publikum hält und durch Körperbeherrschung ebenso beeindruckt, wie durch seine facettenreiche Mimik und eine feine Portion Humor. Er hat die Fliege im Titel oben mitgebracht, die ihn während des gesamten Solos sekkiert, ihm aber schließlich unterliegt, der Tänzer ist ein Fliegenfresser.Ergänzt wird seine Performance durch eine Skulptur von Kasija Vrbanac Strekin, die die dem Körper schmeichelnden oder ihn irritierenden Blicke darstellt. AVito Vidovič Bintchende hat an der MUK die Tanztechnik von Rosalia Chladek gelernt.uf einem vielarmigen Drahtobjekt blühen ungezählte Augen. „Medusa“ nennt Vito seine ihn beobachtende Begleiterin.
Als erste muss die interdisziplinäe Künstlerin Natalie Campbell, auf die Bühne. Sie hat ihre Liebe zu den Zwiebeln entdeckt, nicht die von Tulpen oder Hyazinthen, sondern die Küchenzwiebel ( (Allium cepa). Einstweilen warten die Lauchgewächse, rund um den Bodensee Bölle oder Bülle genannt, in Kisten auf ihren großen Auftritt, mehr ein Aufrollen. Wenn einer auf dem Kopf steht, hzieht er die Blicke auf sich.Am Ende der Performance dürfen sie wie toll über die Bühne kollern und ihre trockene Oberhaut ablegen.Möglich dass der Zwiefel (wienerisch) mit seinen vielen Häuten aber ohne Kern, als Metapher für die lange Ahnenreihe gilt, auch diese hat kein Ende, die erste Ahnin werden wir nie kennenlernen. Campbell erzählt von ihnen, von der Mutter, der Großmutter, der Urgroßmutter, so ganz klar ist das nicht, weil sie in alle Frauen schlüpft, in der ersten Person spricht oder auch in der dritten, also von ihren Vorfahrinnen. Natalie Campbell zwischen den Zwiebeln. Der Hauptteil handelt von der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Campbell kann diese Zeit ob ihrer Jugend nur vom Hörensagen kennen. Die renommierte Tänzerin und Choreografin Andrea Nagl hat Natalie Campbell begleitet.Ob sie ihr gesagt hat, dass man Sprechen auf der Bühne, Sprechen vor Publikum lernen muss und trainieren kann, weiß ich nicht. Zwischen Zwiebeln ist eher eine Erzählung denn eine Performance, auch wenn Campbell versucht ihre Gestik in Einklang mit dem vorgetragenen Text zu bringen.Natalie Campbell erzählt von Frauen und wiebeln in der Küche.
Wie bei AAR-Abenden üblich, wird zwischen der ersten und der dritten Kurzvorstellung der Raum gewechselt.Im Studio 2 ist ein gestischer Vortrag zu hören und zu sehen. Veronika Hösch und Ale Bachlechner erzählen von den Frauen die allerhand zu tragen (zum Beispiel Erdäpfel vom Feld nach Hause), zu ertragen, zu halten und auszuhalten haben, wenn man es recht bedenkt, die Welt tragen und zusammenhalten. Aber da hat Klio, die griechische Muse der Geschichtsschreibung, einen fetten Strich unter Wahrheit gemacht: Die Welt wird von Atlas gehalten, einem Mann, einem Helden. Ale Bachlechner und Veronika Hösch demonstrieren die Tragetaschentheorie. Hösch und Bachlechner nehmen ihren Vortrag, der aus mir nicht erfindlichen Gründen den englischen Titel We can go to the woods* trägt, doch auf Deutsch gehalten wird, nicht tierisch ernst, üben sich in Sprachspielen und kämpfen mit einem Schaumstoffobjekt, das Mauer und Bett, Schwebebalken und Rückzugsort sein kann. Weil Erdäpfel nicht mit dem Rad heimgeschleppt werden können, ist natürlich die Tragtasche vor dem Rad erfunden worden. Ein kurzweiliger bewegter und dialogischer Vortrag, der, a er Wissen vermittelt, unterhaltend und kurzweilig ist. Die künstlerische Begleiterin war Dorothea Zeyringer, selbst an der Akademie der bildenden Künste ausgebildet und als Bühnenkünstlerin gemeinsam  mit Tiina Sööt als Duo Sööt/Zeyringer erfolgreich.
AAR 25 ist beendet, AAR 26 beginnt. Die Residenz im Tanz*Hotel beginnt im Juli und dauert bis November 2025. Bewerbungen sind bereits möglich.

Artist At Resort 25: 3., 4., 5. April 2025, Tanz*Hotel
Natalie Campbell: Zwischen Zwiebeln
Performance, Choreografie, Text, Objekte Natalie Campbell; Sound & Sounddesign Lorenz von Hötting; Mentoring, künstlerische Begleitung Andrea Nagl
Veronika Hösch: We can go to the wood
Konzept, Recherche, Regie, Kostüm, Objekte, Installation Veronika Hösch; Entwicklung und Performance Ale Bachlechner, Veronika Hösch; Text Ale Bachlechner, Veronika Hösch; Komposition Lain Iwakura; Mentoring, künstlerische Begleitung: Dorothea Zeyringer.
Vito Vidovič Bintchende: Of the Seen Body
Choreografie, Tanz Vito Vidovič Bintchende; Sound Ragnheidur Erla Björnsdóttir; Sound & Sound Design Djonni Lasar aka Johanna Walleser; Skulptur Ksija Vrbanac Strelkin; Mentoring, Dramaturgie, Raumbühne Bert Gstettner.
Fotos  © Hanna Fasching für Bert Gstettner/Tanz*Hotel | Bildrecht, Wien 2025.