
Imani Rameses: Das Ich wird zum Wir

Die Kognitionswissenschaftlerin, Choreografin, Tänzerin und Lehrerin Imani Rameses ist eine vielfältige Persönlichkeit, Wissenschaftlerin und Künstlerin zugleich. Dementsprechend ist auch ihr Solo, das sie im Rahmen von imagetanz gezeigt hat, ein Fünfpersonen-Solo, das sie First Person Plural nennt. Das Ich wird zum Wir. Am 20.3. ist die Uraufführung im brut Studio in der Zieglergasse gelungen.
Unheimlich. Sind es fünf Frauen, die versuchen, auf der Bühne ihre Talente zu zeigen? Ist es eine Frau, die in fünf Persönlichkeiten gespalten ist? Imani Rameses ist auf der Suche nach sich selbst und muss erkennen, dass es dieses schöne, einheitliche Selbst nicht gibt. Das ist keine Neuigkeit und natürlich fällt mir zum Thema gleich der Bestseller von Richard David Precht (*1964) ein: Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? Mehr als eine Million Exemplare sind von dem 2008 erschienen leicht lesbaren Sachbuch, übersetzt in 32 Sprachen, verkauft worden.
Doch Imani Rameses hat nicht zu einer philosophisch-psychologischen Unterrichtsstunde geladen, sondern zeigt verschiedene Seiten von Imani Rameses in einer aufwändigen Performance.
Das Publikum sitzt auf den Längsseiten eines schmalen Bühnengevierts. Auf der einen Schmalseite schimmert ganz oben das Licht aus der Technikkabine. Weiter unten steht ein Podest, auf dem die Komponistin und Cellistin Marleen Moharitsch, die mit elektronischen Geräuschen, mit den gezupften und gestrichenen Saiten ihres Instruments und mit ihrer Stimme die einzelnen Szenen strukturiert, das Geschehen von oben beobachtet. Auf der hinteren Breitseite ist ein metallener Rahmen, er könnte ein Spiegel sein, im Laufe der Vorstellung bewegt er sich entlang der Bühne, bleibt schließlich in der Mitte stehen. Fünf hölzerne Objekte unterstützen die fünf Darstellerinnen bei ihren Auftritten. Wippen oder Brücken könnten es sein, die silbernen Folien innen dienen als Reflektoren, können ebenfalls Spiegel sein.
Diese Versatzstücke werden zur Ballettbühne und zur Kinderwippe, zum Schaukelstuhl oder Sofa, sind Wege und Irrwege, Stütze und Hindernis. Und helfen auch, durch ihren Umbau, die personellen Splitter des Bühnenselbst zu trennen. Dabei hilft auch die differenzierte, mit Sound und Stille korrespondierende Lichtregie. Jeder Teil dieses Wir, das im Körper zu einem Selbst wird, hat sein eigenes Licht, seinen eigenen Klangraum und die eigene Skulptur aus den gedrechselten Brückenbogen.
Die Tänzerin, oder die fünf Personen, die sich nacheinander vorstellen, ordnen und sortieren sich immer wieder neu, Rameses vermisst mit Armen und Händen ihren Auftrittsort und arbeitet mit dem Körper ebenso intensiv wie mit der Mimik. Wer immer sie ist, sie hält engen Kontakt mit dem Publikem, zieht es in ihren Bann, wechselt Blicke und Lächeln mit den Zuseherinnen, zeigt Freude und Enttäuschung, Zweifel und Energie. Als Prima Ballerina balanciert sie auf dem schmalen Brückensteg, als Sängerin bringt sie keinen Ton hervor, als Akrobatin präsentiert sie ihre Rückenmuskulatur, und wenn sie müde ist, entspannt sie sich auf ihrer Liege.
Manche der Szenen sind etwas zu breit geraten und die Spannung verliert sich. Mit Energie und intensiver Bühnenpräsenz holt die Bühnenkünstlerin sie wieder zurück. Der Körper auf der Bühne ist immer derselbe, was das Publikum sieht, ist immer eine andere. Auch die Antwort auf das prechtsche Wie viele? kann in diesem Fall gegeben werden: Fünf.
Imani Rameses: First Person Plural, 20., 21., 22. März 2025, studio brut, Zieglergasse.
Konzept & Choreografie: Imani Rameses, Assistenz: Teresa Awa;
Co-Movement Research: Cat Jimenez;
Sounddesign: Marleen Moharitsch; Dramaturgie: Jared Robinson,
Kostümdesign: Mariama Sow, Textildesign: Abiona Esther Ojo;
Bühnenbild: Lukas Kötz & Márton Zalka, Lichtdesign: Yasemin Duru;
Produktion: Sheri Avraham, Fotos: © Hanna Fasching.