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Ballet BC Vancouver zu Gast in St. Pölten

Crystal Pite : „Solo Echo“, © Cindi Wicklund

Drei atemberaubende Österreich-Premieren, aufgeführt vom Ballet British Columbia (BC) Vancouver im Festspielhaus St. Pölten am 24.Jänner. Im Jahr 2019 war das Ballet British Columbia für den Olivier Award „Best New Dance Production“ nominiert. Es setzt sich aus 18 Tänzer*innen zusammen, wurde 1986 gegründet und hat mittlerweile ein Repertoire von über 45 Werken. Emily Molnar ist die künstlerische Leiterin des Ballet British Columbia.

"BUSK" von Aszure Barton. © Michael Slobodian2009 hat Molnar das vor dem Ruin stehende, auf klassisches Ballett ausgerichtete Ballet British Columbia übernommen, wo sie fortan den zeitgenössischen „Esprit des Machens kultiviert“. Emily Molnar begann bereits mit fünf Jahren zu tanzen, absolvierte die kanadische National Ballet School, war Solotänzerin beim Ballet British Columbia und Solistin am Ballett Frankfurt unter der Leitung von William Forsythe. Sie erhielt mehrfache Auszeichnungen: the Globe and Mail’s Dance Artist oft the Year (2013), Vancouver Mayor Arts Award (2016) und wurde in die British Columbia Hall of Fame (2019) aufgenommen, für ihren Beitrag zur Unterhaltungsindustrie und zue kulturellen Landschaft der Region.

In den Arbeiten von Emily Molnar haben die Meinungen der Tänzer*innen Gewicht. Sie selbst habe schon als aktive Tänzerin laufend die Tanzstrukturen und -abläufe hinterfragt, erzählt Molnar. Bewegen, Stillstehen, Fallen, Liegen: Ballet BC Vancouver tanzt "Solo Echo" von Crystal Pite. © Michael SlobodianDaher seien Diskussionen über den Tanz zentral für ihr Schaffen. Es gehe ihr um eine „aktive Demokratie“, wo sich jede*r einbringen könne. Auch für die ebenfalls beim Ballet British Columbia sozialisierte Crystal Pita ist die enge Zusammenarbeit mit den Tänzer*innen auf gleicher Augenhöhe wichtig, denn Tänzer*innen seien eine wertvolle Ressource: „Sie können sich rasch anpassen, etwas aufnehmen, um es im nächsten Moment zu verwerfen und sie stehen im ständigen Kontakt miteinander.“

Die engen Verbindungen untereinander demonstrieren die Tänzer*innen eindrucksvoll an diesem Abend: Sie symbolisieren immer eine Einheit, selbst dann, wenn die Gruppe losgelöst voneinander agiert. Die drei gezeigten Choreographien haben Aszure Barton (BUSK), Sharon Eyal (Bedroom Folk) und Crystal Pite (Solo Echo) geschaffen. Drei Frauen, denen es gelungen ist, sich in der Männerdomäne der Ballett-Choreographie durchzusetzen. Alle Drei haben bereits mehrfach renommierte Preise erhalten. Die Zusammenarbeit dieser angesehenen Frauen mit dem prestigeträchtigen Ballet British Columbia lässt erkennen, warum diese Stück eine*n in Bann zieht.

"Bedroom Folk" von Sharon Eyal & Gai Behar. © Michael SlobodianDie Gruppendynamiken sind durch harmonische und ausgeklügelte Abläufe gekennzeichnet, sodass der Spannungsbogen nie verloren geht. Nicht nur werden die Körper spektakulär in alle Himmelsrichtungen und in irrer Geschwindigkeit gestreckt und befördert, die Tänzer*innen setzen auch ihre Mimik und die Stimme ein. Dieses unglaubliche Multitasking wird durch das Bühnenlicht, die räumlichen Aufteilungen und der sich ändernden Kleidung unterschiedlich akzentuiert, sodass die Tänzer*innen im heiteren Stück „BUSK“ entweder in der Masse verschwinden oder stark hervortreten. Im zweiten Stück, „Bedroom Folk“, ist die Stimmung weniger heiter, akrobatische Elemente fallen weg, mitunter wird die Bühnenschau etwas düster: Die knapp und in schwarz bekleideten Tänzer*innen bilden zwei Reihen vor einem roten Hintergrund. Die Bewegungen wirken mechanisch und fremdgesteuert. Von internen und externen Impulsen gesteuert: Ballet BC Vancouver in "Bedroom Folk"  © Michael SlobodianGanz so als ob die Tänzer*innen Impulse bekommen würden, externe oder interne, welche sie in abgehackte und pulsierende Bewegungen versetzen, bei gleichzeitigen losen, flatternden Armen. Die Stimmung wendet sich erneut im Stück "Solo Echo", wo (Licht-)Schnee zur Musik von Johannes Brahms (Cellosonate) inszeniert wird. Die Bewegungen werden fließender, diesmal scheinen die Tänzer*innen ineinander zu verschwimmen. "Solo Echo" von Crystal Pite. ©  Michael Slobodian
Die Körper der Tänzer*innen bewegen sich in einem Fluss und bilden mitunter Einheiten, die unumstößlich wirken, jedoch immer nur bis zum nächsten Bruch, der nie einer Rationalität zu folgen scheint. Der Verlust von Teilelementen der Gruppe mündet stets in der Suche nach dem Entglittenen, in die Rückeroberung des Verlorenen oder aber in seiner Vernichtung.

Kurzum, die ausdrucksstarken Tänzer*innen schaffen mit ihrer exzellenten Technik und der leidenschaftlichen Hingebung eindrucksvolle Bilder. Intendantin Emily Molnar wird im Sommer 2020 Vancouver verlassen und die künstlerische Leitung des Nederlands Dans Theater in Den Haag übernehmen. Mit dem Choreografen Medhi Walerski, der bereits mehrfach mit dem Ballet BC Vancouver gearbeitet hat, steht der neue Chef schon fest.

Aszure Barton: „Busk“. Tänzer*innen: Chase Buntrock, Emily Chessa, Quaba Venza Ernest, Parker Finley, Scott Fowler, Miriam Gittens, Kiera Hill, Kiana Jung, Jordan Lang, Justin Rapaport, Dex van ter Meij, Nicole Ward, Sophie Whittome, Kirsten Wicklund, Zenon Zubyk.
Sharon Eyal & Gai Behar: „Bedroom Folk”, Tänzer*innen: Emily Chessa, Parker Finley, Scott Fowler, Jordan Lang, Justin Rapaport, Dex van ter Meij, Nicole Ward, Sophie Whittome, Kirsten Wicklund, Zenon Zubyk.
Crystal Pite: „Solo Echo“, Tänzer*innen: Chase Buntrock, Scott Fowler, Miriam Gittens, Justin Rapaport, Dex van ter Meij, Nicole Ward, Kirsten Wicklund.
Ballet BC Vancouver, 24. Jänner 2020, Festspielhaus St. Pölten.