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ImPulsTanz: Akemi Takeya – „Lemonism Vol.2“

Der Körper im Mittelpunkt des Lemonismus. © Emilia Milewska

Eine Grätsche über nahezu 100 Jahre wagt die Tänzerin / Choreografin Akemi Takeya mit ihrer „Lemonismus“-Serie. In ihren Performances verbindet sie die kunsthistorischen europäischen „Ismen“ mit ihrem eigenen „Zitronismus“, dem Lemonismus. Mit lebendiger Bühnenpräsenz, der Schönheit der Bewegungen und ruhiger Selbstsicherheit gelingt es Takeya im Leopold Museum,  ihr Publikum zu erreichen und eine Atmosphäre zu schaffen, in deren Mittelpunkt der Körper agiert. Auch ohne ihren Gedankengängen im Detail folgen zu können, ist das Publikum begeistert.

Ausgangspunkt der Reihe ist die Aktionsmus-Ausstellung im Mumok. Takeya im Zitronenkreis (x Cubism) © Emilia MilewskaDort hat Takeya 2015 die erste Performance, „Aktionismus x Lemonismus“, im Kreis von 72 Zitronen gezeigt. Im Kostüm aus tiefschwarzer Farbe auf nackter Haut ließ sie sich den Zitronen innewohnenden Befehlen lenken und zeigte sowohl Präsenz als auch Distanz und eine Portion Ironie. In mehreren Wiederholungen der Vorstellung bestätigte die Begeisterung des Publikums ihre nicht tierisch ernst gemeinte Idee. Danach war sie von den europäischen Ismen gepackt. Dem Lemonismus hat sich die Tänzerin nicht zufällig ergeben. Die Zitrone ist in Japan Mangelware und überaus teuer, ihren Saft zu verwenden, ist Luxus. Takeya setzt ihn für das Blut ein, das die Wiener Aktionisten in den 1960er / 70er Jahren fließen ließen. Die 72 gelben Früchte, frisch und saftig, geben sämtlichen Kapiteln der Auseinandersetzung den leuchtenden Rahmen, bergen Befehle und Fragen, die im Zufallsprinzip ausgewählt und befolgt werden.

Takeya mit dem Zitronenhelm (X Dadaism) © Emilia MilewskaIn einer knappen Stunde versucht Takeya beim diesjährigen ImPulsTanz Festival mehrere Ismen (Japonismus, Symbolismus, Kubismus, Minimalismus, Dadaismus) zu vereinen und zum Finale einen genauen Blick auf das Setting der „Aktionismus“-Performance zu gewähren. War die erste Performance inmitten der laufenden Ausstellung im MuMok, so agiert Akemi Takeya diesmal im leeren Kellerraum des Leopold Museums, bespielt die kahlen Wände jedoch mit feinst zusammengestellten Videos und Fotos. In rascher Abfolge mit ausgeklügelten Kostümen im Wechsel, zeigt Takeya, was ihr zu den unterschiedlichen Ismen einfällt. Eine Japanerin denkt über Europa nacht. Nicht immer wird klar, worin die Verbindung besteht, zumal der hohe Raum den Ton, vor allem wenn die Künstlerin spricht, schluckt. Das Steißbein ist dem Kubismus zugeordnet, Takeya verlässt den Kreis. © karolina MiernikIch beschließe, dass es nicht so wichtig ist, was sie sagt. Etwa im Dadaismus-Akt, da kann sie mit Gestik und der modulierten Stimme. die aus dem Zitronenhelm tönt, klar machen, dass es um die Beschimpfung des (bürgerlichen) Publikums (nach Tristan Tzara) geht. Wie auch von der Frequenz „Japonismus, hätte ich gern mehr von Dada gesehen und das ist auch möglich: Am 1. August wird die Langversion dieses „Lemon-Dada“ im Odeon uraufgeführt.

Wie zentral in Takeyas Stücken der Körper ist, zeigt sie in der Eröffnungssequenz, „Lemonismus x Minimalismus“. Mit einer weißen Kugel über dem Kopf konzentriert sie sich ganz auf ihren Körper samt seinen Öffnungen. Takeya scheint nur nackt, sie ist in einen hautfarbenen Ganzkörperstrumpf gehüllt, der den Körper perfekt moduliert und wie eine tanzende Schaufensterpuppe aussehen lässt. Abschnitt für Abschnitt fragmentiert sie ihren Körper, markiert die einzelnen Teile mit roten Leuchtpunkten. Minimalismus der Bewegung ist schön, auch kopflos. © Karolina MiernikDabei dreht sie sich gemessen, wie der Minutenzeiger, im Zitronenkreis, damit die rundum sitzenden Zuschauerinnen sie von vorn bis hinten betrachten können. Es geschieht eigentlich sonst nichts und dennoch zeigt Takeya eine spannende, ästhetisch befriedigende Performance.

Jedes einzelne Kapitel wird ohnein nur kurz angedeutet, waren doch auch die verschiedenen Strömungen, teils aufeinander folgend, teils sich überlappend oder lokal beschränkt, nur kurz aufgeblitzt, hatten dennoch die Kunstwelt verändert.

Mit ihrem Bewegungsrepertoire und den Accessoires, etwa der Glasfieberstange in der Symbolismus Paraphrase, erinnert Takeya auch an ihre reiche Aufführungsgeschichte in Wien. Kubismus-Interpretation aus dem Bewegungskatalog von Akemi Takeya. © Karolina MiernikIn der Japonismus-Auseinandersetzung zeigt sie ein Selbstporträt, ironisch und witzig, wie so oft. Die japanischen Wurzeln sind längst gekappt, doch so richtig heimisch ist sie auch in Wien noch nicht. Genau aus dieser Dualität entstehen jedoch die eindrucksvollen Tanzstücke und Performances der, ob sie denkt oder dichtet, singt oder tanzt, stets wachen und präsenten Künstlerin. Provokation und Hässlichkeit, ordinäre Schamlosigkeit und beleidigende Simplizität darf (muss) von Akemi Takeya nicht erwartet werden.

Akemi Takeya: „Lemonism Vol. 2“ Lemonism x Minimalism / Symbolism / Cubism / Dadaism & Lemonism x Actionism / Japonism. 21. Juli 2017, Leopold Museum im Rahmen von ImPulsTanz.
1. August 2071, Odeon: Akemi Takeya: Lemonism x Dadaism.