Simon Mayer: „Oh Magic“, ImPulsTanz
„Oh Magic“ nennt der österreichische Choreograf, Musiker und Tänzer Simon Mayer seine im Mai 2017 in Brüssel uraufgeführte Performance, die im ausverkauften Volkstheater im Rahmen von ImPulsTanz 2018 zu sehen war. Wer die Magie bereits im Titel seines Stückes beschwört, formuliert damit nicht nur einen hohen Anspruch an sich selbst, sondern vermag damit auch gehörig Erwartungen zu wecken.
Die faszinierende Arbeit, angesiedelt zwischen unkonventionellem Konzert, spielerischer, fantasie- und humorvoller Huldigung der Robotik, Performance, rituellem Tanz naturnäherer Völker sowie der modernen westlichen Zivilisation und Theater zieht das Publikum nicht nur optisch und akustisch, sondern auch vermittels olfaktorischer Effekte in ihren Bann.
Links auf der Bühne ein selbstspielendes Klavier, die Seiten und der Deckel bekleidet mit kuscheligem Fransenstoff, rechts ein Schlagzeug, mittig hinten das Pult für die Elektronik und im Zentrum ein ferngesteuert fahr- und bewegbarer Mikrofonständer. Das Klavier beginnt zu spielen, allein, zart, harmonisch. Nach und nach betreten die drei in Fracks gekleideten Herren und die Pianistin die Bühne. Es beginnt ganz leise, um sich zu steigern. Aber wie!
Die vier PerformerInnen zeichnen Spannungsbögen von ganz ruhig bis zu ohrenbetäubendem Lärm und wieder zurück, von klassischer Klaviermusik (brillant gespielt von der Konzertpianistin Clara Frühstück) bis zu Techno-Zitaten, experimenteller Musik und brachialem Geräusch (auch Simon Mayer malträtierte das Klavier, elektronische Sounds von Tobias Leibetseder, am Schlagzeug Patric Redl), von befrackt bis nackt, von kühler Gestik bis zu offener Erotik, von westlicher Hochkultur bis zu schamanistischer Tradition, von dunkler Bühne bis zum Stroboskop-Licht, von der Akademie in die Stuben artistischer Alchemie, von bierernst bis urkomisch (Patric Redl gibt den gequälten Drummer, bis ins Auditorium hinein suchend nach „dem wahren Beat“, eines der Highlights), von Stöhnen bis Schreien, von emphatischer PerformerInnen-Interaktion bis zur humoristischen Mensch-Maschine-Kommunikation.
Dem Mikrofon-Roboter wird ein Gefäß mit entzündetem Räucherwerk aufgepflanzt. Drei nackte Menschen hüpfen im Kreis, beinahe wie in Trance, zum Trommel-Rhythmus, welcher übergeht in treibenden Techno-Beat. Der Rauch des weißen Salbeis wird mit großen Decken-Ventilatoren von der Bühne in den Saal geblasen, wahrnehmbar bis in die obersten Ränge. Die Riten ähneln sich, auch wenn wir hier und heute nicht mehr um Regen bitten.
Clara Frühstück spielt mit den Zehen Klavier, vor diesem nackt auf dem Rücken liegend. Sie windet sich langsam hinein in dessen Inneres und klappt den Deckel über sich zu. Das ist das Ende. Es wird dunkel. Das Publikum ist begeistert.
Diese Performance, dieses Spektakel, ist äußerst vielschichtig. Es macht auf eindrückliche Weise Spiritualität in der Alltagskultur und in der Kunst erfahrbar. Das in etablierten Kunst- und Kulturformen wie Klavierkonzert, Rock-Event und Techno-Party enthaltene Ursprüngliche, beinahe Animalische wird so intelligent wie einfühlsam herausgearbeitet und auf mitreißende Weise präsentiert. Simon Mayer gelingt hier die Verbindung und Vereinigung von scheinbar Separiertem. Die Erwartungen wurden mehr als erfüllt.
Simon Mayer: „Oh Magic“: Kompografie, Konzept, Performance: Simon Mayer; Co-Kreation, Performance: Clara Frühstück, Tobias Leibetseder, Patric Redl, Manuel Wagner; Sounddesign: Tobias Leibetseder; Roboterbedienung: Manuel Wagner; Kostüme: Andrea Simeon; Licht: Heinz Kasper; Recherche, anthropologische Beratung: Justine François, Manuel Wagner; 7. August 2018, Volkstheater, im Rahmen von ImPulsTanz.