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Anna Nowak: „OCEANS OF NOTIONS (SWIMMING)“, WUK

Anna Maria Nowak, Karin Pauer und Anna Mendelssohn schwimmen über den Ozean der Gedanken. © Kati Göttfried

Drei Frauen, zwei Tänzerinnen, Anna Novak und Karin Pauer, und eine Schauspielerin, Anna Mendelssohn, machen sich Gednken. Sie sprechen, erzählen, tanzen. Anna Nowak hat sich mit ihren Kolleginnen Schwieriges vorgenommen. In „Oceans of Notions (swimming)“ versucht sie mit den Kolleginnen abstrakte Begriffe konkret zu machen, mit Bildern, Metaphern und Bewegungen. Es geht um Vorstellungen und Ideen, wie die Welt eine andere werden könnte. Ein engagiertes, komplexes Stück zur Geräuschkomposition von Stephan Sperlich, im März dem Lockdown zum Opfer gefallen, doch jetzt endlich auf der Bühne.

Nur am Beginn wird gelesen. Aufgereiht: Anna Maria Nowak, Karin Pauer, Anna Mendelssohn.Die drei Künstlerinnen begeben sich ins Meer der abstrakten Begriffe und schwimmen mit Worten darin herum. Dazu passend hat Stephan Sperlich eine unaufdringliche Geräuschkulisse aus stampfenden Schiffsmotoren, Wind und dem gesprochenen Wort komponiert. Die Begriffe sind jene, die sattsam diskutiert werden, Ethik, Rassismus, Solidarität oder Freiheit, doch auch sehr Privates wird in Monologen abgehandelt, etwa die Mutterschaft, womit Anna Nowak reiche Erfahrung hat. Sie denken aber auch darüber nach, wie der Mensch denkt und kommuniziert. „Kannst du mir folgen?“, „Verstehst du mich?“ fragen sie einander immer wieder. Wenn Karin Pauer über Freiheit räsoniert („Freiheit schmeckt wie Meersalz“) und zugibt, dass dabei ihre Emotionen hochkommen, fragt Mendelssohn sie: „Kannst du diese Emotionen tanzen?“ und Pauer, eine Tänzerin mit eindrucksvollen, bewusst gesetzten Bewegungen, scheint mir, in einem Therapieseminar zu sein.Anna Mendelssohn vor einem Ozeanriesen. © Thomas Marschall

Einem Monolog entspricht quasi ein Solo, die anderen sehen zu und übernehmen auch die Bewegungen, sodass das Trio eine Einheit bildet, die sich bald wieder auflöst. Wenn Mendelssohn ihre eigenen Bilder entwirft, die Politik als Zirkus mit Clowns und Raubtieren beschreibt, dann ist sie in ihrem Element, packt das Publikum. Doch sich heftig zu bewegen und zugleich zu sprechen ist schwierig. Dann übertönt das Keuchen die Wörter, der Körper verlangt seine Rechte.
Trost und Solidarität: Karin Pauer und Anna Maria Nowak.Es sind zwei Ebenen, auf denen sich auch das Publikum bewegen muss: mitdenken und zuschauen. Worauf soll ich mich konzentrieren, die in Wörtern ausgedrückten Gedanken, oder die Gefühle und Bilder, die in Bewegung umgesetzt werden? Beides zugleich ist (mir) nicht möglich. Mit Wörtern entwerfen alle die Performerinnen wunderbare, eindringliche Bilder und Metaphern, versuchen diese in Tanz umzusetzen. Abstrakte Themen und Begriffe, in reinem Tanz ausgedrückt, lassen sich aber ohne Erklärung kaum verstehen. Getanzt werden können Bilder und Gefühle und natürlich auch Geschichten. Performing Art, die im Wuk unter der künstlerischen Leitung von Esther Holland-Merten eine gut ausgestattete Heimat hat, liebt oder verlangt die Vermischung und Gleichbehandlung sämtlicher Bühnengenres. Ob das auch funktioniert, wird nicht gefragt.Das Trio bei der Probe. @ Ulli Koch

Sei’s drum, die drei Künstlerinnen haben sich wirklich Gedanken gemacht und sich auch nicht gescheut, sich persönlich, authentisch und ehrlich in Wort und Bewegung einzubringen. Sie sind fantasievoll, engagiert, nachdenklich, bieten auch einen Hauch von Humor, und schwimmen ganz nah am Rand von Pathos und Naivität, zeigen auch, wie hohl manche Begriffe sind. Kann ich ihnen folgen? Nicht mehr, nachdem sie im warmen Licht aneinandergeschmiegt ein einig Trio bilden. Das Notizbuch wird zugeklappt, der Stift eingepackt. Doch da stehen sie wieder auf und reden, reden, reden. Schade.
Übrigens, wie viele Veranstalter*innen schwimmt auch Wuk / performing arts mit der bekannten Welle, die ein fixe Vorhersage eines Programms fast unmöglich macht. Ausreiseverbote für Künstler*innen und andere Hindernisse   sind die allseits gefürchtete Überraschung.   Dennoch seien zwei bevorstehende Programmpunkte der Saison 2020 / 21 hervorgehoben. Vom 23. bis 26. September sind die Künstler*innen, die ihre Performances im Rahmen des erfolgreiche Mentoringprogramms „Huggy Bears“ erarbeitet haben auf der Bühne. Vier Projekte kommen zur Aufführung, je zwei an zwei Abenden. Die aufmerksame Begleitung der Solist*innen und Gruppen durch Huggy Bears garantiert die Qualität der Produktionen.
Einen festen Platz im Programm hat auch das Festival für experimentelle Zirkuskunst „On The Edge # 10“. Der Zehner steht für einen Countdown, in zehn Jahren soll dieses Festival bei 1 angekommen sein. Diesmal also Number ten, vom 14. bis 21. November „neue Bewegungssprachen, neue Formen der Objektmanipulation und Raumkonzepte und die radikale Infragestellung der Beziehung zwischen Publikum und Performer*innen“. (Zitat aus der Pressemappe.) Innig vereint, doch nicht das Finale von "Oceans of Notions (swimming)" © Kati Götfried Der erhebliche Rest der reichen Fülle an geplanten Vorstellungen findet sich auf wuk.at
Erwähnenswert ist auch, was die künstlerische Leiterin Esther Holland-Merten im lockeren Wechselgespräch mit Ulli Koch, die für die Öffentlichkeitsagenden zuständig ist, mitgeteilt hat: Die Zuschauerzahlen haben sich in den drei Jahren unter ihrer Verantwortung verdoppelt, die Einnahmen sogar verdreifacht. Die verschiedenen Zweige der performing arts grünen und blühen und finden auch ihre Interessent*innen, da freut sich nicht nur Huggy Bear, der vervielfacht im Programm von Superamas lächelt, sondern auch eine Figur aus der Fernsehserie „Starsky & Hutch“, einem komischen Krimi aus den 1970er Jahren, ist.

Anna Maria Nowak: “Oceans of Notions (swimming)“: Konzept, künstlerische Leitung: Anna Maria Nowak; Entwicklung und Performance: Anna Mendelssohn, Karin Pauer, Anna Maria Nowak; Musik: Stephan Sperlich; Licht: Peter Thalhammer; Produktion: Alexander Gottfarb. 18., 19. September 2020, WuK.
Pressekonferenz mit Überblick über die Leitlinien des Wuk und Vorschau auf das Programm 2020 / 21. Mit Esther Holland-Merten, Ulli Koch und Johanna Jonasch (Kunstvermittlung). 18. September 2020. Wuk.
Fotos: Kati Göttfried, Ulli Koch,. Thomas Marschall