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Meg Stuart / Damaged Goods: „Solos and duets“

Meg Stuart: Aus der Schwermut in die Heiterkeit. © Anja Beutler

Durch die Finsternis ins Licht! So könnte man die innere Dramaturgie dieser Kombination aus insgesamt fünf Solos und Duetten mit Auszügen aus abendfüllenden Arbeiten der US-amerikanischen, in Berlin lebenden Choreografin und Performerin Meg Stuart beschreiben. Präsentiert im Rahmen von ImPulsTanz 2018 im Odeon von TänzerInnen und MusikerInnen ihrer Brüsseler Company „Damaged Goods“, geben die Stücke aus den Jahren 1995 bis 2016 einen (wirklich nur kleinen) Einblick in das umfangreiche Schaffen der für ihre hochenergetischen, dichten Arbeiten weltweit bekannten Künstlerin.

Meg Stuart: „Inflamável“, Feuerwerk im Stelzengang © Anja BeutlerDie Bühne ist bereits belebt, wenn das Publikum den Saal betritt. Ein Tisch, zwei mit Motorradhelmen maskierte PerformerInnen, einer mit langen Stelzen an den Beinen, an deren Enden zu Beginn des Stückes Pyrotechnik sprüht. Elektronische Sounds begleiten ein sich windendes, geradezu zerbrechlich wirkendes Paar, das das Spektrum zwischen Risiko und Verletzlichkeit (vom Stelzengang in den Spagat fallend!, ein leichter Schreck ging durch das Publikum), Hoffnung und Desillusionierung, Verlust und Unerreichbarkeit des Begehrten fühlen lässt. „Inflamável“ ist 2016 in Zusammenarbeit mit dem Kostüm-Designer Jean-Paul Lespagnard entstanden. Düster.

Im zweiten Teil „oh yeah huh“, einem Solo aus  „No One is Watching“ (1995), sucht eine Tänzerin, in Shorts und T-Shirt gekleidet, mit fragmentierten Bewegungen, verwirrt, fragil, intim, lüstern und schmerzvoll. Der Soundtrack (Vincent Malstaff), eingespielt vom Band, verstärkt die dunkle, fast traumatische Atmosphäre.

„Dust“, der dritte, 2012 entstandene und von Yvonne Rainer inspirierte Part ist ein Solo, von Ko-Autorin Maria F. Scaroni ganz in weiß getanzt. Sie bewegt ihren Körper forschend, tastend, im Körper archiviertes Material erinnernd und neues kreierend, unvollendet. Kunst als permanentes „work in progress“.

Meg Stuart: Duett © Anja BeutlerDas  Solo „Signs of Affection“ (2010) ist der intensivste aller fünf Teile des Abends. Der Tänzer schüttelt heftigst den Kopf und ringt die Hände vor dem Gesicht, begleitet von einem explosiven Schlagzeugsolo (Marc Lohr). Das geht tief unter die Haut! Das Solo klingt mit einer Reihe von in Stille gebauten Körperskulpturen aus.

Pure weibliche Lebensfreude! Der letzte Teil der Performance ist ein Auszug aus dem Stück „Until our Hearts stop“ aus dem Jahr 2015. Zwei nackte Tänzerinnen spielen mit ihren Körpern, mit unserer Wahrnehmung und Fantasie. Ein sexuell aufgeladenes Duett mit homo- wie autoerotisch Explizitem, sehr humorvoll, sehr dynamisch. Wenn sich eine Band auf der Bühne formiert (Schlagzeug, Bass, Gitarre und zwei nackte Sängerinnen), geht im wahrsten Wortsinne „der Punk ab“.Meg Stuart / Damaged Goods: Eindrucksvoller Beginn eines großartigen Abends. © Anja Beutler

Die große Stärke von Meg Stuarts Arbeiten liegt in der Spannung zwischen massiver Abstraktion und ebenso tief vergrabener Bedeutung und Deutbarkeit und zuweilen reiner, durch Bewegung erzeugter und in ihr enthaltener, sich jeder Interpretation entziehender Energie, die auf so einzigartige Weise auf den Zuschauer übertragen wird. Dieser Abend gab einem Einblick in Meg Stuarts Schaffen. Er ließ vor allem aber auch die innere Entwicklung der Künstlerin erkennen: Aus der Schwermut in die Heiterkeit! Das Publikum fühlte es und dankte mit jubelndem Applaus.

Meg Stuart / Damaged Goods: „Solos and duets“, Choreografie: Meg Stuart; Performance: Márcio Kerber Canabarro, Vânia Rovisco, Maria F. Scaroni, Claire Vivanne Sobottke; Live-Musik: Marc Lohr, Les Trucs (Charlotte Simon, Toben Piel); Lichtdesign: Emanuelle Petit. 31. Juli 2018, Odeon, ImPulsTanz Festival.