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Makemake: „Von den wilden Frauen“, im Dschungel

So tanzen die wilden Frauen. © Bettina Frenzel

Tief in die alpenländische Sagenwelt taucht makemake produktionen mit Theater, Tanz, Gesang und Objektkunst ein und erzählt im Dschungel für Kinder ab 9 und Erwachsene von den „Wilden Frauen“, den Saligen, die, meist unsichtbar, scheu und eigenwillig, nach ihren eigenen Regeln gelebt haben. Wieder einmal zeigt das Kollektiv makemake, wie vielfältig, interessant und auch amüsant Theater sein kann.

Michèle Rohrbach: Erzählerin und auch eine Salige. Alle fotos von Bettina Frenzel Wann die Aufführung beginnt, weiß die bucklige Alte, die in der Mitte mit ihrer Heugabel steht und vielleicht aus ganz alter Zeit stammt, nicht. Sie meint auch, dass das, was gezeigt werden wird, weder Logik noch Belehrung und auch keine Geschichte mit Spannung und Höhepunkt enthält. Doch dann beginnt sie zu erzählen, und der  Almabtrieb tanzt über die Stufen durch das das Publikum mit Gesang und bunten Erntekränzen auf die Bühne, mitten drunter eine allerliebste Kuh. Bald ist da ein Bauer, der viele Bauern ist, und die Kuh verwandelt sich in eine schöne Frau, dass ihre Sennerin schön ist, haben wir gleich bemerkt und beide sind diese sagenhaften wilden Frauen, die Saligen, die vor urlanger Zeit in Felsen- oder Gletscherhöhlen gelebt und armen Bauern unverhofft bei der schweren Arbeit geholfen haben (sollen). Manchmal hat sich einer der Kerle in so eine tanzende Schönheit verliebt und sie blieb auch bei ihm, allerdings unter strengen Bedingungen. Brach er sie, fragte etwa nach ihrem Namen, trotz des Verbotes, verschwanden sie auf Nimmerwiedersehen.

Nicht nur die Großmutter erzählt von früher, als niemand einen Unterscheid zwischen Arbeit und Freizeit gemacht hat und das Leben von früh bis spät, von Frühling bis Winter ein einziger Fluss war, auch der junge Bauer, ein begabter Sänger und Jodler, sitzt auf dem Heuboden und sinniert. Ob das Leben als Jäger und Sammler, als alle genug hatten und niemand neidisch und gierig war, besser, die Welt schöner war? Kamen Machtgelüste und Gesetzesvorschriften erst über die Menschen, als sie sesshaft wurden, um das bebaubare Land kämpften und ihre Freiheit verloren? Gedankensplitter, Assoziationen, hervorgerufen durch die Sagen von den Saligen. Die Musikerinnen Catharina und Clara Priemer-Humpel liefern die Melodien für Tanz und Gesang.

Das je nach Bedarf fluktuierende Team von makemake besteht diesmal aus zwei großartigen Tänzerinnen (Martina Rösler, Steffi Wieser), die, wenn schon nicht sich selbst, so doch den grapschenden Bauernlümmel in kreisender Raserei zu Tode tanzen.
Die Schauspielerin Michèle Rohrbach ist das alte Weiblein, das erzählt und das Publikum mit den Saligen bekannt macht und auch als wilde Frau auftritt, damit das anmutige Trio mit fliegenden Röcken einen Reigen tanzen kann. Wie jede gute Geschichtenerzählerin hält Rohrbach den Kontakt zum Publikum, blickt es direkt an, lacht heimlich und macht es zur Komplizin. auch wenn sie still sein muss, weil der Bauer auch etwas zu sagen oder zu singen hat, lässt ihre Aufmerksamkeit nicht nach, eine Stunde lang ist Michèle eine drollige, vom Alter gekrümmte Frau, die viele Geschichten aus der weit entfernten Vergangenheit in sich trägt. Es könnten auch Geschichten aus der Zukunft sein, denn „der Mensch ischt nicht für diesen Ameisenbau geschaffen“.

Der Bauer und eine wilde Frau mit Hörndeln. Der Kuhkopf hat seinen Kopfschmuck nicht opfern müssen. Als Bauer mit vielen Erinnerungen an die längst vergangenen Zeiten agiert, singt und jodelt Richard Klein in bester Tiroler Manier. Wenn er auch mit den Bräuchen und der Volksmusik seiner Heimat vertraut ist, so ist das Repertoire des Tenors überraschend breit. Von der Renaissance bis zur romantischen Oper, vom Liedgesang, dem Oratorium und der Operette reicht es bis zum zeitgenössischen Musiktheater. Der Vollständigkeit halber sei noch gesagt, dass Klein 2008 ganz ohne Sang und Klang sein Jusstudium abgeschlossen hat.

Melodisch begleitet wird er samt den drei weisen Frauen, die ja „wild“ genannt werden, weil sie lieber in der Wildnis als in der Zivilisation leben, und keineswegs böse sind, so man sie nicht verärgert, der Bauer miteingeschlossen,  vom jungen Ehepaar Clara und Catharina Priemer-Humpel mit Percussion und E-Gitarre. Gitarristin Clara hat unter ihrem Künstlernamen Clara Luzia auch die Noten dazu geschrieben.

Damit dieses fröhliche, zu Herzen gehende Tanz-Gesangs-Theater, wenn schon keinen Anfang, dann doch einen ordnungsgemäßen Ablauf und ein Ende hat (obwohl dieses mir ausnahmsweise zu früh kommt), hat Sarah Ostertag (wie Rohrbach und Rösler fest im makemake-Team) Regie geführt. Und ohne den Autor Martin Auer wären die Saligen sicher nicht aus den ganz alten Zeiten auf die heutige Bühne getreten (getanzt). Wird der Bauer überleben? Die wilden Frauen sind tatsächlich wild, wenn sie den Reigen tanzen.Auer hat sich schon lange mit dem Thema beschäftigt und die schönen Sagen aufgeschrieben.

Das Team von makemake haucht den geheimnisvollen Frauen Leben ein, voll Spielfreude und Fantasie, mit Augenzwinkern und Anregung zum Grübeln, mit Intelligenz und einem Sack voller Poesie – in den anderen Säcken auf der Bühne ist Heu.

makemake produktionen: „Von den wilden Frauen“, nach dem gleichnamigen Buch von Martin Auer im Verlag Bibliothek der Provinz.
Mitwirkende: Michèle Rohrbach, Martina Rösler, Steffi Wieser; Richard Klein. Regie Sara Ostertag. Komposition, Musik: Clara und Catharina Priemer-Humpel. Premiere am 18. April 2018. Dschungel Wien.
Weitere Vorstellungen 19. – 23.April 2018.
Buchtipp:
Hans Haid: Mythen der Alpen: "Von Saligen, Weißen Frauen und Heiligen Bergen.“ Böhlauverlag, Wien 2006. 365 S., 120 Abb. € 30,70.