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Ryoji Ikeda: “micro | macro / the planck universe”

Makro: Das Universum auf der Filmwand. Photo: Martin Wagenhan © Ryoji Ikeda

Mit dem, was so riesig ist, dass wir es nicht sehen können, dem Universum, und auch mit dem, was so winzig ist, dass wir es zwar mathematisch ausdrücken, aber nicht wirklich messen können, die kleinsten Teile des Universums, die Strings, befasst sich der Komponist elektronischer Musik und bildende Künstler Ryoji Ikeda. Er zeigt auf zwei Projektionsflächen das Unsichtbare, unfassbar bleibt es dennoch. Eine Ausstellung, eine Abenteuerreise im Lehnstuhl. Fantastische visual art.

Micro: Begehbare Projektionsfläche.  Photo: Martin Wagenhan. © Ryoji Ikeda Courtesy of ZKM KarlsruheMacro, das unfassbar Große, spielt sich auf einem Videoscreen ab. Ausgangspunkt sind die Bilder, die vor fast zehn Jahren das Weltraumteleskop „Planck“ durch Dauerbeobachtung des Alls geliefert hat. Seitdem wissen wir auch, dass das Universum gute 13,81 Milliarden Jahre alt ist. Auch diese Zahl ist unvorstellbar. Die Beobachtungen des Satelliten Planck aber stimmen mit den Berechnungen der Astronom*innen und Physiker*innen überein: Planck macht es möglich, den Beginn der Welt berechenbar zu machen, auch wenn das Licht des Urknalls die Erde noch nicht erreicht hat. Ikeda beginnt den im Film gestalteten kosmischen Loop mit dem Urknall. Roter Nebel, Dampfwolken, rasante Ausdehnung. Schön.

Micro, das nicht messbare Kleine, ist auf einer begeh- und besetzbaren horizontalen Fläche zu sehen. Da gibt es keinen Urknall, keine auseinanderstiebenden Atome, keinen Sternenhimmel, keine Spiralnebel, die schönen Macro-Bilder sind der Micro-Mathematik gewichen. Dahinrasende Rechentabellen, Kolonnen von Barcodes und alle Arten von Strukturformeln der Moleküle, kreisende Atome. Das extrem Winzige, die Strings sind nicht mehr messbar, nur noch mittels der Planck-Skala (10-35 m) beschreibbar. Der menschliche Verstand kann das ohnehin kaum noch erfassen. Die gewohnten physikalischen Gesetze gelten nicht mehr, das Denken in Raum und Zeit wird sinnlos. Sagen die gescheiten Leute. Und auch, Ein Jahr lang der Teleskop-Satellit den Himmel. © Esa. HFI and LFI sonsortia juli 2010dass Besucher*innen „die natürliche Welt von der Planck-Skala auf einen menschlichen Maßstab übertragen sehen können“. (Ausstellungskuratorin Linnea Simmerling und der Medienwissenschaftler Stephan Schwingeler.)

Verstehen muss man das alles nicht. Das sich mit hoher Geschwindigkeit ausdehnende Universum, die Tiefe des Sternenhimmels, dessen Licht uns erst erreicht, wenn die Leuchtkörper gar nicht mehr existieren, Auch sitzen und über das Universum nachdenken, darf man auf der Preojektionsfläche. Foto: Inés Bacherdas alles ist erkennbar, verständlich, doch auch wenn nicht, die Filmbilder faszinieren, halten die Augen fest, werden dreidimensional. Das Universum übt einen Sog aus, zieht mich hinein, damit ich dahinter, in die Tiefe sehen kann. Hintergrundstrahlung, Sternenhimmel, das ist doch romantisch.
Wenn die Pixel über mich hinweg und durch mich hindurch rasen, während ich auf der Projektionsfläche sitze, ist die Schönheit der farbigen Bilder in graue Theorie verwandelt. Kühl, ohne zu indoktrinieren, ohne zu manipulieren, löscht Ikeda auf eindrucksvolle, auch unterhaltsame Weise den blinden Fleck, der zwischen der Theorie über das Universum und dem davon Wahrnehmbaren liegt. Sagen die genannten gescheiten Leute.
Niemand verbietet aber, nichts zu denken und zu verstehen, einfach zu schauen und zu träumen unter dem Pixelregen im Angesicht von Ryoji Ikedas Universum.

Ryoji Ikeda: „micro | macro. the planck universe. Visual Arts, Ausstellung. Bis 17. Juni 2018, täglich 16 bis 22 Uhr, Museumsquartier, Halle E. Eine Veranstaltung im Rahmen der Wiener Festwochen 2018.