Jakob Feyferlik: Debüt als Prinz in „Schwanensee“
Mit Nina Poláková als Odette / Odile versuchte der junge Solotänzer Jakob Feyferlik zum ersten Mal die Rolle des Prinzen Siegfried in Rudolf Nurejews Choreografie des Balletts „Schwanensee“ zur Musik von Peter Tschaikowsky zu interpretieren. Feyferlik ist ein Sunnyboy und die Gunst des Publikums samt freudigem Applaus ist ihm sicher. Poláková, Erste Solotänzerin, hat sich als Odette wie als Odile längst bestens bewährt und durfte gemeinsam mit dem einfühlsamen Dirigenten Alexander Ingram die Bravorufe für sich buchen.
Ballettchef Manuel Legris scheut das Risiko nicht. Immer wieder vertraut er auch ganz jungen Tänzerinnen und Tänzern schwierige Rollen an. Mehr als, dass sie dann als brave Schüler_innen ihre Pflicht erfüllen, darf nicht erwartet werden. Feyferlik, 2013, gleich nach seinem Studium an der Ballettakademie engagiert und blitzartig zum Solotänzer aufgestiegen, hat bereits als Solist in Michael Corders „Die Schneekönigin“ und auch in Frederick Ashtons „La Fille mal gardée“ reüssiert und als „Gefährte des Prinzen“ auch Nurejews Choreografie bereits kennen gelernt. So ist ihm keinerlei Premierennervosität anzumerken, sicher setzt er seine Schritte, ebenso seine Sprünge. Für einen ausgewachsenen Prinzen fehlt ihm allerdings noch die Durchhaltekraft. Ein junger, ahnungsloser Siegfried begegnet da der schönen Schwanin und weiß nicht, wie ihm geschieht. Wenn es noch darum geht, die schöne Linie zu halten, auf den Port de bras zu achten und Fouetté und Balloné richtig zu setzen, kommt die Rollengestaltung an zweiter Stelle. Oder gar nicht. Wenn Feyferlik im ersten und im letzten Akt verzweifelt in die Gegend schaut, dann stimmt das schon mit dem Gemütszustand Siegfrieds überein, auch kann er sich kindlich über ds Geburtstagsgeschenk, die Armbrust, freuen, scheint aber dann wenig Lust zu haben, den Pfeil fliegen zu lassen. Sei’s drum, Jakob Feyferlik steht am Anfang seiner Karriere, und es ist kein Fehler eine der schwierigsten Rollen der Tanzgeschichte zwar brav tanzen, aber noch nicht überzeugend erfüllen zu können.
Nina Poláková kann das, wie sie in dieser Saison bereits mit Vladimir Shishov bewiesen hat und es auch mit Feyferlik zur Zufriedenheit der Aficionados zeigt.
Zwei kleine Schwäne haben ebenfalls debütiert: Rikako Shibamoto und Elena Bottaro durften, geleitet von Ioanna Avraam und Natascha Mair, im Pas de quatre der „kleinen Schwäne“ ihre exakte Beinarbeit zeigen. Die blutjunge Corpstänzerin Shibamoto beweist in allen vier Akten ihr herausragendes Talent: Gleich zu Beginn im Walzer mit Scott McKenzie, mit dem sie im 3. Akt gemeinsam als Solopaar im „neapolitanischen Tanz“ debütiert hat. McKenzie ist erst so kurze Zeit im Ensemble, dass er in jeder Rolle ein Debüt feiert. Als „polnische Tänzer“ zeigten die erfahrenen Ensemblemitglieder Franziska Wallner-Hollinek und Marcin Dempc eine schwungvolle Mazurka. Im Hintergrund ein Debüt als polnischer Tänzer für Greig Matthews. Mir scheint es das letzte zu sein – der elegante Tänzer verlässt zu Saisonschluss das Wiener Staatsballett, um ein Engagement im Joffrey Ballet in Chicago anzunehmen. Gut für ihn. Schade für die Wiener Compagnie.
Wer ihn mit Natascha Mair (+ Dumitru Taran, Nina Tonoli, Jakob Feyferlik) im Pas de cinque als Gefährte des Prinzen gesehen hat, wird mein Bedauern verstehen.
Die 233. Aufführung am 1. Juni 2017 war dem 2013 verstorbenen ehemaligen Ersten Solotänzer des Wiener Staatsopernballetts Karl Musil gewidmet. Er wäre mit dem Debüt eines seiner letzten Schüler sicher zufrieden gewesen. Jakob Feyferlik hat 2014 den ersten „Karl Musil Gedächtnispreis“ erhalten.
Rudolf Nurejew: „Schwanensee“, 233. Aufführung mit Jakob Feyferlik (Debüt) und Nina Poláková, Dirigent: Alexander Ingram, 1. Juni 2017, Wiener Staatsballett in der Staatsoper.