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Masayu Kimoto – neuer Prinz in „Schwanensee“

Masayu Kimoto: Gelungenes Debüt

Mit dem gelungenen Debüt des Solotänzers Masayu Kimoto als Prinz Siegfried hat die Serie von Rudolf Nurejews Ballettchoreografie zu „Schwanensee“, Musik Peter Tschaikowsky, ihren Abschluss gefunden. Kimoto, erst kürzlich Vater geworden und sichtlich gereift, hat in der Ersten Solotänzerin Maria Yakovleva eine großartige Partnerin gefunden und eroberte mit seiner Darbietung die Gunst des Publikums. Ebenso wie Yakovleva wurde auch Dirigent Alexander Ingram gefeiert. Immer von neuem rief ihn das Publikum vor den Vorhang, dieser, wie alle neun „Schwanensee“-Vorstellungen der Saison, ausverkauften Vorstellung.

Pas de deux: sauschwer für Tänzerin und Tänzer: Maria Yakovleva, Masayu Kimoto.Kimoto, seit 2013 nach einer Vorstellung von „La Sylphide“, damals ebenfalls mit Maria Yakovleva als Partnerin, Solotänzer im Wiener Staatsballett, zeigte eine saubere, engagierte Leistung. Schon bevor sich der Zwischenvorhang hebt, ist der junge Prinz auf der Schlossterrasse zu erahnen. In voller Körperspannung ist Kimoto doch ein verträumter Knabe, der auf den Wunsch der Mutter, sich eine Braut zu wählen, verständnislos negiert. Auch im 2. Akt bleibt dieser Siegfried etwas abwesend, nicht jedoch der Tänzer Kimoto, er spielt mit vorsichtiger Emotion und lässt sich für die Entwicklung der Figur sowie für seine Schritte und Sprünge genügend Zeit. Dementsprechend hält auch Ingram das Orchester zurück. Mir gefällt das, auch weil Kimoto keinerlei Debüt-Fieber anzumerken ist. Die Schwanenprinzessin beäugt vom Zauberer Rotbart im Hintergrund (Yakovleva, Alexandru Tcacenco) Mit Klick vergrößern!

Im dritten Akt sehen wir dann nicht nur eine gewandelte Ballerina als herbeigezauberte schwarze Kopie der weißen Schwanenkönigin, auch der Prinz ist ein anderer. Eben noch hat er gelangweilt die um seine Aufmerksamkeit werbenden Edelfräulein abgewiesen, da machen Herz und Beine einen Sprung, die Hormone wallen hoch, blind wirft er sich dem Trugbild zu Füßen. Die armen Edelfräulein ziehen sich enttäuscht zurück, doch die Tänzerinnen verdienen einmal genannt zu werden. Sie beeindrucken, wenn schon nicht den Prinzen, so doch das Ballettpublikum: Elena Bottaro, besonders leichtfüßig und charmant, Adele Fiocchi, Laura Nistor, Suzan Oppermann, Xi Qu, eine Corpstänzerin, die durch ihre Technik aufmerksam macht, und Alaia Rogers-Maman.
Zwei Freundinnen und ein Prinz (Nikisha Fogo, Masayu Kimoto, Ioanna Avraam). Alle Bilder: © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor Im ersten Akt brillieren die beiden Freundespaare – ich kann’s nicht lassen, dieser Pas de cinq ist mein Favorit, weil mir scheint, dass auch die Tänzer_innen ihre Bewegungen im Einklang mit der Musik entspannt genießen – Fouttés en tournant, Jetées in der Manege: alles zu aufregend, wenn auch erwartungsgemäß hinreißend. Diesmal haben mich Ioanna Avraam, Nikisha Fogo, Richard Szabó, Dumitru Taran und in der Mitte, elegant, mit fröhlicher Miene, Masayu Kimoto entzückt.
Ich bilde mir ein, Kimoto hat sich nicht nur die schwierigen Variationen und vor allem Pas de deux Nurejews einverleibt, sondern sich auch die Rolle des Prinzen persönlich zurechtgelegt. Bewusst setzt er nicht nur den Körper sondern auch die Mimik ein. Seinen Gefühlsausbruch hebt er sich für Odile, die falsche Schwanin, auf, man kann sehen, dass er sicher ist, die Richtige zu wählen. Nach dem Eklat, wenn Rotbart mit seiner Schöpfung unter Donner und Doria verschwindet, scheint Siegfried ein paar Sekunden lang gar nicht zu verstehen, was da jetzt passiert ist. Erst als die Gäste den Saal verlassen, bemerkt er den fatalen Irrtum, flüchtet heulend in den Schoß der Mutter. Die kann nicht trösten, weil sie in Ohnmacht fällt.

Übrigens, niemand will mir sagen, was Odile und Siegfried machen, während die Folklore-Tänzer_innen die Gesellschaft unterhalten. Die beiden verschwinden einfach und kehren nach den Divertissements wieder gemeinsam, sichtlich beglückt, zurück. Siegfried ist also bereits verführt. Gut, auf der Ballettbühne macht sich so eine Szene nicht wirklich gut. Also ab in die Kulissen. Die Fantasie der Zuschauerinnen ist gefordert. Furios: Yakovleva als Rotbarts Trugbild Odile, Kimoto ist der getäuschte Prinz Siegfried Während des gelungenen Pas de deux von Siegfried mit Odile hat sich das im Hintergrund meist wie angemalt ausharrende spanische Paar in Weiß bewegt. Tatsächlich! Ich habs gesehen. Eine freudige Überraschung, die mir Gala Jovanivic und Kamil Pawelka bereitet haben. Ohnedies hat der sachverständige Ballettfotograf Ashley Taylor diesmal eine andere Perspektive gewählt – die stocksteifen spanischen Hydranten sind nicht im Bild. Sie gehen mir nicht ab.

Damit kein Irrtum entsteht: Natürlich tanzt die blendende Maria Yakovleva beide Rollen, die zahme Odette und die wilde Odile, und auch Kimoto ist verträumter und einen Akt lang liebesblinder Prinz in einer Person. Ist der getanzte Doppelcharakter der Yakovleva ebenso frappierend wie ihre stupende Technik, so legt es Kimoto (Achtung: ein Debüt!) vorsichtiger an, aber auch er kann zwei Seiten zeigen. Und, in der Szene die ich besonders liebe, wenn Siegfried im letzten Akt, die tieftraurigen Schwäne weckt, brilliert Kimoto durch seine anmutigen Armbewegungen und unverkrampfte Gelassenheit. Jedes Schwanenpaar wird ohne Hektik aufgerichtet – und es geht sich wunderbar mit der Musik aus.
Einmal noch das schöne Paar: Marai Yakovleva, Masayu KimotoAm Ende sind sogar die Wellen hoch genug, die Nebel wallen wieder mal bis in den Orchestergraben und Siegfried wirft sich dem nassen Tod mit Verve in die Arme. Noch einmal richtet er sich auf, streckt sich der Schwanenkönigin entgegen, doch Rotbart (recht neu in der Rolle , doch immer mutiger: Alexandru Tcacenco) wartet schon auf seine Gefangene. Traurig ist auch schön.

Ob dieses Serienfinale die Tänzerinnen und Tänzer besonders beflügelt hat? Sie zeigten keinerlei Müdigkeit oder gelangweilte Routine und halfen mit, den Abend zu einem Erlebnis zu gestalten.
Nach Lektüre der Besetzungslisten und dem Vorhaben, sämtliche Neubesetzungen zu sehen, habe ich Sorge gehabt, dass mir das Wasser des Schwanensees höher als bis zum Hals reichen würde. Das ist nicht geschehen. Das Ballett „Schwanensee“ kann ich dank der Qualität des Wiener Staatsballetts, der bereits arrivierten Stars und aller ,die auf dem Weg dahin sind, der Musik Tschaikowskys und der einfühlsamen, spannungsgeladenen Stabführung Alexander Ingrams immer von neuem genießen.

Rudolf Nurejew: „Schwanensee“, Debüt für Masayu Kimoto als Prinz Siegfried mit Partnerin Maria Yakovleva als Odette /Odile. 236. Aufführung dieser Choreografie, 12. Juni 2017, Wiener Staatsballett in der Staatsoper.
Am 29. Juni beschließt die traditionelle „Nurejew-Gala“ die aktuelle Saison.
Nicht traurig sein, wenn keine Karten mehr vorhanden sind.
Auf einen trockenen Abend hoffen und sich das Ereignis "live am Platz" auf der großen Leinwand bei freiem Eintritt ansehen.