Raúl Maia: "Excitement of our people"
Der Tänzer und Choreograf Raúl Maia führt sein Publikum in einen imaginären Raum aus Bewegung, Text, Musik und Licht. Auf der im Tanzquartier-Studio aufgebauten schrägen Bühne entsteht eine intensive, eindrucksvolle Performance, die sich jeglicher vorgegebenen Deutung entzieht. Abstrakt und konkret, magisch und poetisch, düster auch und beklemmend.
Im dunklen Raum erklingt rhythmisches Stampfen, tappende Schritte nähern sich, allmählich schälen sich drei Figuren aus der Finsternis, tanzen einen geisterhaften Ringelreihen. Blackout. Jetzt hocken die Drei (Maia, Sabina Holzer, Raphaël Michon) am Abgrund, ganz oben auf dem steilen Abhang. Drei Riesen, die sich zu Gnomen zusammenkrümmen. Sie rühren sich nicht, warten auf Godot?
Quietschend drehen sich die beiden durch ein Laufband verbundenen Trommeln am Bühnenrand. Ausatmen, Einatmen. Das Band ist, ganz analog, beschriftet: Fragmente aus Gehörtem, Aufgeschnapptem, Stehsätze, Sprüche, dadaistische Wortfetzen, Sinnvolles und Sinnloses. Anfangs lese ich eifrig mit, später vergesse ich die Schrift am Band, so bruchstückhaft wie die Bewegungen. Die sind abgehackt, ruckartig, unvollendet, Fragmente nur, aus dem Zusammenhang herausgerissen, unterbrochen von plötzlicher Finsternis, zu Posen erstarrt.
Eine Hand klappt auf und ab, ein Arm ragt in die Höhe, ein Bein schwebt körperlos, ein Kopf neigt sich dem anderen zu, Augen blicken liebevoll oder verwirrt. Die drei agieren weit voneinander entfernt oder kuscheln sich eng zusammen, balancieren am Abgrund, hantieren später mit Objekten.
Achtung Rutschgefahr! Die Bühne ist abschüssig.
Die Musik ist ein Puzzle aus Kompositionen, Tierstimmen und den davor aufgenommenen Lauten der Performer_innen. Regen rauscht und Gewitterstürme toben, Tauben gurren, Hunde bellen, Kuhglocken bimmeln, Menschen knurren, rufen ein verzweifelt klingendes „Hello“.
Ich befinde mich in einem magischen Raum aus zur Musik komponierten Geräuschen und fragmentierter, auch eingefrorener Bewegung,
Die Lichtregie erhöht diese düstere Fremdartigkeit, Blackouts und Blitze, Dämmerung und helle Augenblicke unterbrechen das Geschehen.
Ich vergesse, den Text zu lesen, versuche mich aus der Düsternis dieser abrutschenden Welt zu befreien. Auf den Köpfen haben Maia, Michon und Holzer jetzt Zylinder mit fremden Gesichtern, die Augen funkeln lebendig, Scratch-Krach gellt in den Ohren. Licht aus. Stille. Erholung. Erst nach einer Besinnungs-Minute brandet der Applaus auf.
Im Programmzettel, den Maia erst nach der Vorstellung frei gibt,erklärt er verständlich und deutlich sein Konzept.
Alles ist abstrakt, die Bewegungen sind nicht vorgegeben, sondern in Echtzeit geschaffen, die Lichtblitze und Blackouts sollen Abwechslung und Unterhaltung bringen, aber auch den durch Text und Bewegung erzeugten Code unterstützen; die auf der Bühne haben keine Ahnung welche Textfragmente das Laufband gerade zeigt, agieren zusammenhanglos.
Beklemmung und Düsternis, Weltdeutung und Emotionen sind nicht vorgesehen. Die Künstler_innen sind für das, was in meinem Kopf entsteht, nicht verantwortlich.
Raúl Maia: „Exitement of our people“, mit Sabina Holzer, Raphaël Michon und Raúl Maia, Tanzquartier-Studio, 3.2.
Weitere Vorstellungen: 4., 5., 6.2. 2016.