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Anne Teresa De Keersmaeker / Rosas: „Rain“

Rosas tanzt "Rain", © Anne Van Aerschot

Romantische Musik und unaufhörlicher Tanz, 70 Minuten lang, kennzeichnet Anne Teresa de Keersmaekers Stück „Rain”, das als Krönung das Osterfestival Tirol 2018 beendet hat. Die Komposition von Steve Reich, „Music für 18 Musicians“, ist faszinierende Minimalmusic, ein stetiger Fluss, der die reflektierende Bewegung herausfordert. 10 Tänzer_innen erobern die Bühne und fesseln zur hypnotischen Musik in wechselnden Kostümen das Publikum, tanzen ohne zu ermüden in einem ovalen Lichtfeld. Erst der tobende Applaus weckt aus Traum und Trance.

Gespannter Körper im herbstlichen Licht. ©  Anne Van Aerschot Der Titel des Stückes, „Rain“, ist für de Keersmaeker eine Metapher für „gegensätzliche Gefühle von Melancholie und Vitalität“. 2001 hat sie dieses Fallen und Aufstehen, dieses Drehen, Heben und Springen geschaffen und in Brüssel uraufgeführt. Im selben Jahr war „Rain“ auch im ImPulsTanz Festival zu sehen. 2016 hat de Keersmaeker das Stück zum 80. Geburtstag des Komponisten wieder aufgenommen.
Sieben Tänzerinnen und drei Tänzer schmiegen sich in die Architektur der Musik, bewegen sich als Gruppe, die sich auflöst und wieder zusammenfügt. Auch sogenannter abstrakter Tanz erzählt Geschichten. Kleine Szenen zeigen, dass jede Tänzerin, jeder Tänzer eine Rolle hat, In flüchtigen Begegnungen nehmen sie Kontakt miteinander auf, sind komplizenhaft keck, auch spielerisch aggressiv, lächeln einander zu, purzeln gemeinsam auf den Boden, um wieder in die Höhe zu schnellen.  Enstpannt im rosa Frühlingsschein © Anne Van Aerschot

Die Farben der Kostüme und auch des Lichtes wechseln von hellem Weiß und Beige in blühendes Rosarot, um gegen Ende wieder zu verblassen. Solos, Trios und Duos wechseln ohne Unterlass und Pause, manchmal zeichnen sich scharfe Schatten am Hintergrund ab. Der besteht aus einem im doppelten Halbrund gehängten Vorhang aus glänzenden Schnüren. Manchmal verschwinden die Tänzer_innen, sind nur noch als Schemen hinter den Schnüren zu erahnen. Die Körper sind gestreckt, gehoben, auch steif und platt wie ein Brett, sie werden spiralförmig gedreht, liegen vertikal, als würden sie gleich fallen, die Arme schwingen weit aus, Musik und Tanz werden eins, ein unaufhörliches Rauschen und Wirbeln, Wellen der Energie branden in den vollbesetzten Saal.

"Rain": Spektakuläres Duo © Anne Van Aerschot Ein schwieriges, überaus anstrengendes Tanzstück, bei dem die Tänzer_innen auch am Ende keinerlei Ermüdungserscheinungen erkennen lassen.
Ein Tanzstück, das Anne Teresa de Keersmaeker zurecht nicht in ihr Archiv verbannt, sondern damit, wie auch mit „Rosas tanzt Rosas“ oder „Drumming“, immer wieder von neuem, mit neuen Generationen von Tänzer_innen, begeistert.

Anne Teresa de Keersmaeker / Rosas: „Rain“ zur Musik von Steve Reich. Bühne und Licht: Jan Versweyveld; Kostüme: Dries Van Noten. 1. April 2018, Abschluss des Osterfestival Tirol 2018 in Innsbruck und Hall in Tirol.