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ImPulsTanz: Michikazu Matsune „Goodbye“

Michikazu Matsune liest Abschiedsbriefe. © Maximilian Pramatarov

Am letzten Vorstellungsabend des ImPulsTanz Festivals 2016 sagte der mehrfach talentierte Künstler Michikazu Matsune „Good bye“, nicht mit eigenen Worten sondern mit fremden Abschiedsbriefen. Ein von heiterer Komik zu erschütternder Tragik pendelndes perfektes Kammerspiel. Der Applaus signalisiert Begeisterung, Matsune hat nicht die Absicht ihn unnötig auszudehnen, verneigt sich, verschwindet. Seine Fans pfeifen und kreischen nicht – wie angenehm.

Der Darsteller ist entspannt, lässt schon mall die Beatles trällern, während er von der Bühne aus als Platzanweiser helfend eingreift, damit jede ihren Sessel findet. Auf dem Tisch liegt ein Stapel bunter Kuverts, mehrere Uhren zeigen unterschiedliche Zeit. Noch ist Abschied eine durchaus fröhliche Angelegenheit.

Die Briefe, die in den bunten Kuverts stecken, sind alle echt. Almud Krejca hat Matsune bei der Recherche unterstützt. Ein blinder Mann verabschiedet seinen treuen Vierbeiner; eine Marathonläuferin schreibt, nachdem sie bei einem Bombenattentat verletzt worden ist, einen Abschiedsbrief an das amputierte Bein; Maria Theresia schreibt an ihre zwangsverheiratete Tochter Marie Antoinette: 18 Seiten mit mütterlichen Ermahnungen. Zu lang, um vorgelesen zu werden. In ganzer Kürze erheitert der Brief an einen EX. Wer hätte den nicht gerne selbst geschrieben und wie die Schreiberin die von Herzen kommende Tirade mit einem kräftigen „Goodbye and fuck you very much“ geschlossen. Perfekte Performance, von witzig bis tragisch. © MaximilianPramatarov

Matsune ist nicht nur Tänzer, Choreograf und Performer sonder auch Regisseur (wie in jüngster Zeit öfter, mit Unterstützung von Andrea Gunnlaugsdóttir) und hervorragender Schauspieler. Matsune hat, was kaum noch vorkommt – weder als Ausdruck und noch als Begabung auf der Bühne –, die vis comica, die Kraft des Ausdrucks / der Komik. Dass er sein Mienenspiel beherrscht liegt wohl auch am Kulturraum in den er hineingeboren wurde. Michikazu Matsune ist in Kobe zur Welt gekommen, lebt jedoch seit fast 20 Jahren in Wien, wo er sein Publikum mit seinen Auftritten immer wieder überrascht.
Um die Zuschauerinnen zum Schmunzeln oder lautem Lachen zu bringen, braucht er keinen Holzhammer und wenn er diesen tanzend schwingt, dann zertrümmert er die Uhren auf der Bühne, seht triumphierend in den Saal, Conan der Barbar. Abschied kann wütend machen, traurig und verzweifelt.

Noch einmal aber darf sich das Publikum dem ehaglichen Gefühl wohltönender Melancholie hingeben. Leonard Cohen trauert herzerweichend.

In den Schlaf gesungen (M. Matsune) © MaximilianPramatarovDanach wird es ernst und still. Eine Frau verabschiedet sich von ihren Kindern, sie steckt in einem Männerkörper und ist der Vater. Weint der Darsteller auf der Bühne? Minutenlanges Schweigen vor dem Applaus.

Die Vorstellung hat keine 60 Minuten gedauert. Kein getretener Quark (der ist nur breit, nicht stark), Form und Inhalt stimmen überein, die Dramaturgie hält die Spannung, Hirn und Herz werden bedient. Erst bei der kleinen Form, dem Kammerspiel, dem Solo, dem Streichquartett, wird das wahre Können von Künstler_innen) erkennbar. Bunte Farben und lautes Geschrei, auch wenn noch so moralisch und korrekt gemeint, ist noch keine (gelungene) Kunst. Matsunes kleines Abschiedsgeschenk, ist überaus gelungen.

Michikazu Matsune: „Goodbye“, einmalig am 14. August 2016, Schauspielhaus im Rahmen von ImPulsTanz.