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Akram Khan: „Outwitting the Devil“, ImPulsTanz

Muskelmänner mit Dame. © Jean Louis Ferndandez

Akram Khan, britischer Tänzer und Choreograf mit Vorfahren aus Bengalen, hat vor zwei Jahren, mit 45, verkündet, dass er nicht mehr selbst als Solist auftreten würde und sich ganz der Choreografie widmen wolle. Für andere hat Khan schon immer choreografiert und dabei Lorbeeren erworben, auf denen er sich genüsslich ausruhen kann. Der Applaus ist ihm sicher, auch für seine jüngste Choreografie: „Outwitting the Devil“, 2019 in Eric Gauthiers Festival „Colours“ in Stuttgart uraufgeführt. „Den Teufel überlisten“ ist einer der Höhepunkte des ImPulsTanz Festivals 2021 – zumindest das begeisterte Publikum hat das so gesehen.

Dame in Orange – eine indische Göttin?  © Jean Louis FernandezIn die Riege der gar nicht so alten, aber seit langem erfolgreichen weißen Männer, Akram Khan und Wim Vandekeybus („Traces“), reiht sich eine blitzgescheite Frau aus Südafrika ein: Dada Masilo hat im ImPulsTanzfestival die Uraufführung von „The Sacrifice“ gezeigt und damit wesentlich zur zufriedenstellenden Auslastung des unter schwierigen Bedingungen durchgeführten Tanzfestivals beigetragen.
Traditionsgemäß ziehen Karl Regensburger und sein Team bereits eine Woche vor Ende des Festivals am 15. August Bilanz. Nach einem recht zögerndem Vorverkauf ist das Festival erst in der zweiten Hälfte in Fahrt gekommen, sodass Regensburger eine Auslastung von 88 Prozent prognostizieren kann. Zu Gast waren 51 Compagnien, die mit 20 Uraufführungen interessiertes Pulbikum in die Vorstellungen gelockt haben. Die 185 Workshops sind von mehr als 2000 Teilnehmer:innen besucht worden, und mit den öffentlichen „Public Moves“ sind mehr als 10.000 Tanz- und Bewegungsaffine erreicht worden. Zählt man sämtliche Besucher:innen und die in Trainingseinheiten Schwitzenden zusammen, so haben mehr als 107.000 Tanzfreund:innen, aktiv oder passiv, eine Veranstaltung des ImPulsTanz Festivals besucht, immerhin 65.700 davon haben auch ihren Obolus geleistet. Nicht so viele wie vor der Pandemie, aber immerhin genug, um Karl Regensburgers Miene bei der Abschluss-Pressekonferenz vor Zufriedenheit und Stolz strahlen zu lassen. Workshop mit Ákos Hargitay: Body Parkour. ©  Karolina Miernik
Noch ein Wort zur letzten Großveranstaltung im Volkstheater am 11. August, Akram Khans Teufelsüberlistung. Wer 80 Minuten lang nach dem Belzebuben gesucht hat, war nicht von Erfolg belohnt. Ein Titel ist ein Titel ist ein Titel und muss nicht unbedingt mit dem Gezeigten in Verbindung stehen oder dieses gar erklären. Er muss sexy und verlockend sein, damit Applaussüchtige in die Vorstellung kommen. Samt Zusatzvorstellungen gelingt das Khan und der Festivalleitung vier Mal.
Rangeln und Raufen, um den Teufel zu überlisten. © Jean Louis FernandezAusgangspunkt für die neue Choreografie ist das mesopotamische Gilgamesch-Epos, eine Heldengeschichte, wie sie jede Kultur kennt, die vor mehr als 4000 Jahren in Ton gemeißelt worden und nur in Teilen erhalten ist. Erst vor wenigen Jahren sind neue Tafeln aufgetaucht, die eine wenig rühmliche Episode aus dem Leben des Gilgamesch, König von Uruk, erzählen. Mit seinem jungen Gefährten Enkidu hat er den Zedernwald zerstört und Tieren und Pflanzen die Lebensgrundlage geraubt. Die Götter bestrafen ihn, indem sie Enkidu zertreten. Zu spät packt den überheblichen, alten Gilgamesch die Reue. Festival Logo 2021. © Art Direction & Design by Cin Cin • Vienna / Photos by Ulrich Zinell / Performer: Breanna O’Mara
Wie üblich zeigt Khan durch die Mischung des indischen Kathak mit dem zeitgenössischen Tanz eindrucksvolle Bilder, doch trieft die Vorstellung vor Pathos, kein Funken Humor, wie ihn etwa Dada Masilo immer wieder durchblitzen lässt, stört die tranceverdächtige geheiligte Stimmung im Theater. Bodybuilder-Posen, auf ihren Podesten erstarrt hockende Männerfiguren, raufende Kraftprotze, die versuchen, einander ein Bein auszureißen, was zu aufregendem, einbeinigem Gezappel der Gequälten (auch das Mädchen kommt an die Reihe) führt. Die Bilder ziehen in stetiger Wiederholung wie ein Film vorbei. Vermutlich ist der Held – wie alle Helden sämtlicher Epen in aller Welt nicht so strahlend, wie ihn das Volk gerne sähe – längst in der Hölle gelandet. Das Donnern und Grummeln, Pfeifen und Fauchen, das die Vorstellung akustisch übermalt, kann nur aus den Magmatiefen des Erdkerns kommen. Wer die Grundlage dieses in der Aussage recht platten Stückes – Oh Mensch gib acht, du sägst an dem Ast, auf dem du sitzt – nicht im Programmheft gelesen hat, kann natürlich nicht wissen, dass der junge Muskelmann das alter Ego des Greises ist, der seine Sünden als Ziegelstein auf den Schultern trägt. Ausblick: Mermaid & Seafruit, Extended Album Release Show, 13.8., Wuk. © Magadalena Fischer.Zwei Frauen bewegen sich zwischen dem Greis und den drei jungen Männern (einer ist wohl Gefährte Enkidu, einer der junge Gilgamesch), ihre Rolle bleibt rätselhaft. Die sich im verzögerten Kathak bewegende Dame in Orange ist für mich eine indische Göttin. Sie beschützt das junge Mädchen. Weil der Tanz weitergehen muss, steht der getötete Enkidu wieder auf, wird für den Freund wieder lebendig, die Figuren aus grauer Vorzeit verschwinden im Dunkel, die leuchtende Göttin löst sich im Licht auf. Der erste Ungeduldige klatscht stimmungstötend mitten ins Finale. Ende von Magie und Pathos.

„Outwitting The Devil“, Künstlerische Leitung, Choreografie: Akram Khan. Dramaturgie: Ruth Little; Lichtdesign: Aideen Malone; Visual Design: Tom Scutt. Originalmusik, Sounddesign: Vincenzo Lamagna. Kostüm: Kimie Nakano; Text: Jordan Tannahill.
Von und mit: Luke Jessop, Jasper Narvaez, Louis T. Partridge, Mythill Prakash; Elpida Skourou und François Testory. 11.–14. August 2021, ImPulsTanz Festival im Volkstheater.
Abschlusspressekonferenz am 11. August 2021, Odeon. Mit Karl Regensburger, Intendant; Christine Standfest, Künstlerische Leitung [8:tension] | Dramaturgie & Kuratierung mumok-Kooperation; Rio Rutzinger, Künstlerische Leitung Workshops & Research. Kommunikationsteam: Theresa Pointner, Marlene Rosenthal & Sonja Kuzmics.