Dries Verhoeven: „Phobiarama“, Wiener Festwochen
Eine „Geisterbahnfahrt des Unheimlichen und der neuen Ängste unserer Gesellschaft“ verspricht das Programmbuch der Wiener Festwochen. „Phobiarama“, konzipiert vom „für seine provokanten Projekte bekannten“ niederländischen Künstler Dries Verhoeven, ist eine fast einstündige Fahrt im Kreis mit einem Autoscooter auf Schienen. Die Gäste werden mit ohrenbetäubenden Geräuschen und Gebrüll beschallt, ab und zu blinken die Displays kleiner Videoscreens auf. Eine Stunde kann sehr lang sein.
Vor der Front des Museumsquartiers steht das Autodrom ganz in schwarz. Zwischen 15 und 22 Uhr werden mögliche Gäste im Stundentakt eingelassen. Sie tappen durch einen schwarzen Gang, bis ein schwacher Schein ihnen die vorgegebene Tür zum Auto zeigt. Manchmal sitzen schon zwei drinnen im Wagen, dann geht man die Schienen entlang, bis ein freier Platz im Zweisitzer gefunden ist. Einer der aufregendsten Teile des Besuches im garagenartigen schwarzen Haus.
Die Fahrt geht los, ziemlich gemächlich, der Lärm verhindert jegliche Unterhaltung. Die ist bei einer Performance auch nicht vorgesehen. Die sattsam bekannten Reden rechter Politiker, so unter dem Motto „der Feind ist überall, schotten wir uns ab, lassen wir niemanden rein in unser schönes Heim“, beschallen die Fahrgäste. Wahlreden, Hassreden, Dummreden, jeden Tag über die Medien zu hören und zu lesen. Warum muss ich mir das auch in einer Vorstellung anhören? Mach ich nicht, nicht dort draußen, nicht hier drinnen. Manchmal kommt ein riesiger Bär aus einer Ecke, steht hinter einem Pfeiler, beugt sich zu den Vorbeifahrenden. Vielleicht sollen diese Bären (es sind etwa 10) die Monster der Medien – oder in uns? – sein. Später werfen die Darsteller Kopf und Fell ab, es sind nur Clowns, vermutlich sind sie herzlos und böse. Hinter der Maske sieht man das nicht.
Ich fühle das Fehlen von Licht auf der Haut, die Dunkelheit wird zur Materie. Einer der Bären schaut gebannt auf das kleine Videokastel. Irgendwann hat die Bahn genug vom kreisenden Vorwärtsfahren, presst die Insassinnen in den Schleudersitz und saust durch die Kurven rückwärts. Aufregend wie im Prater, hoffentlich wird mir nicht schlecht. Wird mir nicht, und für einige Minuten vergesse ich die quälende Langeweile. Wir stehen zwar gerade wieder vor einer der Ausgangstüren, aber es gibt kein Signal, dass die Fahrt schon beendet ist. Alle sitzen wieder in Fahrtrichtung, die Clowns haben rote Nasen und Masken abgeworfen, entledigen sich auch des dunklen Zivilgewandes – große, schöne Männer in knappen schwarzen Hosen kommen aus den Seitengassen und stellen sich hinten auf die Scooter. Ein angenehmes Gefühl, sie dürfen sogar für Sekunden ihre warme Hand auf unsere Schulter legen. Dann springen sie ab und verschwinden wieder. Strache hat endlich aufgehört mit seinem Geschwätz. Licht aus, Licht an, einer der Darsteller mit der Hand am Lichtschalter. Noch immer kein Ende. Um ein wenig zu schlummern, dazu sind die Sitze zu unbequem. Ich überlege was passiert, wenn jemand in der Finsternis eine Panik bekommt. Später wird mir erklärt, dass die Bären-, Clown-, Menschendarsteller auch ein Auge auf die längst wieder gemütlich Kreisenden haben. Zum Abschluss bellt ein Hund und es wird hell. Die sinnlose, sinnleere Geisterbahnfahrt ist beendet. Mit steifen Gliedern klettern wir aus dem Gefährt. Applaus wird nicht gespendet. Draußen, auf der Museumstraße, heult ein Folgetonhorn.
Was will Dries Verhoeven mit dieser aufwändigen Inszenierung, die so platt ist wie eine Flunder, mitteilen? Mir fehlt die Erleuchtung.
In jedem überfüllten U-Bahn-Waggon muss ich mehr über meine Ängste und die Monster in mir nachdenken. Täglich.
Dries Verhoeven: „Phobiarama“, im Rahmen der Wiener Festwochen 2018.
Vorstellungen bis 15 Mai und von 17. bis 22. Mai 2018. Ab 15 Uhr jeweils im Stundentakt bis 22 Uhr.