Barbara Ungepflegt: „Glaube, Siedlung, Hoffnung“
Im kleinen Helmut-Zilk-Park leuchten goldene Kuppeln. Die Hunde, die ansonsten hier verkehren und sich entleeren, sollen keine Chance mehr bekommen, doch Mieter, Käuferinnen sollen angelockt werden, denn ein neues Innenstadtviertel unter alten Bäumen wird hier entstehen, das Ressort Philipphof Parkside. Barbara Ungepflegt, Performerin und Konzeptkünstlerin, ist die Architektin dieser „Premiumappartements in Toplage“, deren Musterhäuser nur kurze Zeit, bis zum 1. Juni 2018, besichtigt werden können.
Zu dem witz- und Geist-sprühenden Titel hat Ungepflegt der Dramatiker Ödön von Horváth (1901–1938), an dessen Todestag vor 80 Jahren am 1. Juni 2018 erinnert wird. Der etwas abgewandelte Titel der Installation (um Gedächtnislücken zu füllen: Das Drama heißt „Glaube Liebe Hoffnung“ und wird vom Autor als „kleiner Totentanz“ bezeichnet. Es findet sich auch heute noch im deutschsprachigen Theaterrepertoire) ist so vielsagend, dass Ungepflegts Projekt keinerlei Erklärung bedarf. Denken können die Besucherinnen selbst.
Doch sie können auch mit den Bewohnerinnen sprechen, die die vier unterschiedlich möblierten, kugelförmigen Musterhäuser der geplanten Reihenhaussiedlung bewohnen und dazu da sind, Auskunft zu geben und zu diskutieren, ihr Mittagessen zu kochen und den Garten zu gießen. Sie scheinen glücklich zu sein, doch bald wird klar, den Investoren und Bauherren geht es kaum darum oder um das angepriesene Wohlgefühl künftiger zahlender Bewohnerinnen. Die Prospekte versprechen, was sie nicht halten können.
Ungepflegt ist zwar Mitbegründerin des Universitätslehrgangs für angewandte Dramaturgie (A!DRAMA), den sie an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien leitet, aber sie ist keine Oberlehrerin, sondern eine Künstlerin, die mit Witz und Charme den Finger in Wunden legt, die meist, von bunten Pflastern umhüllt, unsichtbar schwären. Besonders gern beschäftigt sich die vielseitige Künstlerin, die ihren Künstlernamen trägt, weil sie das verschreckte Erstaunen ihres Gegenübers genießt, wenn sie sich mit einem „Sehr erfreut, Ungepflegt“ vorstellt, mit dem öffentlichen Raum und scheut dabei auch den riskanten Einsatz als Performerin nicht. So bewohnte sie im September des Vorjahres samt Campingdusche und Ausziehsofa zwei Wochen eine Bushaltestelle am Wallensteinplatz, um über den rasanten Aufstieg der Vermietungsplattform Airbnb (für sie Airpnp = Air pause and peep) nachzudenken, die auf ihrer Homepage feststellt: „Vertrauen – dann klappt alles. Im „Büro Zimmer frei“ setzten Ela Posch und Barbara Ungepflegt 2016 das Büro der Zukunft um, in dem Arbeit und Leben verschmelzen, man weder am Morgen ins Büro noch am Abend nach Hause gehen muss, man ist einfach immer da, steht zur Verfügung und jettet um die Welt, die Katze wird im Büro gefüttert. Kommt man zurück, sucht man sich einen neuen Schreibtisch. Ein Zimmer ist immer frei, Effizienz und Erfolg sind garantiert.
Heuer also wohnen in Toplage mit Grünblick (und Presslufthammermusik, die U-Bahn kommt vor die Tür).
„Philipphof Parkside – Glaube, Siedlung, Hoffnung“, Installation und Performance. Konzept und Produktion: Barbara Ungepflegt. Kurator: Peter Ahorner. Mitwirkende Künstlerinnen Yujiro Akihiro, Almuth Hattwich, Malou Geraldine Lardon, Krista Schweiggl, Elisabeth Walsburg, Clemens Stecher und andere. Bau der Installation: Plan-B; Technischer Leiter: Bernhard Auer. Helmut Zilk-Platz / Albertinaplatz, bis 1. Juni 2018, nonstop bei freiem Eintritt.
Im Rahmen der Ausstellung „ich denk ja gar nichts, ich sage es ja nur – Ödön von Horváth und das Theater“ beteiligt sich das Theatermuseum an der Produktion.