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Robert Gabdullin: Neuer Prinz in "Schwanensee"

Unerlöst: Odette muss bei Rotbart bleiben (M. Yakovleva, A. Teterin)

Mit Maria Yakovleva als Odette / Odile hat Robert Gabdullin sein Debüt als Prinz Siegfried in Rudolf Nurejews Choreografie „Schwanensee“ gegeben. Dieser neue Prinz tanzt sauber, wirkt aber ziemlich steif. Den strahlenden Glanz erhielt der Abend durch Maria Yakovleva, mit vollem Köpereinsatz, differenzierter Mimik und einer frappierenden Wandlungsfähigkeit. Tatsächlich, auch am 29. Mai 2017 tanzte in der Staatsoper dieselbe Erste Solistin Odette im weißen und Odile im schwarzen Tütü. Mehrmals wurde sie am Abend vom hingerissenen Publikum vor den Vorhang gerufen. Mit ihr bejubelt wurde auch der Dirigent, Alexander Ingram, der genau weiß, dass Ballett auf der Bühne stattfindet und nicht im Orchestergraben.

Maria Yakovla: Schüchterner weißer Schwan © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor Alles neu für den Ersten Solisten aus Jekaterinburg, der zuletzt Erster Solotänzer im Polnischen Nationalballett / Warschau war und längst sämtliche Prinzen-Rollen im kleinen Zeh hat. Doch Nurejew ist anders, schwieriger, anstrengender als die klassische Version von Marius Petipa und Lew Iwanow. Wohl deshalb war Gabdullin auch in der 2. Vorstellung als Siegfried vor allem mit der Technik beschäftigt. Gefallen kann der auch international erfolgreiche Tänzer durch flinke Beinarbeit, sichere Sprünge und harmonische Armbewegungen. Ernsthafter Prinz Siegfried (Robert Gabdullin) © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor Auf Stiltreue und Akkuratesse legt er allerdings mehr Wert als auf die Darstellung eines doppelt verliebten Prinzen. Überzeugend ist er im 1. Akt als verträumter Siegfried, der nicht so recht weiß, was er mit seinem Leben anfangen soll. Die Schwäne ziehen über den Himmel, Siegfried verzichtet, den Pfeil abzuschießen. Gleich wird er das Geheimnis der Schwäne erfahren. Maria Yakovleva schwebt ans Gestade. Das Publikum hält den Atem an. Gabdullin achtet auf seine Schritte. Wo bleibt die Liebe? 
Er ist ein verlässlicher, gewissenhafter Partner, doch ist weder die innige Zuneigung für Odette noch das leidenschaftliche Brennen für Odile zu spüren.

Die Yakovleva ist bezaubernd, mit stupender Technik zeigt sie alle Facetten des Gefühlslebens einer ängstlichen, auf Erlösung hoffenden Odette und ist einfach hinreißend als furios blendende Odile. Furioser schwarzer Schwan (Yakovleva) © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor Wie sie am Schluss des 3. Aktes, wenn Siegfried Odette verrät, indem er der falschen Odile Treue schwört, mit hämischen Blick triumphierend lacht! Welche Abgründe hat Maria Yakovleva in ihrem Herzen? Aus der zarten Schwanenkönigin ist in nur 20 Minuten eine wilde Zauberin geworden, eine Verführerin, die jeden Widerstand hinwegfegt. Nach der letzten Pause ist das Temperament wiedergezügelt, das Feuer erloschen. Yakovleva hat sich wieder zurückverwandelt, ist wieder Odette, verzweifelt, zitternd, gebrochen, nahezu passiv. Rotbart, der sie endgültig zurückholt (Andrey Teterin), hat leichtes Spiel. Sie fügt sich. Der Prinz und seine Begleitung (Kimoto, Firenze, Gabdullin, Fogo, Szabó) © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor Der Prinz stürzt sich in den See. Gabdullins Kampf mit den Wellen gelingt eindrucksvoll. 

Neben Gabdullin, der in der Nachmittagsvorstellung vom 25.5. sein Debüt gehabt hat, waren am 29.5. die Halbsolisten Francesco Costa und Géraud Wielick zum ersten Mal die Gefährten des PrinzenDas Böse, der Naive, die Unschuldige: Rotbart, Siegfried, Odette (A. Teterin, R. Gabdullin, M. Yakovleva) © Wiener Staatsballett / Ashley Taylor (mit Ioanna Avraam und Anita Manolova). Costa ist ein großer, lebendiger Tänzer, der schon die Prinzenrolle in sich hat; Wielick ein verlässlicher Tänzer, elegant und schmiegsam, der sich in jeder Rolle zurechtfindet, vom Schicksal Marie Antoinettes bis zum Rentier, das den Weg zur Schneekönigin kennt.

Reine Freude bereiteten am 29.5. die vier kleinen Schwäne. Ioanna Avraam, Alice Firenze, Nikisha Fogo und Natascha Mair tanzten, wie es sich für Solotänzerinnen gehört, exakt, animiert, synchron, lustvoll. Der Ordnung halber sei auch Zsolt Török der als spanischer Tänzer debütiert hat, (Partner_innen: Rebecca Horner, Gala Jovanovic, Jaimy van Overeem) erwähnt.

Rudolf Nurejew: „Schwanensee“, 232. Aufführung mit Maria Yakovleva und Robert Gabdullin. 29. Mai 2017, Staatsoper.
Der Reigen der Debüts ist noch nicht zu Ende: Am 1. Juni tanzt Jakob Feyferlik mit Nina Poláková Prinz Siegfried. Am 8. Juni wird Leonardo Basilio mit Liudmila Konovalova zeigen, dass er zum Prinzen und zur Liebe taugt. Und zu guter Letzt, am 12. Juni, debütiert Masayu Kimoto mit Maria Yakovleva.