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Meg Stuart / Damaged Goods & EIRA: „BLESSED“

"Blessed" mit Francisco Camacho. © Chris Van Der Burght

Nach der Wiederaufführung von „Solos and Duets“ hat Meg Stuart in der Reihe „Classic“ von ImPulsTanz 2018 im Museumsquartier / Halle G auch ihre 11 Jahre alte Arbeit „Blessed“ gezeigt. Ein immer noch gültiges Stück, in dem beinahe unaufhörlicher Regen ein Paradies aus Pappmaché, eine Hütte, eine Palme und ein riesigen Schwan zerstört. Eine Metapher für die Fragilität unserer Welt.

Francisco Camacho, mit dem und für den das Stück 2007 entwickelt worden ist, wie ein Dandy in weiß gekleidet, hat sich eingerichtet. Behaglich ist ihm nicht zumute, er bewegt sich steif und mechanisch.

Nichts bleibt wie es ist, jedes Paradies wird zerstört. © Laura Van Severen Vergeblich kämpft der Bewohner gegen die Wassermassen, versucht zu retten, was nicht zu retten ist und bleibt, letztlich völlig auf seine bloße physische Existenz zurückgeworfen, in den Trümmern seiner Welt liegen.
Die Bühne, gestaltet von der bildenden Künstlerin Doris Dziersk und dem „Regenmacher“ Kay Hupka, wird ganzflächig berieselt; die Papp-Requisiten weichen langsam auf und sacken in sich zusammen. Camacho kämpft um jedes Stück. Es ist bedrückend anzuschauen, wie er versucht, aus den durchweichten Papp-Stücken eine schützende Überdachung, wenigstens eine Röhre zum Schlafen zu bauen, vergeblich. Ihm bleibt, sich in seinem transparenten Regenmantel auf die wie ein Schlachtfeld wirkende Bühne zu legen. Die elektronische und partiell auch handgemachte Musik, komponiert und gespielt von Hahn Rowe, verstärkt die Düsternis. Zusamengekrümmt in den Resten seiner Welt (Francisco Camacho) © Chris Van Der Burght

Der Protagonist liegt in der Ur-Haltung, nun fast nackt, zusammengekauert am Boden, inmitten der gänzlich aufgeweichten und von ihm selbst zerrissenen Reste seiner ehemaligen Welt. Es erscheint eine Samba-Tänzerin (Kotomi Nishiwaki), die, in Plateau-Stiefeln und glänzend-grauem Overall mit riesigem Federschmuck, zu beschwingter Blues-Musik über die Bühne tanzt. Ein geradezu absurdes Intermezzo. Francisco Camacho beginnt, die Finger zu bewegen, dann zuckt der Körper. Er kriecht wie ein Käfer, versucht sich zu erheben, was schließlich gelingt. Er fasst sich einmal kurz ans Herz, mit beiden Händen. "Blessed", verschiedene Lebensentwürfe werden sichtbar gemacht. © Laura Van SeverenHier kommt der dritte Performer (Abraham Hurtado) für kurze Zeit auf die Bühne. Er kleidet Camacho in verschiedene Stile (sportlich, mit Pelzjacke). Unterschiedliche Wertesysteme und Lebensentwürfe werden sichtbar gemacht. Am Ende schreitet der Überlebende, Auferstandene mit den selben mechanischen Bewegungen über die Bühne wie zu Beginn. Das Publikum dankt mit langem Applaus.

Meg Stuart inszeniert mit dieser Performance (2007 zum ersten Mal bei ImPulsTanz gezeigt) sensibel und mit kraftvoller Ästhetik die Zerbrechlichkeit unserer so sicher gewähnten Welt voll Wohlstand und Zerstreuung, tiefgehend desillusioniert und beinahe hoffnungslos.

Meg Stuart / Damaged Goods & EIRA: „BLESSED“; Choreografie:  Meg Stuart; von und mit: Francisco Camacho, Kotomi Nishiwaki, Abraham Hurtado; Musik: Hahn Rowe; Installation: Doris Dziersk; Kostüm: Jean-Paul Lespagnard; Lichtkonzept: Jan Maertens; Regen und Bühne: Kay Hupka; Aufführungen 8., 9., 10. August 2018, Museumsquartier / Halle G; im Rahmen von ImPulsTanz