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Vordiplom: Anna Marboe inszeniert „Benefiz“

Das "Benefiz"-Ensemble. © Max Renhard Seminar

Afrika scheint an den Wiener Bühnen gerade zu boomen: Das Theater Drachengasse bringt am 7. Mai als Eigenproduktion die Uraufführung von Malibu Diaries dokumentarisch-historischem Rundumschlag „Abendstimmung Afrika Digitalprint“, am Volx/Margareten ist seit einigen Wochen schon die österreichische Erstaufführung von Milo Raus 2015 uraufgeführter Textcollage „Mitleid. Die Geschichte des Maschinengewehrs“ zu sehen, eine Kooperation mit Max Reinhardt Seminar und Filmcasino. Und soeben hatte, am Max Reinhardt Seminar, Ingrid Lausunds 2009 uraufgeführte schrill-böse Komödie „Benefiz – Jeder rettet einen Afrikaner“ ihre Premiere. Regie führt bei dieser Vordiplom-Inszenierung die junge Wiener Nachwuchsregisseurin Anna Marboe.

„Und ich mach ja auch mit!“

Wie bereits mit den beiden szenischen Skizzen „papier.waren.pospischil“ von Theodora Bauer und „In Ewigkeit Ameisen“ von Wolfram Lotz, beide im Rahmen des Festivals Neues Wiener Volkstheater am Max Reinhardt Seminar, erweist sich Marboe als eine Regisseurin, der das komödiantische Fach nicht nur Freude macht, sondern auch merkbar liegt. In dieser wunderbar mit Studierenden des zweiten und dritten Jahrganges besetzten absurden Probe zu einer geplanten Benefizveranstaltung zugunsten eines geplanten Schulprojektes im westafrikanischen Guinea-Bissau, einem der bis heute ärmsten Länder der Welt, bei der das Publikum wie „zufällig“ den Gesprächen, Tanzproben, mal verzweifelten, mal rasenden Aus- und zwischenmenschlichen Einbrüchen der fünf mehr oder minder freiwilligen „Gutmenschen“ beiwohnt, bricht im Laufe der immer absurder werdenden gezeigten „Show-Acts“ und Kurzvorträge so ziemlich alles zusammen, was man sich so für den schillernden Galaabend vorgenommen hat."Benefiz": Wer profitiert von Charity-Veranstaltungen? © Max-Reinhard-Seminar

Während alle schweißtreibenden Animationsangebote des sportlichen Feschaks Leo (Philip Leonhard Kelz) in dessen Abwesenheit konsequent von den KollegInnen gestrichen werden und sich für Rainer (Jakob D’Aprile) im Laufe der diversen geprobten oder spontan entwickelten Einlagen das Unterfangen ad absurdum führt, bleiben Eva und Eckhardt (Emilia Rupperti als durchhaltestarke und dauerargumentierende „Teamplayerin“ und Julian Waldner als herrlich verschrobener „Bibelfuzzi“) ihren moralischen Werten vorerst treu, ehe auch sie sich bei der schweren Entscheidung, welches arm- oder elternlose  (oder beides) Kind man nun mit 12,50 oder 25 Euro Spendengeld (sprich: Patenschaft) im Monat in den kommenden Jahren auf ein "zivilisiertes" Leben vorbereiten soll, heftig in die Haare kriegen.

„Was ist denn da abstrakt?“

"Benefiz": Ensemble auf der Wendeltreppe: Wohin geht es? Nach ben oder nach unten? © Max-Reinhard-SeminarMarboe gelingt mit ihrer aktuellen Regiearbeit grandios, diesen Parforceritt zwischen absoluter Peinlichkeit und unbeugsamem Glauben an die Möglichkeit einer „political correctness“ inmitten all dessen, was „man“ so im täglichen Tun und Sagen als „westlicher“, gar europäischer Altruismusnarziss von sich gibt – und zu sich nimmt – mit immer wieder neuen szenischen, räumlichen, musikalischen und dialogischen Einfällen durchzudeklinieren. Immer wieder muss man herzlich lachen über all die irr- und sprachwitzigen Einfälle von Lausunds zugleich grotesken und doch allzu bekannten Figuren. Und selbst nach den wenigen scheinbar doch in die Ernsthaftigkeit führenden Monologen fühlt man sich schon wieder ertappt in den eigenen Fallen, in den eigenen Werten, die doch so oft, wenn nicht zumeist fremdgesteuert sind.

Am Ende des Abends hat die Benefiztruppe bis zur völligen Erschöpfung alle Aspekte für und wider abgearbeitet und legt sich schweiß- und moralisch schmerzgebadet in die sanften bunten Wogen der kurz zuvor für den Showdown aufgelegten wallenden afrikanischen Stoffbahnen. Die eigentliche Show findet nicht statt, dafür haben wir alle einen Abend lang viel gelacht und gehen vielleicht doch mit dem einen oder anderen Fragezeichen an uns selbst nach draußen, wo im endlich warmen Frühlingsabend noch gefeiert werden darf. Spenden kann man dennoch an diesem Abend: für das Bagamoyo Film Collective in Tansania. Der Besuch dieses beachtlichen Vordiploms zahlt sich also in jedem Falle aus.

Ingrid Lausund: "Benefiz ‒ Jeder rettet einen Afrikaner," Vordiplominszenierung von Anna Marboe: mit: Emilia Rupperti, Lisa-Maria Sommerfeld, Philip Leonhard Kelz, Jakob D'Aprile, Julian Waldner.
Alte Studiobühne im Max Reinhardt Seminar, Penzinger Straße 9, 1140 Wien
Weitere Vorstellungen: 21. und 23. April 2018, 19.30 Uhr.
Die begleitende Ausstellung in der Arena ist ab 18.45 Uhr geöffnet und zeigt die während der Arbeitsreise von Anna Marboe, Thilo Remini und Thomas Schrenk 2017 in Bagamoyo, Tansania, entstandenen Bilder und Filmdokumente.