Zum Hauptinhalt springen

„Schwanensee“: K. Hashimoto, V. Muntagirov

Kiyoka Hashimoto als faszinierende Odette.

Schwanensee“, das klassische Ballett zur Musik Peter I. Tschaikowskis, in der Choreografie von Rudolf Nurejew nach Marius Petipa und Lew Iwanow, kann man immer wieder sehen, und immer wieder ist es neu. Am 6. März ist es der Ersten Solotänzerin Kiyoka Hashimoto mit ihrem Partner Vadim Muntagirov gelungen, der Doppelrolle von Odette /Odile ein völlig neues Profil zu geben. Mit dem stilsicheren und sanften Muntagirov als Prinz Siegfried hat sie mit technischem Spitzenkönnen und zauberhafter Rollengestaltung begeistert. Die solistischen Leistungen haben auch das Corps beflügelt. Von Paul Connelly fürsorglich geleitet, hat die gesamte Compagnie nicht nur in den weißen Akten die Qualität des Wiener Staatsballetts neuerlich bestätigt.

Prinzessin Hashimoto mit Prinz Muntagirov.Kiyoka Hashimoto hat Odile unter Fuchtel des Zauberers Rotbart (Alexandru Tcacenco) und damit auch Odette, die verführerische Kreatur Rotbarts in Wien erst einmal getanzt. Das war vor fünf Jahren. Seitdem haben die Wellen des Sees schon viele Prinzen verschlungen und Hashimoto hat sich zu einer ganz eigenen Schwanenkönigin entwickelt. Zart und feingliedrig, das romantische Bild eines flaumfedrigen Vogels, verzaubert sie nicht nur den Prinzen, sondern auch das Publikum. Diese mit einem Zauber belegte Prinzssin muss man trösten, retten, lieben. Hashimoto ist eine ausgezeichnete Technikerin, steht sicher auf der Spitze, ihr Port de bras und die Arabesken sind makellos. Diese Sicherheit erlaubt es ihr, die beiden Rollen einfühlsam und bestrickend zu gestalten. Als Odette im weißen Tutu scheint sie tatsächlich vom Himmel zu schweben, die Flügel zu falten und zur Menschenfrau zu werden. Sie weiß, dass sie die Hilfe von Prinz Siegfried braucht, nur wenn er sie wirklich liebt, kann sie den Zauber brechen, darf die Schwanenfedern abwerfen und ganz Frau sein. Nur, das macht die Tänzerin ganz klar, diese Liebe hat ihren Preis, und der heißt Treue.

Der Prinz versagt, fällt der Attrappe – der eifersüchtige Rotbart hat seine Tochter für das Täuschungsmanöver benutzt – blind in die Arme. Hashimoto ist auch in Schwarz eine wirklich verführerische Doppelgängerin, funkelnd und zielstrebig. Auch wenn die Choreografie andere Bewegungen verlangt, fordernder, kräftiger, schneller, so sehe ich immer die selbe Figur, einmal die eine, dann die andere Seite beleuchtet. Ein Erlebnis. Kaum einer kann widerstehen, egal ob sie in Weiß oder in Schwarz um das Liebesversprechen wirbt. Kiyoka Hashimoto als Odile, der schwarze Schwan.

Muntagirov, Principal Dancer beim Royal Ballet und schon öfter heftig beklatschter Gast in Wien, ist eleganter Prinz. Lange Beine und ebensolche Arme, hohe Sprünge mit sanfter Landung und einer Gelassenheit, die es ihm leicht macht, sich der neuen Partnerin und der zur in London bisher getanzten Version von Anthony Dowell anzupassen. By the way, wie es in London heißt: Choreograf Liam Scarlett, Artist in Residence, arbeitet an einer Auffrischung des Ballettklassikers, ohne die die Basis von Petipa / Iwanow zu verlassen. Muntagirov ist ein hervorragender Tänzer, an dessen Technik man schon Freude haben kann, doch als Prinz Siegfried bleibt er zurückhaltend und etwas blass.

Der schöne Pas de cinq im 1. Akt: Tristan Ridel, Adele  Fiocchi, Vadim Muntagirov, Elena  Bottaro, James Stephens.Auch in dieser Vorstellung durften Halbsolist*innen und auch manche aus dem Corps neue Rollen tanzen. Tea Bajc und Eriona Bici (in der Volksoper auch als Puppe „Coppélia“ zu sehen) kommen aus dem Jugendballett und fügen sich nahtlos in die Reihen der ungarischen Tänzerinnen, angeführt von Sveva Gargiulo und Marian Furnica, die ebenfalls zum ersten Mal im Csárdás über die Bühne fetzen. Fiona McGee debütiert mit Partner Scott McKenzie im neapolitanischen Tanz; Leonardo Basilio hat als Debütant im polnischen Tanz Madison Young an seiner Seite. Schwieriger, weil ohne Unterstützung der Gruppe wie die Nationaltänzer*innen, haben es die Begleiterinnen und Begleiter des Prinzen im ersten Akt. So waren die Rollenneulinge, Elena Bottaro und Tristan Ridel, noch etwas verhalten zu Beginn, doch mit Montagirov in der Mitte und dem Schwung von Adele Fiocchi und James Stephens im fulminanten Schluss hält dann auch das Staatsopernorchester mit. Vadim Muntagirov in Gestalt des Prinzen, der mit den beiden Paaren tanzt, hatte sichtlich auch seine Freude an der musikalisch wie tänzerisch einprägsamen Einlage. Zu Gast in Wien: Vadim Muntagirov tanzt Prinz Siegfried.

Höhepunkt des Abends waren die beiden großen Pas de deux von Hashimoto und Muntagirov. Liebe, Sehnsucht, Hoffnung und auch Bangigkeit auf Seiten von Odette am Anfang der Begegnung mit Siegfried; Enttäuschung, Wehmut, Trauer und ziemlich viel Verzweiflung am Ende. Und dazwischen ein Coup de foudre, der die Flammen zum Himmel lodern lässt. Zum Weinen schön. Auch wenn der See fast ausgetrocknet wara, weil die Wellen wieder einmal nicht hochschalgen wollten.

Rudolf Nurejew: „Schwanensee“, Ballett in vier Akten nach Marius Petipa und Lew Iwanow. 243. Aufführung in der Choreografie von Rudolf Nurejew mit Kiyoka Hashimoto und Vadim Muntagirov als Gast. Paul Connelly hat das Wiener Staatsopernorchester geleitet. 6. März 2019. Wiener Staatsballett in der Staatsoper,
Letzte Vorstellung in dieser Saison am 8. März in derselben Besetzung.
Alle Fotos: Ashley Taylor. © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor