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Marco Balzano: „Wenn ich wiederkomme“, Roman

Schriftsteller und Menschenfreund: Marco Balzano. © Balzano 78 / wikipedia

Mit den Romanen „Resto qui“ und „L'ultimo arrivato“ hat sich der Mailänder Lehrer Marco Balzano, 43, in die erste Riege italienischer Autoren geschrieben. Die Übersetzungen, „Ich bleibe hier“ und „Das Leben wartet nicht“, waren auch im deutschen Sprachraum ein Erfolg. Seinen jüngster Roman, „Wenn ich wiederkomme“, widmet er den illegalen, vor allem weiblichen Pflegekräften aus Osteuropa, die in Österreich wie in Italien und in vielen anderen Ländern Westeuropas fremde Menschen pflegen, um ihrer Familie ein besseres Leben zu bieten. Balzano hat sich den Alltag der Frauen genau angesehen, lässt Daniele aus Rumänien in „Wenn ich wiederkomme“ davon erzählen.

Straße in  Mailand. Von den Schönheiten der Stadt sieht Daniela nichts.© rapunzel-will-raus.chDie 40jährige Daniela ist eine von den Frauen, die ihre Kinder bei den Großeltern in Rumänien zurücklässt, um nach Italien zu reisen, wo sie alte Männer oder Frauen pflegen wird. Sie wird das Geld monatlich nach Hause schicken, damit der 16jährige Manuel weiterhin eine gute Schule besuchen und die acht Jahre ältere Angelica studieren kann. Die Kinder schätzen das monatlich eintreffende Geld nicht, sie wollen ihre Moma wieder haben. Wenn Daniela anruft, haben sie nichts zu sagen. Als der bisher arbeitslose Vater einen Job als Lastwagenfahrer bekommen hat und ebenfalls verschwindet, findet Manuel Trost beim liebevollen Großvater.
Im kleinen Dorf Rădeni*)Alte Holzkirche, wie sie auch Daniela mit dem genesenen Manuel besucht. © wipikipedia ist nicht viel los, Angelica studiert in der Stadt, Manuel beginnt die Schule zu schwänzen. Der Großvater stirbt und Manuel verliert jeglichen Halt. Nach einem schweren Unfall mit einem geliehenen Motorrad lieg er im Koma. Daniela verlässt nach vier Jahren Sklavinnenarbeit Hals über Kopf ihren letzten Pflegefall, um nach Rădeni zurückzukehren. Doch das alte Haus bleibt leer, Daniela will im Kreisspital bei Manuel sein, an seinem Bett sitzen und warten, dass er wieder aufwacht. Und dann, hofft sie, wird sie wieder eine Familie haben. Balzano lässt Daniela und die beiden Kinder sprechen, es ist eine Art O-Ton Roman entstanden, kommentarlos. Manuel und Angelica erzählen von ihren Erwartungen an das Leben, von ihrer Trauer und ihrer Wut. Sie empfinden das Weggehen der Mutter als Verrat, da nützt es nichts, dass sie die Arbeit im fremden Land nur auf sich nimmt, damit es ihnen besser geht. Daniela berichtet vom Alltag einer Pflegerin in einer fremden Familie, von der Einsamkeit und der Sehnsucht nach einer Umarmung oder wenigstens einem Dankeschön, wenn schon die Bezahlung minimal ist. Daniela ist unglücklich in Italien, fern ihrer eigenen Familie, die Arbeit ist schwer und ungewohnt, viel Geld bleibt ihr selbst auch nicht übrig. Allmählich verblüht sie in diesem Jammertal. Während sie am Bett Manuels sitzt, gehen ihr die öden Tage in Italien immer wieder durch den Kopf, abgemagert und ausgelaugt, fühlt sie sich schuldig am Unfall ihres Sohnes. Paradeiser-Feld: Angelica wird heiraten und nach Berlin gehen; Manuel will in Rădeni bleiben und Gärtner werden.  dreschflegel-shop.de
Es gelingt dem Autor leider nicht, Daniela wirklich lebendig werden zu lassen. Sie bleibt eine Kunstfigur, die für alle Frauen in ihrer Lage steht. Viele der banalen Sätze, die Daniela denkt oder andere Personen sagen, oder die Verherrlichung des alten Regimes stammen aus den Gesprächen, die der Autor mit Betroffenen geführt hat. In der „Nachbemerkung“ erzählt er von seinen Erfahrungen in Rumänien und warum er den Fokus seiner Geschichte auch auf die zurückgebliebenen Kinder, die „Eurowaisen“, die bei Verwandten oder in Heimen aufwachsen müssen, gerichtet hat. “Einen dreistimmigen Familienroman“ nennt er seinen (recte Danielas, Manuels und Angelicas) Bericht.
Die Tiefe und Wärme der beiden vorangegangenen Romane kann Balzano mit „Wenn ich wiederkomme“ nicht erreichen. Buchcover: "Wenn ich wiederkomme" © Diogenes VerlagFür alle aber, die selbst Frauen aus Osteuropa zur Pflege ihrer Angehörigen benützen, bietet die Geschichte eine Veränderung der Blickrichtung auf die mitunter schwer arbeitenden Frauen. Was Balzano eindringlich klar macht, ist die Tastsache, dass diese Frauen, die der Not gehorchen, auch selbst Bedürfnisse haben und oft Schuldgefühle ihrer Familie gegenüber. Lesenswert ist Balzanos realistischer Roman allemal.

*) Rădeni ist der Name mehrerer Orte in Rumänien (5) und Moldavien (2). Damit ist klar, dass Rădeni in Balzanos Geschichte kein konkreter Ort ist. Eines der so benannten Dörfer liegt im Kreis Iași. Aus dieser Gegend habe ich die Bilder ausgesucht.

Marco Balzano: „Wenn ich wiederkomme“, „Quando tornerò“, aus dem Italienischen von Peter Klöss, Diogenes, 2021. 312 Seiten. € 22,70. E.Book: € 18,99