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Akemi Takeya: „Tapped / Untapped“, ImPulsTanz

Takeya und der stumme Gast. © Karolina Miernik

Erfrischend! Das ist in diesen Hochsommertagen '18 das höchste Lob, das ich zu vergeben habe. Akemi Takeyas performatives Konzert „Tapped / Untapped“ bietet die volle Würze eines überraschenden Konzerts. Takeya lässt ihre Stimme orgeln, träumen und flüstern, belgeitet sich selbst am Klavier, wenn sie, immer wieder den Blick ins Publikum werfend, im ebenerdig gelegenen Ausstellungsraum des mumok loslegt. Die Uraufführung der wie immer lampenfiebrigen Performerin und des angenehm ruhigen Sounddesigners und Kompositeurs der elektronischen Begleitmusik am Computer, Sebastian Bauer  fand am 1. August 2018 im Rahmen von ImPulsTanz statt.

Akemi Takeya mit der Shamisen. Ƒ Karolina MiernikWer die in Japan 1961 zur Welt gekommene Künstlerin kennt, weiß, dass sie schon immer gesungen hat. Schon als sie in den späten 1990er Jahren auf der kleinen Bühne von dietheater in Erscheinung getreten ist, hat Akemi Takeya nicht nur mit dem stummen Körper gespielt, sondern auch die Stimme eingesetzt, gesungen, mit und ohne (eigenen) Text. Ihre Vielseitigkeit hat mich schon damals fasziniert. Seitdem ist viel geschehen, doch was bleibt, ist Takeyas Zwiespältigkeit, ihre Wurzeln und die Familie in Asien, ihr Leben und ihre künstlerische Arbeit in Europa.

Im Mittelpunkt ihrer Auftritte steht immer sie selbst auf der Suche nach Antworten auf die Frage „Wer bin ich?“. Dass sie sich selbst immer nähergekommen ist, kann an ihren Arbeiten, angefangen mit „Imeka“ bis zur großartigen „Lemonismus“-Serie abgelesen werden. Erstmals als Konzertpianistin und -Sängerin hat sie sich bei einem ImPulsTanz -Fest im Dezember 2016 präsentiert, nun aber, noch immer etwas unsicher (am Selbstvertrauen darf sie noch arbeiten), offiziell auf der Bühne. Die Sängerin mit stummem Gast, Sounddesigner Sebastian Bauer und Publikumsköpfen. © Karolina Miernik Als Begleiter hat sie sich neben Sebastian Bauer auch einen stummen, bewegungslosen Performer ausgesucht. Ein Skelett steht mit Kopfschmuck (wie die Performerin und Bauer) und Kimonoartigem über der Schulter und geziert gespreizten Fingern gut sichtbar am Rand des gewählten Konzertraumes. Im Halbkreis sitzt junges Volk auf dem Boden, dahinter auf Museumshockern, wer es ein wenig bequemer haben will, unruhige bleiben stehen, gehen ein wenig umher.

Zur Ouvertüre klimpert Takeya auf der Shamisen, der japanischen Laute (langer Hals, drei Saiten). Im allgemeinen Gemurmel und Stockerlrücken bleibt das leider eher unbeachtet. Vielleicht dient es auch eher der Beruhigung der Künstlerin als dem Hörgenuss des einströmenden Publikums.

Songwriting, singing, playing piano: Akemi Takeya. © Karolina Miernik In einem hocheleganten Kostüm, wie die Bühne von Lise Lendais gestaltet, steht sie als Musik-Performerin am Klavier. Bauer, in eine schwarz-seidige Soutane gehüllt, macht mit seinem Sounddesign dem Titel „Tapped / Untapped / geklopft / unangetastet“ alle Ehre. Eingestreut sind auch eine Aufnahme von Peter Kaiser, der summenden Bienen das Mikro hingehalten hat und ein Song des Jazz-Pianisten und Komponisten Sonny Burke († 1980) zu einem Text von Paul Francis Webster (drei Oscars für den besten Song, 16 Nominierungen, † 1984).

Dem sympathischen stummen Performer werden in der Konzertpause Stäbchen in die Augenhöhlen und Gelenkszwischenräume platziert. Er wehrt sich nicht. Takeya kehrt ans Klavier zurück und erfreut ihr Publikum so sehr mit ihrer Stimm-Performance, dass es auch nach dem Applaus sitzen bleibt und zwei Zugaben erzwingt. Eine weise Entscheidung der Künstlerin für das Tante-Jolesch-Rezept: „Gib zu wenig auf den Teller, dann schmeckt es besonders gut.“ Peformance mit Freund. Die summenden Bienen sieht man nicht. © Karolina Miernik

Am Ende bekommen wir von einer entspannten Akemi Takeya noch einen Tipp für Tapped: „Lesen Sie das Programmheft.“

Ich zitiere:
Mit dieser musikalischen Performance verbinde ich meine Stimme direkt mit Bewegungen, der Körper dient dabei als Instrument, das es jedem ermöglich, durch die Transformation eines besonderen, inneren Klanges eine authentische Beziehung zur Außenwelt aufzubauen.

Akemi Takeya mit Musikant und BB (Breathing Body). © Karolina MiernikOhne Atmung keine Stimme, das ist klar. Doch Takeya hat auch einen inneren Körper, der für den Atem und die Kommunikation nach außen zuständig. Erklärt hat sie das bereits 2014 mit ihrem feinen Solo-Stück „S. O. S. / Survival of Solo“ und im gleichzeitig entstandenen schönen rosa „Rezeptbuch“. MB ist der Material Body, BB der Breath Body. Ich meine, jede und jeder hat zum gewöhnlichen MB auch einen BB, doch der ist für Takeya „eher weiblich“. Gut so. Man muss nicht alles verstehen, um es zu mögen.

Akemi Takeya: „Tapped / Untapped“. Konzept, Komposition, Songwriting & Performance (Shamisen, Klavier & Stimme) Akemi Takeya. Elektronische Musik & Sounddesign: Sebastian Bauer. Bühne & Kostüm: Lise Lendais. Und viele andere hinter der Bühne. Uraufführung am 1. August 2018, mumok im Rahmen von ImPulsTanz 2018.
Eine weitere Vorstellung am 3. August 2018.