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Anthony McCarten: Bill und Warren

Anthony McCarten über eine außergewöhnliche Freundschaft

Der oscarprämierte Drehbuchschreiber, Romanautor und Biograf Anthony McCarten nutzt sein phänomenales Erzähltalent, um die Freundschaft, das Tun und Lassen zweier Millionäre zu beschreiben: Warren Buffett und Bill Gates. Die einflussreichste Freundschaft der Welt ist eine spannende Untersuchung, was Millionäre mit ihrem Hort machen und ob sie dafür geliebt werden.

Bill Gates und seine Frau Melinda, geborene French, fotografiert 2009. als sie die Oper in Oslo besucht haben. © 2009 Kjetil Ree / wikipediaAuch den Anhängerinnen von Steve Jobs, also den Nutzerinnen der vom Hard- und Softwareentwickler Apple vertriebenen Rechnern, ist Bill Gates ein Begriff. Gemeinsam mit Paul Allen (1953–2018) gründete William Henry „Bill“ Gates III 1975 das Unternehmen Microsoft. Damals war er gerade 20 geworden, hatte sein Studium abgebrochen, um sich ganz dem Programmieren von Software zu widmen. Schon wenige Jahre danach hatte er für IBM das Betriebssystem MS-DOS geschaffen und war ein gemachter Mann.
Altair 8800 Computer etwa 1975.  Seine erste Programmiersprache, Altair BASIC, war die Startrampe für die Microsoft Produkte. Das Foto entstand anlässlich des Vintage Computer Festivals im November 2004. © Foto von Michael Holley / wikiedia.Heute genügt es nicht, ihn als Unternehmer und Programmierer zu bezeichnen, sondern auch als Mäzen und Philanthrop. Gemeinsam mit seiner (Ex)Frau Melinda hat er eine Stiftung gegründet und angekündigt, bis zum Lebensende 95 Prozent seines Vermögens an diese abgeben zu wollen. Der Investor, Philantrop und  Bridge-Spieler Warren Buffett 2015. © wikipedia Warren Buffett, geboren 1930 in Omaha, ist der Leserin, die sich nicht am Aktienmarkt tummelt, weniger bekannt. Er hat auch nichts gegründet und seine Arbeit macht er am Schreibtisch, Warren ist Investor.
Ein ausgedehntes Studium der Betriebswirtschaft, Fundamentalanalyse und des Value Investing bilden die Grundlage für seinen Erfolg. Amerikanische Medien nennen ihn „das Orakel von Omaha“, was auf einen siebenten Sinn hinweist, mit dem er seine Investitionen tätigt. Die Anlage der Bill und Melinda Gates Foundation in Seattle. © wikipediaEr lässt sein Geld arbeiten, sodass Geld immer neues Geld gebiert. Seine Anlagestrategie ist das Value Investing. Auch Warren Buffett ist Mäzen und Philanthrop. Bereits 2006 hat er angekündigt, 85 % seines Vermögens nach und nach an fünf Stiftungen zu Gunsten wohltätiger Zwecke abzugeben. Der Großteil sollte dabei an die Bill & Melinda Gates Foundation gehen, ein kleinerer Anteil an die Susan Thompson Buffett Foundation sowie an drei Stiftungen, die von seinen Kindern gegründet wurden. Paul Allen and Bill Gates 1970 an einem Teletype Modell, Lakeside Schule in Seattle. © Bruce Burgess / wikipediaWie der Autor in seinem Vorwort erzählt, wuchs sein Interesse an der Person Bill Gates, als er erfuhr, dass Bill gerne Bridge spielt. Das komplizierte Spiel kann als Metapher für das Spiel an der Börse dienen. Es wird gereizt und geboten und „beim Kontrakt begibt man sich in Gefahr“, erklärt McCarten. Auch Warren Buffett ist ein begeisterter Bridgespieler und Gates ist sein liebster Partner am Kartentisch (oder online).
Es war Mary Gates, Bills Mutter, die die beiden unterschiedlichen Milliardäre zusammengeführt hat. 1991 hat sie Warren zu einer ihrer Gartenpartys am Hood Canal eingeladen und zugleich ihren Sohn verpflichtet, ebenfalls zu erscheinen, um den Investor kennenzulernen. Bill mit Warren spielen Bridge während des Sharholders Weekend 2018 im Juwelier Borsheims in Omaha. Buffett besitzt eine Aktienmehrheit an dem Juwelier-Unternehmen. © wikipedia Widerwillig ließ sich Bill mit dem Hubschrauber zur Party bringen. Lange wollte er nicht bleiben, schließlich sei Buffett „Schnee von gestern“. Tatsächlich trennt die beiden, die bald dicke Freunde werden sollten, ein Vierteljahrhundert. Wie das Treffen ablief, erzählt McCarten gleich zu Anfang seiner Untersuchung.
Untersuchung ist der Begriff, den McCarten selbst für sein Buch verwendet. Er hat nicht die Absicht gehabt, eine Doppelbiografie zu schreiben, sondern wollte wissen, wie es zu dieser Freundschaft gekommen ist, wie sehr sich Warren und Bill gegenseitig beeinflusst haben Susan Thompson Buffet (1932– 2004), Ehefrau und Präsidenin der Warren-Buffett-Stiftung.  Interview clip ohne Datum. © Charlie Rose LLC (Interview Video) – Original publication: Inteview Video with Susan Buffett und auch welche Rolle die Lebensgefährtinnen bei der Entwicklung dieser Männerfreundschaft gespielt haben.
Die Freundschaft zwischen Warren Buffett und Bill Gates und der Einfluss der Ehefrauen (Susan Buffett/ Melinda Gates)  hat zur Gründung „des größten philanthropischen Unternehmens aller Zeiten“ (McCarten) geführt, „der Bill & Melinda Gates Foundation, die nach dem letzten Geschäftsbericht über ein Vermögen von fast 70 Milliarden Dollar verfügt. Warren Buffetts Haus in Omaha, das er 1958 gekauft und auch mit seiner Familie weiterhin bewohnt hat. © gemeinfrei / wikipedia obvioBis 2021 hatte die Stiftung genau drei Treuhänder: Bill Gates, Melinda Gates und Warren Buffett“, schreibt McCarten in seinem Vorwort. Dieses ist so vergnüglich zu lesen wie die gesamten 400 Seiten. Es ist nicht notwendig, sich an der Börse zu tummeln oder Programmiersprachen zu lernen, um zu erfahren, wie aus dem komischen Nerd Gates und dem Investor im Pensionsalter Freunde geworden sind und mit ihrem Geld die Welt ein wenig besser machen wollen. Autor Anthony McCarten nennt diese Freundschaft „die wirkmächtigste der jüngsten Vergangenheit“.
Autor McCarten berichtet Fakten und füllt mögliche Lücken mit Fantasie und Empathie. Die  Residenz von Bill Gates am Lake Washington. © Photo by jeffwilcox / wikipediaAuch in seinen Romanen fällt auf, wie gut er sich in seine Protagonistinnen hineinfühlen kann, sodass die Leserin meint, sie erst kürzlich getroffen zu haben ober demnächst mit ihnen auf einer Parkbank zu plaudern. Bill Gates und Warren Buffett sitzen jetzt im Wohnzimmer und Warren erklärt dem im Sessel wippenden Freund, dass er arm sterben möchte.
Auch wenn Anthony McCarten die beiden Amerikaner bewundert, so verhehlt er nicht, dass Gates immer noch eine umstrittene Persönlichkeit ist, dass er Fehler gemacht hat und auch heute noch, trotz seiner guten Taten Opfer von Verschwörungstheorien ist. Buchumschlag: Warren Buffett, Bill Gates fotografiert von Monica Schipper für den Diogenes Verlag. © Monica Schipper / Konteibtuor / Getty Images
McCarten schildert auch, wie schwierig es ist, einen Teil des Reichtums weiterzugeben, an die, die hungern und dürsten, nicht ausschließlich nach Nahrung und Wasser. Irgendwie entsteht eine neue Art von Kolonialismus, die Reichen infiltrieren die Armen nicht nur mit Geld, sondern auch mit ihrem Wissen und ihren Vorstellungen vom richtigen Leben. Das betrifft sowohl das eigene Land als auch fremde Kulturen. Über die Schwierigkeiten, mit einer Stiftung Gutes zu tun, die Fallstricke, die ausgelegt sind und die teilweise berechtigten Kritiken, zu lesen, hat mir ein richtiges Aha-Erlebnis bereitet. Wie froh kann ich sein, nicht auf Milliarden zu sitzen und sie unter den Augen strenger Kritikerinnen verteilen zu wollen.

Anthony McCarten: Warren Buffett und Bill Gates. Die einflussreichste Freundschaft der Welt / Warren and Bill: Gates, Buffett, and the Friendship That Changed the World, aus dem Englischen von Stefanie Schäfer, 432 Seiten, Diogenes 2025. € 26,80. E-Book: € 22,99.