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Choreía: „amor hereos” im Theater Brett

Liebeskrank: amor hereos mit Katharina Senk

Die Tanzpädagoginnen und Choreografinnen Barbara Ebner und Daniela-Katrin Strobl haben es sich mit ihren Produktionen zur Aufgabe gemacht, unterschiedliche und auch neue Zielgruppen anzusprechen, um diese mit Tanz in Berührung zu bringen. Unter dem Vereinsnamen Choreía (χορεία / Tanz) haben sie im Vorjahr mit Erfolg das generationsübergreifende Tanzstück „Hin und weg“ gezeigt und waren in diesem Jahr mit „amor hereos“ im Theater Brett präsent. Entstanden ist das Tanztheater-Stück im Austausch mit Mädchen- und Frauenzentren im Rahmen der fiveseasons Frühlingsresidenz.

Bereits im Foyer des liebevoll eingerichteten Theaters findet sich eine Ausstellung von Fotos der Probenarbeit (Christoph Varga) und Texten, welche in der Zusammenarbeit mit *peppa Mädchenzentrum, ega: frauen im zentrum, spacelab_girls und Verein sprungbrett entstanden sind.

Das Stück spielt in einem Wohnraum. Die gesamte Ausstattung ist in Weiß gehalten: Zwei Tischhälften mit nur je zwei Beinen, gestützt von Stühlen. Eine Kommode. Eine Vitrine, gefüllt mit zusammengeknüllten, beschriebenen Papierseiten. Heruntergelassene Jalousien an der Rückwand. Indirektes Licht. Unkontrollierbare Gefühlsausbrüche (K. Senk)

Eine junge Frau (Katharina Senk), zu Beginn eingerollt auf der Kommode, führt die Zuschauer mit Tanzbewegungen und dem, einem inneren Monolog gleichenden, Text durch ein gesteigertes Gefühlschaos und gibt Einblick in die Gedankenwelt einer Liebeskranken. Ein Zitat aus einem Gedicht Sapphos – „mitten in nächten - die stunde verrinnt: ich aber liege allein.“ – gibt mit dem Untertitel das Thema an. Der Titel selbst – „amor hereos“ – ist ein sowohl literarischer wie medizinischer Begriff und bedeutet, was auch auf der Bühne verkörpert wird, die Liebeskrankheit.

Während in einer Szene eine tänzerische Tagesroutine zu Radiomusik vollführt wird, sitzt die Tänzerin in der nächsten an einem der beiden Tische, spricht und analysiert mit ihren Händen. Dann wiederum tanzt sie musicalhaft durch den Raum, um kurz darauf über ihre eigenen Beine zu stolpern, sich um sich selbst zu winden und um später in einer Art Zwangsjacke aus einer Vielzahl weißer Blusen in abstrakter Sanftheit durch ein Meer von zusammengeknülltem Papier zu navigieren.

Allein mitten in der Nacht: Sehnsucht nach der eliebten / dem Geliebten (K. Senk)Mit Doppelungen, Multiplizierungen und Wiederholungen steigert sich die Protagonistin immer mehr in ihre Gedankengänge hinein und verfängt sich bei dem Versuch, Struktur in das Gefühlschaos zu bringen. Auf der Suche nach Besserung der Situation findet sie nur sich. „Mich. Ich. Ich. Ich.“

Innerhalb einer Probenzeit von weniger als vier Wochen erarbeitete das engagierte Team ein Tanztheater, das das menschliche Sehnen nach Vervollständigung abbildet. In einem klaren Ablauf und zurückgezogen in sich selbst macht die Protagonistin die Unkontrollierbarkeit von Gefühlen und den Wunsch, Immaterielles besitzen zu können, zum Thema. Der Wahnsinn bleibt dabei im Schutzraum der Rolle wie auch der Bühne.

choreía: „amor hereos“, Premiere 30.6.2017. Theater Brett, Wien. Gesehen am 1.7.2017
Choreographie: Barbara Ebner, Daniela-Katrin Strobl | Tanz: Katharina Senk | Textcollage: Sophie Steinbeck | Regieassistenz: Dagmar Tröstler | Licht/Technik: Andreas Zemann | Bühne/Kostüm: Anne Schartmann | Produktion: Susanne Rosenlechner | Fotos: Christoph Varga