Jorma Elo: „Ein Sommernachtstraum“ mit Debüts
Ein Sommernachtstraum“ zu Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy, in der Choreografie von Jorma Elo, ist ein Erfolgsstück. Nicht wirklich ein Ballett, eher gefälliges Tanztheater im romantischen Bühnenbild von Sandra Woodal,l die auch die Kostüme in einer Art griechischen Stil entworfen hat. Dass solch leichte Kost Begeisterungsstürme hervorruft, ist verständlich. Schon 18 Mal stand Elos Choreografie auf dem Spielplan, 2010 war Premiere in der Staatsoper, nach sechs Vorstellungen übersiedelte das Staatsopernballett 2013 in die Volksoper, wo nun die 19. Vorstellung bejubelt worden ist.
Erklärlich auch, dass nach vier Jahren Pause viele Rollen von Solist*innen und Corps zum ersten Mal getanzt worden sind. Mit ihrem Debüt als Hippolyta zeigt Gala Jovanovic, dass sie eine majestätische Amazonenkönigin ist. Kamil Pavelka, als Theseus, ist mit seinem Debüt weniger König von Athen als blasser Prinzgemahl. Begeistern können die beiden von Puck (Mihail Sosnovschi) durcheinander gewirbelten, kreuz und quer liebenden jungen Paare. Besonders die kontrastreiche Besetzung der beiden Damen, Natascha Mair als Hermia (Debüt) und Alice Firenze als von ihrem Angebeteten Demetrius (Dumitru Taran) verschmähte Helena sind tatsächlich, wie von Shakespeare gewünscht, zwei unterschiedlich Frauentypen. Firenze und Taran haben ihre Rollen schon eingespeichert. Schon bei der Volksopernpremiere hat der Halbsolist den Demetrius getanzt, seine Partnerin war die zierliche Rui Tamai, eine Fehlbesetzung. „Bunte Bohnenstange, du Blütenwurm“, schreit ihr Hermia entgegen, nach dem Puck alle vier unter Drogen gesetzt hat. Doch die eher zurückhaltende Helena hat genug von der anfangs mit ihrer Liebe zu Lysander so erfolgreichen Schulfreundin: „Marionette, Puppe“ schreit sie und wirft ihr verachtungsvoll ihre kleine Gestalt vor. Der entliebte Lysander setzt noch eins drauf: „Pack dich Zwergin“ faucht er (in der bekannten Schlegel/Tieck-Übersetzung). Man hört förmlich alle vier sprechen, auch Demetrius wenn er die ihm „wie ein Hündchen“ hinterherlaufende Helena energisch zurückweist: „Mir ist schon übel, blick ich nur auf Euch.“ Taran zeigt auch die entsprechend angeekelte Miene. Wie Helena lässt sich Alice Firenze nicht abschrecken und geht ihm, ganz Griechin, unverdrossen nach.
Als Lysander feiert auch Scott McKenzie ein Debüt. Schon wieder! Der Corpstänzer ist 2016 aus Schottland nach Wien gekommen und hat in dieser Saison bereits eine Serie von Debüts als Solist absolviert, und noch niemals enttäuscht. Auch in der Zusammenstellung – McKenzie / Mair, Taran / Firenze – ist diese Besetzung perfekt.
Elo bleibt recht nah an Shakespeare, lässt die handelnden Personen gerne Posen einnehmen, als wären sie einer griechischen Vase entstiegen, und überdeutlich gestikulieren. Sein Rezept ist recht einfach: zu jedem Satz Shakespeares eine Geste, zu jedem Takt Mendelssohns eine Bewegung. Das Publikum reagiert logisch: Nach jedem Hüpfer einen Applaus. Die kleinen, frechen Leuchtkäfer oder Leuchtelflein, von den jüngsten Schüler*innen der Ballettakademie allerliebst zappelnd dargestellt, müssen das Publikum entzücken. Sie sind perfekt eingesetzt, bilden sie doch gemeinsam mit dem sie gar nicht ästimierenden Puck vor dem Vorhang die Brücke zum nächsten Bühnenbild.
Misha Sosnovschi war der Premieren Puck, er hat die Rolle kreiert, und im Grunde gibt es keinen Ersatz für ihn. Verständlich, wenn er schon ein wenig müde scheint, Herausforderung ist diese Rolle kaum mehr. Spannend ist die Interaktion zwischen Oberon und Titania. Vladimir Shishov und Ketevan Papava sind nicht nur ein schönes Paar, sondern zeigen auch Gefühle. Shishov wechselt seine Allüre jeweils, ob er seinem ungebärdigen Puck Befehle erteilt, oder eifersüchtig um seine Königin buhlt. Papava verkörpert eine sinnliche Elfenkönigin, dem selbst Oberon, das was er ihr da eingebrockt hat, nämlich die Liebe zu einem Esel (hat Shakespeare an eine Allegorie aller Männer gedacht?), zuwider ist. Der Esel (ebenfalls bewährt: Gabor Oberegger als Handwerker Zettel) muss auf allen Vieren abtreten und darf wieder Mann sein.
Nicht abtreten müssen die Probenleiter, sie haben vier jJahre nach der letzten Aufführung beste Arbeit geleistet. Jean Christophe Lesage, Lukas Gaudernak und Albert Mirzoyan gebührt der Applaus ebenso wie den Tänzer*innen und Musiker*innen, auch wenn sie im Hintergrund arbeiten. Wenn schon Namen zu nennen sind, dann auch Rafaella Sant'Anna, sie hat mit den kleinen Leuchtkäferln geprobt.
Im 2. Akt löst sich alles in Wohlgefallen auf, jeder Topf hat den richtigen Deckel gefunden, die Elfen dürfen tanzen, die Hauptpaare ein wenig zeigen, dass sie das auch können, Dirigent Andreas Schüler verbreitet mit dem Volksopern Orchester romantische Stimmung, Vesna Stankovićv spielt zwei Sätze aus Mendelssohns Violinkonzert, und, wenn noch einmal dessen seine Musik zu „Ein Sommernachtstraum“ erklingt, ist dieser auch schon zu Ende. Puck hat das letzte Wort, Sosnovschi gestikuliert, das Shakespeare-kundige Publikum hört: „Nun gute Nacht! Das Spiel zu enden, begrüßt uns mit gewogenen Händen.“
Der Aufforderung wird begeistert und ausgiebig Folge geleistet.
„Ein Sommernachtstraum“, Ballett in zwei Akten von Jorma Elo nach der Komödie von William Shakespeare. Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy. Mit Vladimir Shishov, Ketevan Papava, Mihail Sosnovschi, Kamil Pavelka, Gala Jovanovic, Natascha Mair, Scott McKenzie, Alice Firenze und Dumitru Taran und vielen anderen Tänzer*innen des Wiener Staatsballetts in zahlreichen Debüts als Elfen, Athenerinnen, Athener. 13. Vorstellung an der Volksoper, 20. April 2018.
Noch vier Gelegenheiten in dieser Saison: 25., 28., April 2018; 11., 18. Juni 2018.
Fotos von Ashley Taylor (© Wiener Staatsballett / Ashley Taylor).