Tanzquartier – Danya Hammoud
Im Rahmen ihrer zweiwöchigen Residenz im Tanzquartier zeigte die libanesische Choreografin Danya Hammoud ihr 2011 erarbeitetes Solo „Mahalli“, ein intensives komprimiertes Werk. Eine Frau bewegt sich im Raum, die sich durchsetzen und behaupten will. Nur eine knappe halbe Stunde dauert dieser unaufhörlich fließende Tanz, doch es ist alles gesagt. Danya Hammoud tritt zum ersten Mal in Wien auf.
Im diffusen rötlich schimmernden Licht steht die zarte schwarz gekleidete Tänzerin ganz nahe vor dem Auditorium, schaut den Zuseher_innen direkte in die Augen, ruhig und konzentriert. Es wird heller und Danya Hammoud wird zur Tänzerin einer Rolle, zur Vermittlerin von Gefühlen und Erinnerungen, zur Frau, die alle Frauen, ob aus dem Libanon wie sie selbst oder von wo anders her, beinhaltet. Mit funkelnden Augen und ausdrucksstarker Mimik hält sie einen ununterbrochenen Kontakt zum Publikum. Dieses wird zum Teil der Performance, die vierte Wand ist gefallen, die Bühne und Sitzreihen verschmelzen zum gemeinsamen Raum: „Mahalli“.
Der Titel der Performance ist das Programm: „Mahalli“ ist das arabische Wort für „lokal“, „hier“, bedeutet „Ort“, aber auch das ureigenste Rückzugsgebiet. Für die Tänzerin ist „Mahalli“ ihr Körper – Arme, Beine, Kopf und Rumpf und innen drinnen, Bauch und Uterus, Ovarien und Vulva.
Hammouds Körpersprache ist plastisch, reduziert und weich. Ohne Unterbrechung gleitet eine Bewegung aus der anderen, kräuseln sich die Lippen zu einem Lächeln, das bald zu hämischen Grinsen wird, durchbeben Wellen den Körper, die sich bis in die Eingeweide fortsetzen, wiegen sich die Hüften in einem stilisierten orientalischen Tanz, ballen sich die Hände zu Fäusten, werden die wie Marmor schimmernden nackten Beine gespreizt – empfangen oder gebären –, die Arme weit geöffnet und geschüttelt, um die Fesseln abzustreifen. Die Zuschauer_innen werden nicht losgelassen, die Gefühle – Wut und Resignation, Stolz und Demut, Bedrohung und Widerstand, Heiterkeit und Melancholie und die Sehnsucht nach Freiheit und Selbstbestimmung –, durchfluten den gesamten Raum, Mahalli, mein Platz.
Danya Hammoud benötigt keine großen Gesten, muss nicht nach Effekten haschen (die Musik unterstützt rhythmisch klopfend, explodierend oder leise summend die Emotionen, bleibt jedoch unaufdringlich), ihre reduzierten Gesten und sanften Bewegungen zeigen das Wesentliche, den Nukleus des Tanzes.
Während ihrer Residenz im Tanzquartier arbeitet Hammoud an Georg Büchners Novelle „Lenz“, deren Titelfigur, sie untersucht.
Danya Hammoud: „Mahalli“, 4.11. 2015, Tanzquartier. Österreichische Erstaufführung.