Eve Harris: Die Hochzeit der Chani Kaufman
Eve Harris, von Beruf Lehrerin, hat einen großartigen, tief berührenden und auch erkenntnisreichen Roman über das Leben orthodoxer Jüdinnen und Juden geschrieben. Die Geschichte von Chani Kaufman, Baruch Levy und der Rebbetzin Zilberman zeigt ein Leben, das allein durch den Glauben und die Schrift bestimmt ist.
Der junge Baruch Levy, Sohn eines Rabbiners, hat Chani Kaufman von ferne gesehen und beschlossen: “Die oder keine“. Die von seiner Mutter und der Schadchen (Eheverittlerin) vorgeschlagen Bräute will er alle nicht. So bereiten sich Chani und Baruch auf die Hochzeit vor. Beide Eltern haben nur zähneknirschend zugestimmt; die jungen Brautleute haben sich nur drei Mal in aller Öffentlichkeit gesehen, sie durften sich nicht berühren, sie haben keine Ahnung, was auf sie zukommt und fürchten sich beide vor der Hochzeitsnacht. Der Tag der Hochzeit ist die Klammer des Romans, in dem auch die vom demütigenden Leben einer jüdischen Ehefrau frustrierte Mutter Baruchs, die Rebbetzin Rivka, und der lebenslustige Freund Baruchs, Avromi, der sich gegen jegliches Gebot mit einer Nichtjüdin einlässt und von Gewissensbissen geplagt wird, eine Rolle.
Mit Rückblicken in die Zeit als Rabbi Levy in Israel studierte und sich in Rivka verliebt hat und der Hochzeitsnacht als desaströsem Höhepunkt, erzählt die Autorin von der scheinbar homogenen jüdischen Gemeinde in London und fühlt sich vor allem in die Gedanken der beiden Frauen, Chani und Rivka, ein. Doch auch die Sorgen und Nöte der jungen Männer werden nicht vergessen.
Dieses Eintauchen in eine für die meisten Leserinnen unbekannte Welt ist mit einer feinen Portionen warmen Humors gepolstert und lässt sich durch den poetischen Stil Harris’, die auch das Alltägliche als Kostbarkeit beschreibt, leicht lesen. Die Erfahrungen für das erstaunliche Erstlingswerk hat Eve Harris als Lehrerin an einer jüdisch-orthodoxen Mädchenschule London gesammelt. In London lebt sie auch mit ihrem Mann und zwei Kindern.
Eve Harris: „Die Hochzeit der Chani Kaufman“, übersetzt von Kathrin Bielfeldt, Diogenes 2015. 464 S. € 16,50.
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