Der Bühnenbildner Jürgen Rose
Mit Akribie hat die Journalistin Sibylle Zehle Leben und Wirken des bald 80-jährigen Bühnen- und Kostümbildners Jürgen Rose erforscht und mit Liebe erzählt. Die hat nicht nur mit Rose selbst sondern mit seinen zahlreichen Weggefährten und Verehrern gesprochen, sodass die Biografie reichlich dick geworden ist und eher zum Schmökern als zum kontinuierlichen Lesen einlädt. Für die U-Bahn ist der opulente Band kaum geeignet und der Platz im Bücherregal muss erst gefunden werden.
Sei’s drum, kaum eine Freundin der darstellenden Künste ist Jürgen Rose nicht begegnet. Theater, Oper, Ballett, alles hat er eingerichtet und kostümiert. „Von allen Bühnenbildnern, die ich kenne, ist er der einzige, der in allen Fächern, ob Ballett, Oper oder Schauspiel, nicht nur qualifiziert, sondern genial ist“, urteilt der ehemalige Intendant der Bayerischen Staatsoper, Sir Peter Jonas.
Zehle, frühere Redakteurin der Stuttgarter Zeitung und der Zeit, hält sich im Wesentlichen an die Lebens- und Arbeitschronologie Roses, spickt die Vita mit zahlreichen Zitaten und Anekdoten und lässt auch Rose selbst erzählen. Dabei verrät der Ausnahmekünstler, dass er eigentlich Autodidakt ist. Er hat lediglich ein wenig assistiert am Theater, aber nie richtig studiert. Allein die Lust und Neugier auf die Welt der Bühne machte ihn zu einem der wichtigsten Bühnenausstatter der Zeit. Für Zehle allerdings, zum einzigen. Allgemeine Trends, neue Methoden und Techniken oder gar Kollegen und Kolleginnen, die ihm möglicherweise ebenbürtig sind, werden nicht erwähnt. Die Autorin interessiert sich eben mehr für den Menschen Jürgen Rose als für das Werk und dessen Stellung in der gesamten Theaterlandschaft. So gleicht die Erfolgsgeschichte des Künstlers einer mit Verve vorgebrachten Laudatio. Was den Liebhaberinnen von Roses Arbeiten nur gefallen kann.
Seine Beziehung zum Ballett ist eine besondere, war es doch John Cranko, der ihn für die Tanzkunst begeistert hat. Nicht nur für dessen legendäre Choreografie von „Romeo und Julia“ (Prokofjew / Cranko / Rose ist auch im Repertoire des Wiener Staatsballetts) schuf Rose die luxuriöse, fantastische Ausstattung. Auch für „Onegin“, „Schwanensee“, „Feuervogel“ und viele andere Ballettabende hat Rose in Stuttgart mit Cranko zusammengearbeitet. John Neumeier, Anthony Tudor, Kenneth Mac Millan ließen ihre großen Choreografien, die danach von vielen Compagnien übernommen worden sind, von Rose ausstatten. Wien hat übrigens noch eine Kostbarkeit des Meisters im Repertoire: Die Oper „Salome“ von Richard Strauss in der Inszenierung von Boleslaw Barlog. Oper und Sprechtheater machen auch den Hauptanteil von Roses Œuvre aus.
Für die Statistik findet sich im Anhang eine chronologisch und nach Genres geordnete Werkliste. In der ist auch zu lesen, dass Rose ab 2000 sich auch selbst als Regisseur betätigt hat. An der Bayerischen Staatsoper hat er mehrere Werke inszeniert und auch ausgestattet. Die jüngste große Arbeit allerdings ist mit Dieter Dorn gemeinsam entstanden: „Der Ring des Nibelungen“ am Grand Théatre de Genève, wurde das Wagner-Opus 2014 mit der „Götterdämmerung“ abgeschlossen. Mit seiner (vorläufig) letzten Ballettausstattung hat er an den Anfang angeschlossen: 30 Jahre nach der Uraufführung von Crankos „Romeo und Julia“, hat Rose das Ballett 1992 für die Neueinstudierung von Marcia Haydée aufgefrischt und neu ausgestattet.
Sibylle Zehle: Jürgen Rose. Verlag für moderne Kunst, Nürnberg. 480 S., zahlreiche Abb. in Farbe - 32,0 x 24,0 cm € 80,20.