PUC: „Bauhaus tanzt II“, Brick-5
Die von Walter Gropius nach dem 1. Weltkrieg gegründete und erbaute Kunstschule „Bauhaus“ und das damals völlig neue Konzept, vor allem Oskar Schlemmers außergewöhnliche Ideen zum Bühnentanz lassen den Pianisten Amir Ahmadi und die Tänzerinnen Paula Dominici, Anna Possarnig, Maria Shurkal nicht mehr los. Nach der Produktion „Bauhaus Tanz“ im Herbst 2017 haben sie Ende Juli 2018 im Brick-5 „Bauhaus tanzt II“ gezeigt.
War die erste Performance vor allem an Prinzip und Formensprache des „Triadischen Balletts“ angelehnt, so haben sich die drei Tänzerinnen unter der künstlerischen Leitung von Maria Shurkal richtig freigetanzt. Die Elemente, die für den Bauhaus-Tanz wesentlich sind – Raum, Klang, Farben, Objekte, Tanz – sind alle vorhanden, jedoch aktualisiert, heutigen Mitteln, Körpern und Vokabeln angepasst.
Schwierig war diesmal der Umgang mit dem Raum, ist doch die ehemalige Turnhalle der jüdischen Gemeinde Sechshaus über dem Café im Brick 5 durch zwei Pfeiler unterbrochen, die es zu umtanzen gilt, soll der gesamte Raum (für einen Moment zu Beginn sogar das Dach davor, was nur wahrnehmbar ist, wenn man in die richtige Richtung schaut) genutzt werden. Allein diese Aufgabe meistert das Team großartig.
Begeistert hat mich auch der Umgang mit den Objekten. Luftpolsterfolien, die zum Teppich ausgerollt rosa leuchten und bei jedem Schritt knirschen, Klebebänder, die wunderbar ratschen und geometrische Muster bilden, silbrig schimmernde Erbsen, die aus einer raschelnden Matte an der Decke auf den hölzernen Bühnenboden klappern. Wahre Musik auch, wenn die Tänzerinnen den Flügel über die knackenden Luftpolster schieben, während der Pianist als Skulptur auf seinem Schemel an Rodin erinnert. An Mondrian erinnert die bunte Geometrie aus Klebestreifen an der rechten Seitenwand (Design Julia Maria Rohn), links leuchtet schwach der Abendhimmel hinter dem Fenster, durch das Tänzerin Shurkal zu Beginn eingestiegen ist.
Die Kostüme sind von Ova. L. ganz im Sinne der Schlemmerschen Farbenlehre entworfen, vor allem rot, blau, gelb, inklusive der Socken, wie auch die geometrischen Grundformen, Kreis, Quadrat, Dreieck, sichtbar sind.
Sichtbar sind im Tanz der drei „Tänzermenschen“ (Schlemmer) auch die bekannten Bewegungen und natürlich tragen diese Kunstfiguren auch Masken, die auf das Gesicht gemalt sind, als kämen sie geradewegs aus Venedig.
Damit der „Raumtanz“ perfekt wird, hat Julia Maria Rohn die Turnhalle gestaltet, dekoriert und in drei Bühnen – frontal, rechts und links der Zuschauerreihen auf Klappsesseln – geteilt. Über der Mittelbühne leuchtet ein metallenes Quadrat, das je nach Lichteinfall die Farbe ändert und von Ahmadi auch als Instrument verwendet wird. Was ich anfangs für einen weißen Lampenschirm gehalten habe, entpuppt sich, herabschwebend, als Reifrock, für den „Reifentanz“. Auch der von Schlemmer erfundene „Stäbetanz“ wird mit Akkuratesse und akrobatischem Elan gezeigt. Nahtlos fügt sich eine Szene in die andere, der Pianist und John Cage geben den Takt an. So hat „das „Triadische Ballett“, das während der Bauhaus-Ausstellung 2011, aber niemals im Bauhaus selbst, gezeigt worden ist, zeitgemäßen Nachwuchs bekommen. So zeigt sich, dass die Bauhaus-Prinzipien und -Ideen auch 100 Jahr später noch brauchbar sind.
Die Klavierstücke von John Cage, die Amir Ahmadi für den präparierten Flügel, der wohl auch den Fenstereinstieg genutzt hat, ausgesucht hat und mit Improvisationen würzt, sodass ich keinen Unterschied erkennen kann, scheinen wie für dieses Ballett komponiert. Die exakten, oft fast steifen und geometrischen Bewegungen, die forschen Schritte der entindividualisierten Tanzmaschinen, die Eroberung des Raumes der Triade, und immer wieder auch die schmiegsamen Biegungen des Oberkörpers und Schulter, wenn Ahmadi ein „presto“ vorgibt, scheinen aus dem Klavier zu wachsen. Wenn dem Pianisten später rote Gummihandschuhe übergestreift werden, ist die Illusion perfekt: Schlemmer und Cage sind Brüder im Geiste, legendäre Figuren der Moderne, ohne Scheu vor Experimenten.
Diese Freude am Experiment zeichnet auch das Team aus, das mit neuem Namen über die Bühnen tanzt und musiziert: „Puc“ steht für Pop-Up Collective, die PUC – POP-UP Collective ent-steht. Der Mut, nach halbjähriger Entwicklungs- und Probenzeit mitten im an Botschaften und Geschwurbel reichen ImPulsTanz Festival 2018 eine eigene Produktion zu wagen, hat sich ausgezahlt und wird bewundert. Auch ohne von Schlemmers Ideen und dem Bauhaus-Stil eine Ahnung zu haben, darf diese präzise und fantasievolle Aufführung genossen werden. Bühnenkunst pur, ohne die immer wieder gleiche Kritik an den Zeitläuften und all die anderen Wahrheiten und Falschheiten, die aus den Medien sattsam bekannt sind, ohne Introspektive und Pathos. Ich bin beglückt, wie bei der ersten Variation von "Bauhaus tanzt".
PUC: „Bauhaus tanzt II“, künstlerische Leitung: Maria Shurkal; Musik: John Cage, Amir Ahmadi, Georg Tkalec; Raumdesign: Julia Maria Rohn; Kostüme: Ova. L. Technischer Support: Christian Jähnsch; kuratiert von Kulturverein Brick-5. 30. und 31. Juli 2018, Brick-5.