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Sabine Derflinger: „Die Dohnal“, Dokumentation

Johanna Dohnal mit Bruno Kreisky 1979. © SPÖ / Votava

Die vielfach ausgezeichnete österreichische Autorin und Regisseurin Sabine Derflinger erinnert an eine Ikone der Frauenbewegung, die Staatssekretärin und spätere Bundesministerin für Frauenangelegenheit Johanna Dohnal (1939–2010). Akribisch recherchiert und präzise inszeniert, erfährt eine Generation von Frauen, denen „die Dohnal“ kein Begriff mehr ist, von einer tapferen, unbeirrbaren feministischen Politikerin, die sich in der Macho-Gesellschaft der 1980 / 1990er Jahre durchzusetzen vermochte. Ein wichtiger Film, nicht nur für Frauen.

Johanna Dohnal,  fotografiert vn Elfie SemotanAls der PÖ-Kanzler Bruno Kreisky 1979 fünf Frauen zu Staatssekretärinnen ernannt hat, ist innenpolitischen Redakteuren und auch Karikaturisten Schaum vor den Mund (in den Zeichenstift) getreten. Kaum ein ernsthafter Kommentar ist erschienen, man hat sich gegen die Frauenpower gewehrt, indem sie ins Lächerliche gezogen worden ist. Johanna Dohnal (gemeinsam mit Annelise Albecht, Beatrix Eypeltauer, Franziska Fast und Elfriede Karl) ließ sich in ihrem Kampf für die Gleichstellung der Frau in allen Bereichen nicht beirren. Klar und unaufgeregt verteidigte sie ihre Position und erreichte sowohl als Staatssekretärin wie auch als Bundesministerin (1990–94) wesentliche Verbesserungen für die Lage der Frauen. Zu meiner persönlichen Heldin ist sie geworden, als durch ihre Initiative geschiedene oder alleinerziehende Frauen endlich ihre Kinder nicht nur versorgen und aufziehen durften, sondern auch ihr Vormund sein konnten. Davor waren alleinstehende Mütter Entmündigten gleichgestellt, hatte der Vater keine Lust, Verantwortung zu übernehmen oder war er nicht vorhanden, wurde ein fremder Mann, der einen bezahlten Job ausübt, als Amtsvormund bestellt. Die Frauen wagen sich auf die Straße: © Rudi SemotanNoch heute kann ich zur Hyäne werden, wenn ich daran denke, wie wenig Wert den Frauen noch 1970 zugebilligt worden ist, wie gedemütigt und diskriminiert wird alle durchs Leben schleichen mussten. Dohnal hat uns einen Teil unseres Selbstbewusstseins gegeben, Frauen ein wenig aufrechter schreiten lassen.

Sie war am Entstehen der ersten Frauenhäuser beteiligt, hat durchgesetzt, dass die Vergewaltigung in der Ehe strafrechtlich zu verfolgen ist und „sexuelle Belästigung“ als Straftat behandelt wird. Dohnals unermüdliche frauenpolitische Arbeit hatte letztlich immer die Beseitigung von Geschlechtsrollenklischees zum Ziel. Sie setzte sich für gleiche Lehrpläne für Mädchen und Buben ein, für den gleichberechtigten Zugang von Mädchen und Buben zu allen Schulformen. Mitarbeiterinnen im Büro der Ministerin: Christine Stromberger, Elisabeth Rosenmayr (Pressereferentin). © FilmausschnittSie startete Kampagnen, um Mädchen für technische Berufe zu interessieren, und sie motivierte Betriebe, auch Mädchen in technischen Berufen auszubilden.

Johanna Dohnal hatte auch als Regierungsmitglied keinen leichten Stand, nicht nur von Männern, die um ihre Vormachtstellung in der Gesellschaft bangten, wurde sie „beschimpft, angeschissen, angespuckt“, erzählt ihre Pressereferentin Elisabeth Rosenmayr, während sie im ehemaligen Büro der Ministerin am Ballhausplatz gefilmt wird. Dass dieses Büro wesentlich kleiner und auch mit Mitarbeiterinnen schlechter ausgestattet war als das der Ministerkollegen, sei nur nebenbei erwähnt.

Wichtig zu sagen ist jedoch, dass dieser Film zur rechten Zeit kommt. Lebensgefährtin Annemarie Aufreiter mit ihrem Lieblingsfoto von Johanna (fotografiert von Elfie Semotan). © FilmausschnittDie Bewegung „zurück an den Herd“ hat junge Frauen schon wieder infiziert, sie verzichten auf den „Papamonat“, weil die Frau als Mutter geboren und für Küche und Kinder zuständig sei, brauchen keine Quotenregelung, fühlen sich weder unterdrückt noch diskriminiert, auch wenn sie für die gleiche Arbeit nicht den gleichen Lohn bekommen. Viele junge Frauen wollen nicht sehen, dass ihre Welt noch immer keineswegs schon ganz in Ordnung ist und sehnen sich nach einem Versorger, der ihnen die Selbstbestimmung abnimmt. Deshalb ist dieser Film mit der Erinnerung an die Leistungen von Johanna Dohnal so wichtig, zeigt er doch auch mit vielen Statements junger Frauen, dass noch viel zu tun ist, bis endlich tatsächliche Gleichbehandlung und Gleichberechtigung herrscht. 

Noch voller Elan und Hoffnungen, später beschimpft und bespuckt, heute als Visionärin verehrt: Johanna Dohnal in jungen Jahren. © ORFFranz Vranitzky (Bundeskanzler 1986–1997), der Dohnal 1995, wenige Wochen vor dem von ihr selbst angepeilten Abschiedstermin, sang und klanglos (keine hämischen oder gar bedauernden Medienberichte waren zu lesen) aus dem Amt gedrängt hat, zeigt heute einen Anflug von Reue: „Die Männer sind in die Furcht hineingekommen: Werden wir jetzt unsere Rechte, Klammer auf (Vor-)Rechte verlieren?“ Was Johanna Dohnal (nicht ohne Grund fällt mir Johanna von Arc ein, nur war die Dohnal nicht so naiv wie die französische Kämpferin, sie stand mit Herz und Hirn und beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen) für die Gesellschaft geleistet hat, ist, wie Derflinger meint, das „im kollektiven Bewusstsein von Männern und Frauen überhaupt nicht verankert ist, was die Frauenbewegung durchgehend geschaffen hat.“
Der Film über die Leistung von Johanna Dohnal ist mehr als eine Hommage, er sollte ein Weckruf sein und klar machen, dass Frauenpolitik Gesellschaftspolitik ist.

„Die Dohnal“, Frauenministerin, Feministin, Visionärin, ein Film von Sabine Derflinger gegen das Vergessen und für eine gleichberechtigte Zukunft.
Regie und Buch: Sabine Derflinger; Kamera: Christine A. Maier, Eva Testor; Schnitt / Dramaturgie: Niki Mossböck. Mit Zeitzeug*innen, Freundinnen, Bekannten, Familienmitgliedern, Weggefährtinnen und Mitarbeiter*innen. Verleih: filmdelights.
Ab 14. Februar im Kino. Terminplan für Voraufführungen und Diskussionen.