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Karin Schäfer Figurentheater: „Parade“

Parade mit Cat Jimenez und Breakdancer

Mit einer großartigen Arbeit erinnert das Karin Schäfer Figurentheater an das Jahr 1917, als Les Ballets Russes in Paris ein neues Tanztheater uraufgeführt haben. „Parade“ ist in Zusammenarbeit bedeutender Künstler aller Sparten entstanden und vom Publikum und vielen Kritikern nicht verstanden worden. Karin Schäfer nähert sich dem für den Tanz richtungweisenden Stück, indem sie es zerlegt und ihre Version der „Parade“ aus verschiedenen Perspektiven beleuchet. Leider nur einmal, am 4. März im MuTh.

Schäfer und ihr Team konzentrieren sich auf den kubistischen Aspekt, in dem Pablo Picasso –  auf Wunsch des 26jährigen Künstlers Jean Cocteau, der das Szenario entworfen hat, als Ausstatter eingeladen – Bühnenbild und Kostüme für das „ballet réaliste“ geschaffen hat. Später sagte André Breton "sur-réaliste", überrealistisch, der Begriff Surrealismus war geboren. Die Spieler*innen werden zum Vorhang von Picasso. © Haari WeberDie Elemente werden zerlegt und in unterschiedlichen Variationen mit lebendigen und unbelebten Darstellern zu einem Bild zusammengesetzt. Zwei Tänzer, eine Tänzerin, zwei Puppenspielerinnen, Scherenschnitte, Filmeinspielungen und Objekte paradieren in der abwechslungsreichen, unterhaltsamen Aufführung. Die Orchesterpartitur zur Choreografie von Léonide Massine stammt von Erik Satie. Für die multimediale Parade wird diese, ergänzt durch andere Kompositionen Saties, zu vier Händen von Ardita Statovci & Ariane Hearing interpretiert. Puppen (oder deren Teile), bewegt von Almut Schäfer-Kubelka & Karin Schäfer, die Tänzerin Cat Jimenez, die Breaktänzer Valentin Alfery und Patrick Gutensohn, die einen Reigen tanzenden Trios aus Papier, das köstliche Pferd und die Versatzstücke bewegen sich präzise im Rhythmus, setzen sich immer neu zusammen, geben immer neue Perspektiven frei. Entwürfe Picassos für "Parade", das kubistische Porträt zeigt einen der beiden "Manager". © Figurentheater

Zum Abschluss der köstlichen Parade wird Picassos Vorhang mit Stoffbahnen und den Spieler*innen nachgestellt. Das Original misst etwas mehr als 10 x 16 m und ist 45 kg schwer. Es wird im Centre Pompidou aufbewahrt. Angeblich ist der schwere Brocken während des Transports zum Théâtre du Châtelet in Paris ins Wasser gefallen und konnte nicht sofort herausgezogen werden. Picasso war auch mit der etwas verwaschenen Version zufrieden und verzichtete auf eine Restaurierung.

Nachbildung der Figuren von Picasso: Der chinesische Zauberer und das Pferd. © Exposition Ballets russes Bibliothèque-musée de l'Opéra de ParisSchäfer und ihre Mitarbeiter*innen haben nicht versucht, „Parade“ von 1917 zu kopieren oder zu rekonstruieren, sondern ein völlig neues Stück geschaffen, das fesselt und amüsiert, die Fantasie anregt und auch die Grundregeln des Kubismus (Reduzierung eines Objekts auf geometrische Formen) klar macht. Meisterhaft.

Nach einigen Tourneen verschwand das realistische handlungslose Ballett – eine Parade eben, ein Aufmarsch der Akrobaten und Spaßmacher –  von den Bühnen. Mit Georges Balanchine, Mitglied der letzten Tänzergeneration der Ballets Russes, als Chefchoreograf wandelte sich der Stil der Compagnie.1929 starb der Gründer und Impresario der Compagnie Serge Diaghilev. Les Ballets Russes lösten sich auf.
So richtig erinnert an diesen Meilenstein in der Tanzgeschichte hat man sich erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts. Die Pariser Oper hat 1993 den Choreografen Angelin Preljocaj beauftragt, seine Version von „Parade“ zu kreieren. Bühnenbild und Kostüme wurden von zeitgenössischen Designern geschaffen, die originale Musik Saties jedoch begleitete die Tänzer*innen. Angelin Preljocaj: Ausschnitte aus der Choreografie "Parade",1993. © Centre National du Costume de Scène Das kurze Werk ist gemeinsam mit Preljocajs Version von den Ballets Russes-Kreationen „Spectre de la rose“ (Musik Carl Maria von Weber) und „Noces“ (Musik Igor Strawinsky) in der Opéra Garnier gezeigt worden.
PUC: Ausschnit aus "Bauhaus tanzt", Auseinandersetzung mit dem "Triadischen Ballett. © Scott GoetzWie wichtig das erste Drittel des 20. Jahrhunderts für die Tanzgeschichte ist, haben auch heimische Choreografinnen und Tänzerinnen erkannt. Das Kollektiv Puc hat sich in mehreren Aufführungen intensiv mit dem „Triadischen Ballett“ (Oskar Schlemmer ab 1912) beschäftigt und unter dem Titel „Bauhaus tanzt" auch in Wien gezeigt; Eva Maria Schaller hat den russischen Choreografen Leonid Yakobson (1904–1975) und dessen Stück „Vestris", eine Hommage an den Tänzer Gaetano Vestris (1729–1808), zerlegt und neu zusammengesetzt (brut, 2018). Zur Eröffnung der Ausstellung "Vestris" von Eva Maria Schaller. © brut„Alles tanzt – Kosmos Wiener Tanzmoderne“ im Theatermuseum wird Schaller am 20. März 2019 „die Unbekannte aus der Seine“ von Hanna Berger († 1962) tanzen; Martina Haager ehrt Rosalia Chladek († 1995) mit dem „Tanz mit dem Stab.“ Alle jene, vor allem Frauen, die in den ersten 30 Jahren des vergangenen Jahrhunderts den Tanz erneuert und mit frischen Impulsen versehen haben, legten das Fundament, auf dem der heutige Tanz ruht. Manchen jungen Erb*innen ist das nicht bewusst.

Karin Schäfer Figurentheater: „Parade“. Konzept & Regie: Karin Schäfer, Choreographie: Valentin Alfery; Am Klavier: Ardita Statovci & Ariane Haering; Tanz: Cat Jimenez, Patrick Gutensohn & Valentin Alfery; Figurenspiel: Almut Schäfer-Kubelka & Karin Schäfer
Licht: Boris Schäfer; Management: Peter Hauptmann. Aufführung in Wien am 4. März 2019, MuTh.