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„Der Nussknacker“: Debüt für Jakob Feyferlik

Die Glitzer-Flocken warten auf den Applaus.

Überraschung bei der 5. Aufführung von Rudolf Nurejews Choreografie „Der Nussknacker“ in dieser Saison: Jakob Feyferlik hat in dem Ballett zwar schon den Herren im Divertissement „Pastorale“ („Tanz der Rohrflöten“) getanzt, aber noch nie die Titelrolle. Am 2. Jänner hat er der Liste seiner Rollen auch „Drosseleyer / Der Prinz" hinzuzugefügt. Mit liebevoller Unterstützung der Ersten Solotänzerin Liudmila Konovalova als Clara hat Feyferlik sein Debüt ohne nennenswerte Probleme geschafft. Bravorufe waren sein Lohn.

Der Traum vom feschen Prinzen geht in Erfüllung: Liudmila Konovalova, Jakob  Feyverlik.Am Gelingen dieses fidelen Abends ist nicht zuletzt der Dirigent des Opernorchesters, Kevin Rhodes, beteiligt. Mit nicht nachlassender Energie unterstützt er einfühlsam den  Rollendebütanten sowie das Corps (umwerfend homogen und präzise im Schneeflocken-Walzer) und die Tänzer*innen in den fünf Divertissements, die diesmal erfreulich munter und dynamisch gewirkt haben. Hervorzuheben sind vor allem Dumitru Taran (als Fritz, wie immer schon, verschmitzt und übermütig, doch nicht bösartig) mit seiner Partnerin Sveva Gargiulo, die auch als Luisa, der Schwester von Fritz und Clara, gefallen konnte. Auch das „arabische“ Paar Oxana Kiyanenko und Alexandru Tcacenco (auch der wirklich furchterregende Rattenkönig) gehört vor den Vorhang gerufen, schwungvoll verleihen sie der Choreografie ein neues Gesicht. Jakob Feyferlik als guter Onkel Drosselmeyer mit den Kindern.

Jakob Feyferlik meistert sein Debüt mit Eleganz, zählte zwar zu Beginn noch brav die Schritte und kann Liudmila Konovalovas glühende Augen, die sie als Clara auf den eben erschienen schönen Prinzen richtet, nicht sehen, weil er seine Füße beobachten muss. Die Unsicherheit hat Feyferlik schnell abgelegt, und erfreut das begeisterte Publikum im finalen Pas de deux mit Konovalova, dass er nach Peer in „Peer Gynt“ (Edward Clug), Vaslaw Nijinsky in „Pavillon d’Armide“ (John Neumeier), Jean de Brienne in „Raymonda“ (Rudolf Nurejew) oder Aminta in „Sylvia“ (Manuel Legris) und vielen anderen Solo- /Hauptrollen, auch die Doppelrolle Drosselmeyer / Prinz im „Nussknacker“ (Nurejew) überzeugend darstellen kann. Mit Konovalova als Partnerin ist er bestens vertraut, die beiden zeigen sich immer wieder als harmonisches Paar. Gemeinsam mit der Ersten Solotänzerin hat Feyferlik in Frederick Ashtons kurzem Ballett „Marguerite and Armand“ die Rolle des Armand kreiert; Konovalova hat Marguerite interpretiert.

Liudmila Konovalova als zauberhafte Prinzessin. Als Clara im Nussknacker hat Konovalova im Lauf der Jahre – schon bei der Premiere am 7. Oktober 2012 hat sie die Rolle getanzt – zusätzlich zu ihrer makellosen Technik auch Spielfreude entwickelt und ist anfangs ganz unbeschwertes, auch ein wenig verheultes, Kind und später ein den Prinzen anhimmelndes, glückstrahlendes Mädchen. Was Clara an dem Geschenk, das Drosselmeyer (von Feyferlik weniger unheimlich und rätselhaft als freundlich und überaus lebhaft dargestellt) ihr übergibt, findet, kann auch Konovalova nicht erklären. Aus der Ferne der hinteren Reihen sieht der weiße Nussknacker wie ein Engerling aus und ist auch aus der Nähe nicht gerade als Kuschelfreund geeignet: viel zu groß und zu hässlich. Kein Wunder, dass Luisa (Sveva Gargiulo) sich voll Abscheu ihrem süßen Püppchen zuwendet und Fritz dem hölzernen Männchen den Kopf abschlägt. Ist Taran der Fritz, so erschrickt dieser gleich nach der Untat und scheint zu bereuen, das Ohrenreiberl von Drosselmeyer bleibt ihm dennoch nicht erspart. Die Pirouette ist (fast) gelungen: Dumitru Taran bei einer Probe im Ballettsaal.

Immerhin stammt dieser Nussknacker aus Nürnberg, der Dichter und Komponist E.T.A. Hoffmann hat ihn als Märchenfigur erfunden und wie alle typischen Nussknacker, die real aus dem Erzgebirge stammen, wo die Reifendreher zuhause sind, die das berühmte Holzspielzeug herstellen, ist er bunt bemalt, wie auch in allen, mir bekannten, inklusive der russischen Choreografien zur Musik von Peter Tschaikowski. In der Choreografie von Vasili Vainonen (Kirov, 1934) ist der Holzkopf eine echte Puppe, mit einem schwarzen Hut und einem grau gekleideten weichen Körper.
Der Nussknacker meiner Träume (lebensgroß vor dem Weihnachtsmuseum in Rothenburg). © GNU free licenseKurz, Nurejews (oder Georgiadis, der für Bühne und Kostüme verantwortlich ist) Nussknacker-Puppe ist die hässlichste, die ich kenne.
Was weder der großartigen Musik noch dem Aufmarsch der Ratten und Soldaten noch den beiden Solo-Flocken (Nina Tonoli und Adele Fiocchi) inmitten des zauberhaft – ich kann es nicht oft genug sagen – glitzernden Gestöbers im "Königreich des Schnees" einen Abbruch tut.

Der Applaus am Ende des Märchens, nachdem Clara wieder aus ihren Albträumen, die sich, kaum erscheint der schmucke junge Mann, in Liebesträume verwandeln, erwacht ist, war enthusiastisch und langanhaltend.

Rudolf Nurejew: „Der Nussknacker“, Ballett in zwei Akten nach Marius Petipa und Lew Iwanow, Musik: Peter Iljitsch Tschaikowski; Bühne und Kostüme: Nicholas Georgiadis; Einstudierung: Manuel Legris; Probenleiterin der Kinderszenen: Rafaella Sant’Anna; Licht: Jacques Giovanangeli; Dirigent Kevin Rhodes. 37 Aufführung des Wiener Staatsballetts in der Staatsoper; 2. Jänner 2019. Fotos: © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor.
Letzte Vorstellung in dieser Saison: 4.1.2019. Mit Liudmila Konovalova, Jakob Feyferlik, Rikako Shibamoto (Luisa), Arne Vandervelde (Fritz).
Ab 17. Jänner zeigt das Wiener Staatsballett noch vier Mal Legris Choreographie des Balletts „Sylvia“ in der Wiener Staatsoper.