Alex F. Zehetbauer: „hearing the wild heart”, brut
Gemeinsam mit dem Tänzer Gergö D. Farkas und dem Musiker Christian Schröder begibt sich Alex Franz Zehetbauer mitten in die Welt. Das Medium ist die Musik, generiert vom Atem der beiden Bewegungskünstler, bunten Schläuchen und dem Soundkünstler Christian Schröder an den Reglern. Von außen betrachtet: Eine Sinfonie von Tönen, Lauten, Geräuschen, ein Konzert zum Hören mit Musikern zum Sehen, die sich nicht schonen. Das wilde Herz schlägt im brut nordwest, ist zu sehen und zu hören. Die gefeierte Premiere war am 5. Mai.
Es ist still, im Untergrund plätschert ein Bach, hoffentlich bekommen wir keine nassen Füße. Der Dirigent hebt den imaginären Taktstock, er ist nicht zu sehen auch das Konzert der ungewöhnlichen Instrumente, die nach einer ungewöhnlichen Partitur gespielt, also beatmet wird, kommt aus dem Nichts. Trommeltöne, knarrendes Holz, brüllende Löwen und grunzende Nashörner, brummende Bären oder schnarchende Geister, überraschend und unheimlich, ein Horrorkonzert, die Gänsehaut wird durch das helle Licht im Saal und einen schmalen Teppich, der die hintere Wand hinaufkriecht und mit violetten Schwertlilien bemalt ist, gemildert. Später hört man auch Zwitschern und Tirilieren, die Natur ist nicht böse. Sie ist wie sie ist.
Langsam schlängelt sich die Soundwolke nach vorn, trifft das Publikum frontal und die Performer rasen über die Bühne. Zehetbauer hat den Schlauch im Mund, und ich muss denken, ob wir nicht bald alle so aussehen werden, wenn der Sauerstoff zu Ende geht. Werden unsere Nachfahren sich in einem Berg bunter Schläuche verkriechen, wie Alex Z.?
Oder gar mit diesem Kostüm aus Plastikschlangen durch die Gegend marschieren, oder eher kriechen, denn das Gewirr aus gelben, violetten und grauen Schlangen hat sein Gewicht. Da fällt mir auf, dieser Musikperformance liegt auch ein ausgeklügeltes Farbkonzept zugrunde. Die Lilien blühen nicht nur auf der Wand- und Bodendekoration, die übrigens, von Zehetbauer über den Boden gezogen, ebenfalls ein Teil der Sinfonie ist, sondern auch auf den Kostümen der drei Worldlinge.
Da ist es das Wort, das noch nicht jeder verstehen muss. „worlding“ ist ein Neologismus, den ich mit „welten“ übersetzen würde. Wikipedia weiß noch nichts, aber einige andere kluge Wesen schon, darunter auch die im Programmzettel zitierte kanadische Kulturtheoretikerin Erin Manning, die sich nicht nur mit der Gestaltung der Welt durch die Menschen, sondern auch mit Tanz- und Bewegungstheater beschäftigt. Also worlding / welten beutetet, die Welt zu gestalten anstatt nur darin umherzuirren.
Philosophie, politisch, und Kulturtheorie, praktisch, gehören jedoch nicht hierher, es geht um Theater, um Tanz, um Musik, um eine Aufführung. Und die ist gelungen, bis hin zum gelben Handtäschchen, mit dem Gergö durch den Garten schlendert und schließlich entspannt – in der Sonne? – liegt, das Accessoire, das miaut, maunzt und quietscht, auf dem Bauch, während Alex Z. sich noch immer mit den um Kopf und Leib geschlungen Plastikschlangen abplagt, es schließlich aufgibt, als Wesen der anderen Art, als musikalischer Schlangenkörper (keine Gorgo hält mit ihrem Schlangenhaupt mit), die Stufen zu erklimmen und endlich, ein süßes Abschiedslied flötend, vom Dunkel umhüllt wird.
Schon? 15 Minuten hätte ich noch gerne geschenkt bekommen von dieser einmaligen, neuartigen, köstlichen Aufführung, voller Überraschungen und Lachreizen. Das Worlding des Worldlings Alex Franz Zehetbauer besteht aus Wasser, Luft und Musik. Die Musik ist neu, die Luft rar, das Wasser bald nicht mehr verfügbar.
Alex Franz Zehetbauer: „Hearing the wild heart”, Musikperformance.
Konzept, Klangchoreografie, Performance: Alex Franz Zehetbauer. Choreografie, Performance: Gergö D. Farkas, Zehetbauer; Musiker, Toningenieur: Christian Schröder; Kostüme: Ju Aichinger, Zehetbauer; Licht: Sveta Schwin. Premiere, 5.5.2022, brut nordwest. Folgevorstellungen: 6., 7., 8. Mai 2022.