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Resonanzen: Vulkan und Sintflut

Patrizia Bovi: Singende Harfinistin

Eine „Apokalypse“ droht dem Festival der Alten Musik im Wiener Konzerthaus bestimmt nicht. Einmal mehr brachten großartige Ensembles spannende Werke vom Mittelalter bis Barock zur Aufführung und das Publikum zur Begeisterung. Highlights der vergangenen Woche waren die virtuosen I Turchini di Antonio Florio mit Sopranistin Francesca Lombardi Mazzuli und das charismatische Ensemble Micrologus mit Patrizia Bovi.

Alte Musik ist längst nichts mehr für versponnene Forscherseelen und eingeweihte Kenner. Das Studium der historischen Aufführungspraxis boomt seit Jahren und es entstehen ständig neue Ensembles, die sich der Wiederbelebung von in Archiven verstaubenden Notenwerken früher Komponisten widmen. Viele davon waren bereits bei den Resonanzen in Wien zu Gast. Patrizia Bovi mit ihrem Ensemble Micrologusi. © (c) Sante Castignani

Die 24. Ausgabe des Festivals endete mit einer temperamentvollen konzertanten Aufführung eines weitgehend unbekannten Werkes von Michelangelo Falvetti: „Il diluvio universale“, einem Werk, das weder Oratorium, noch Geistliches Drama, noch Oper ist. Ausgegraben hat es Leonardo García Alarcón, Leiter der Cappella Mediterranea, die sich eine neue Art des Zugangs zur Barockmusik Südeuropas an die Fahnen heftet. Die große Anne Sofie von Otter hat bereits mit der engagierten Cappella gearbeitet.

Leonardo García Alarcón leitet temepramentvoll die Cappella Mediterranea. © Leonardo García Alarcón (Ausschnitt)In „Il diluvio universale“ geht es um die biblische Geschichte von Noah, der im Auftrag Gottes angesichts der drohenden Sintflut mit seiner Frau Rad eine Arche zur Rettung von Mensch und Tier baut. 1682 wurde das Werk als „Dialog für fünf Solisten und fünf Instrumente“ in Messina uraufgeführt. Im Großen Saal des Konzerthauses waren da schon an die vierzig Musiker und Sänger auf der Bühne. Da ging es ordentlich zur Sache, und nicht zuletzt dank ausgeklügelter Auftrittschoreographie verloren die vier Teile des Werkes (In cielo, In terra, Il diluvio, In l’arca di Noe) nicht an Spannung. Der Tod (Countertenor Fabián Schofrin) trat gar mit weiß bemaltem Gesicht, schwarzem Kapuzenmantel und Sense auf.
Gut so, denn ohne die rhythmischen Teile, die ihren Ursprung in sizilianischer Volksmusik wie Tarantella haben, wäre die Musik nicht so überzeugend wie jene anderer barocker Zeitgenossen. Gesanglich waren die Leistungen unterschiedlich, und vor allem Caroline Weynants als Natura humana entzückte mit ihrem feinziselierten, beweglichen Sopran. Das Publikum reagierte begeistert, und am Ende gab es als Zugabe nochmals eine Tarantella.

Zugaben gibt es in der Regel im Mozartsaal, wo die kleineren Konzerte stattfinden. Ein echtes Highlight war der Abend mit den hervorragenden I Turchini di Antonio Florio, „Vulcano“ genannt. Thematisch ging es um Katastrophen wie Vulkanausbrüche des Vesuv als Heimsuchung der Napolitaner, und um das regelmäßig in Venedig auftretende Aqua Alta. Antonio Florio, der sich in Italien auch sehr für den Nachwuchs in der Alten Musik einsetzt, ist kein Unbekannter bei den Resonanzen. Ihr Debut gab die Sopranistin Francesca Lombardi Mazzuli, ein großes Talent.
Sie veredelte Arien von Nicola Porpora, Leonardo Vinci, Francesco Feo und Antonio Vivaldi mit geschmeidigen Koloraturen und großem körperlichen Einsatz. Gelernt hat sie bei Mirella Freni in Ferrara, und auch bei Altistin Sonia Prina,einer Händel- und Vivaldi-Meisterin. Antonio Florio, Chef der Turchini. © Wr. Konzerthaus / Resonanzen

Ein weiterer wunderbarer Abend stand im Zeichen von Girolamo Savonarola, dem legendären Florentiner Bußprediger an der Schwelle zur Neuzeit. Patrizia Bovi, in Assisi geboren, gehört mit ihrem 1984 gegründeten Ensemble Micrologus zu den Pionieren auf dem Feld der Wiederentdeckung mittelalterlicher Musik. Im Mozartsaal boten die charismatischen Italiener ein musikalisches Porträt jener Epoche, indem sie die geistlichen Gesänge Werke, die Savonarola duldete, mit jenen kontrastierten, die er verbannen wollte. Dazwischen gab es den Medici-Gegenspieler im Originalwortlaut zu hören, gesprochen vom Bass-Sänger Mauro Borgioni.

Dargeboten wurden anonyme Gesänge der Zeit um 1500, wie auch solche von Alexander Agricola, Guillaume Dufay oder Heinrich Isaac. Bovi agierte fast ständig als Sängerin oder Harfenistin, unterstützt von Harfenistin Leah Stuttard. Die beiden Damen gaben im Anschluss noch ein feines Nachtkonzert mit geistlich-mystischen Weisen, u.a. von Hildegard von Bingen.

Resonanzen, Festival Alter Musik 2016, 16. bis 24. Jänner.
 Die Auslastung des Festivals mit zwölf Konzerten wurde vom Konzerthaus mit 89 Prozent angegeben.
Die nächsten Resonanzen finden von 21. bis 29. Jänner 2017 unter dem Motto «Freizeiten» im Wiener Konzerthaus statt.