„Der Nussknacker“: Rollendebüt von Davide Dato
Es war eine festliche Vorstellung, die am Nachmittag des 25. Dezember von Prinzesschen im Glitzerkleid und Prinzchen im Samtanzug bestaunt worden ist. "Der Nussknacker" in der Choreografie von Rudolf Nurejew steht nach einem Jahr Pause wieder im Weihnachtsprogramm. Erster Solotänzer Davide Dato hat sich vom geheimnisvollen Drosselmeyer in den strahlenden Prinzen verwandelt. Ein gelungenes Rollendebüt. Kiyoka Hashimoto erntete als anmutige Clara verdienten Applaus.
Nach den beiden verpatzten „Nussknackern“ vorangegangener Ballettdirektionen hat Manuel Legris auf Experimente verzichtet und in seiner zweiten Saison als Ballettdirektor in Wien Rudolf Nurejews, 1968 für Paris eingerichtete, Choreografie der Weihnachtsgeschichte zur Musik von Peter Tschaikowski mit der Wiener Compagnie einstudiert. Die Premiere war, damit zum Weihnachtstermin wirklich alles klappt, bereits im Oktober 2012. Davide Dato, damals gerade den kurzen Hosen von Max und Moritz entwachsen, hat Claras schlimmen Bruder, Fritz, getanzt. Als energiegeladener Frechdachs und Identifikationsfigur für alle Buben belustigte er auch noch im Dezember 2014, damals bereits Halbsolist, das Publikum. 2016 hat ihn Direktor Legris zum Ersten Solotänzer ernannt. Nach dem Höhenflug folgte der Absturz im vollen Wortsinn: Bei der Nurejew-Gala 2017 stürzte Dato in einer rasanten Passage in Balanchines „Stars and Stripes“ und verletzte sich massiv. Ein Jahr Pause war angesagt. Erst mit der Nurejew-Gala 2018 konnte Dato sie beenden und zeigt nun von Vorstellung zu Vorstellung, wie seine Kräfte zunehmen und er seine Eleganz, seine Sprungkraft und die schauspielerischen Talente wiedererlangt hat.
Als sehr junger, trotz Augenklappe und Hinkebein überaus sympathischer Drosselmeyer bringt er Clara den Nussknacker, der ihr im Schlaf als Prinz erscheint. Nurejew wollte, dass Drosselmeyer sich in diesen verwandelt, und so hat Dato in seinem Doppeldebüt auch die Aufgabe, mehrmals blitzschnell das Kostüm zu wechseln. Als Drosselmeyer links abzugehen, als schöner Prinz rechts aufzutauchen erfordert einen weiten Weg. Davide Dato meistert beide Rollen mit Charme, einer wunderbaren Attitude und zeigt keinerlei Premieren-Nervosität. Begeistert hat ihm das Publikum Rosen gestreut.
Als Fritz hat Halbsolist Scott McKenzie debütiert. McKenzie gibt immer wieder zu großen Hoffnungen Anlass, doch dieses Debüt ist schwieriger als gedacht: Fritz ist ein typischer Teenager, eifersüchtig und aggressiv ist er sich der Wirkung seiner Streiche nicht bewusst, ein Kind auf dem Sprung zum Erwachsenen. Das ist schwer zu spielen und durch die ständige Bewegung auf der Bühne, präzise Auftritte samt der Interaktion mit dem Corps der Elevinnen und Eleven der Ballettakademie, ganz schön anstrengend. Seine und Claras Schwester Luisa hat es da leichter, sie muss nur Mädchen sein, kichernd und verspielt. Anita Manolova hat mit der Rolle reiche Erfahrung und daher auch als spanische Tänzerin mit dem Neuling McKenzie. Die anderen Einlagen in den Reiseträumen Claras sind schon Choreograf Nurejew nicht wirklich gelungen. Keine reißt mich so wirklich vom Sessel und geradezu lächerlich wirkt der „Arabische Tanz“, in dem im Pas de deux mit Eno Peçi Eszter Ledán in ihrem Rollendebüt gefallen konnte. Gar nicht gelungen ist der russische Tanz, zumal der geschätzte, aber zurückhaltende Halbsolist Andrey Teterin nicht gerade eine Idealbesetzung für einen betrunkenen, Trepak tanzenden Russen ist. Da bedarf es eines energischeren Einsatzes.
Als Höhepunkt des Abends nenne ich die Leistung des Corps de ballet im Schneeflockenwalzer im 1. Akt. Manuel Legris unnachgiebige Strenge zahlt sich aus. Wie aus einem Guss wirkt die silberglänzende Gruppe, perfekte Synchronizität im Spiel der Hände und Finger, gestreckte Beine, Arabesque, Sprünge, Drehungen, alles einfach perfekt. Das gilt auch für die beiden Solotänzerinnen Ioanna Avraam und Nina Tonoli (Rollendebüt), ganz unterschiedlich im Ausdruck, doch gleichermaßen perfekt und flockenleicht. Im Walzer des 2. Aktes waren die Kräfte des Corps verbraucht, was auf der Bühne zu sehen war, ist am besten mit Getümmel zu beschreiben.
Die Kinderszenen hat die ehemalige Tänzerin im Staatsballett Raffaella Sant’Anna einstudiert, und das ist immer wieder eine reine Freude. Als Gäste am Weihnachtsabend wuseln sie fröhlich und verspielt durcheinander, sind als Ratten furchterregend und allerliebst zugleich und als Soldaten unter Führung des kleinen Nussknackers Trevor Hayden (mit Marcin Dempc und Géraud Wielick auch im Chinesischen Tanz zu sehen) exakt marschierend, mit Würde sterbend.
„Der Nussknacker“ ist nicht nur wegen der getanzten Handlung so berühmt (Nurejew hat dabei weniger an ein junges Publikum gedacht, das mit der Psychologie im 2. Akt etwas überfordert ist), sondern auch wegen Tschaikowskis musikalischer Erzählung. Die hat Dirigent Kevin Rhodes mit dem Orchester der Wiener Staatsoper zum Leuchten und Glühen gebracht. Galopp und Marsch, Walzer und Schlachtenlärm, jede Stimmungsnuance, dunkel für den unheimlichen Drosselmeyer, rosig für die Traumsequenzen, ist zu hören. Farbig und emotional klingt die große Gala im Finale, wenn Kiyoka Hashimoto und Davide Dato ihren dramatischen Grand Pas zeigen.
Ein glanzvoller Abend, für den reichlich Applaus gespendet worden ist.
„Der Nussknacker“, Ballett in zwei Akten nach Marius Petipa und Lew Iwanow, Choreografie und Regie: Rudolf Nurejew, Musik: Peter Iljitsch Tschaikowski. 33. Aufführung. Bühne und Kostüme: Nicholas Georgiadis; Einstudierung: Manuel Legris; Licht: Jacques Giovanangeli; Dirigent: Kevin Rhodes Mit Kiyoka Hashimoto, Davide Dato, Anita Manolova, Scott McKenzie, Wiener Staatsballett, Ballettakademie der Wiener Staatsoper, Jugendkompanie der Ballettakademie; Orchester der Wiener Staatsoper. Wiener Staatsoper, 25. Dezember 2018.
Nächste Vorstellungen mit wechselnder Besetzung: 27., 29. Dezember 2018. 2. und 4. Jänner 2019.