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Håkan Nesser – Elf Tage in Berlin

Autor Håkan Nesser. © Lotte Fernval

Der schwedische Autor Håkan Nesser, 66, ist immer wieder für eine Überraschung gut. Mit Tiefsinn und Hochspannung, Ironie und Metaphysik hat er seine Fangemeinde bereits gefesselt. Jetzt unterhält er auf Beste mit einem Abenteuermärchen. Der Schwede Arne Albin Hektor Murberg, in Kumla geboren, wie der Autor selbst, reist nach Berlin, um seine Mutter zu suchen.

Arne, 34 Jahre alt, hat sich als Kind bei einem Sprung ins flache Wasser schwer verletzt. Seitdem arbeitet sein Gehirn nicht mehr so richtig. Arne denkt langsam, merkt sich nicht mehr alles und ist im Herzen ein Kind geblieben, naiv und gutgläubig. Voll Vertrauen in die Menschen reist er nach Berlin, denn, das weiß er, „so dumm, wie die Leute glauben“, ist er nicht. Den Auftrag, die Mutter, die mit einem Sänger durchgebrannt ist, als Arne noch ein Baby war, zu suchen, hat ihm der Vater auf dem Sterbebett gegeben. Für Arne ein Gesetz.

Furchtlos und mit einem Stadtplan ausgerüstet (ein Kreuz für das Hotel, ein zweites für die letzte Adresse der Mutter hat der Onkel bereits eingezeichnet) macht sich Arne auf die Reise. Als Berater ist Perry Mason, den Arne aus dem Fernsehen kennt, immer zur Stelle und auch der verstorbene Großvater meldet sich mitunter zu Wort. So übersteht Arne alle Fährnisse, macht sich nichts draus, dass ihm die Schuhe gestohlen werden, weil er sich wunderschöne gelbe kauft, nachdem er in Socken den Park verlassen hat; kommt auch ohne Mobiltelefon, das er im Café vergessen hat, zurecht und begreift schnell, dass die Begegnung mit Beate im Rollstuhl schicksalhaft ist. Auch der Engel, "Goldelse", auf der Siegessäule in Berlin spielt eine Rolle. © henke-heyen.de

Beate, die an einer Muskelschwäche leidet, hat Skandinavistik studiert, und versteht mehr als schwedische Vokabel. Mit ihr wird die Leserin, wie auch mit dem sonderbaren Physiker Anatoli Litvinas, in einem „Vorspiel“ bekannt gemacht. Doch weil Nesser eben Nesser ist, hat alles seine Bedeutung und Zufälle gibt es,bei Licht besehen, nicht. Arne muss ins Mittelalter reisen, einer zweiten Beate begegnen, gegen den Inquisitor Litvonius (klingt wie Litvinas, der Name des verrückten Professors) kämpfen und mit Beate 2 ins Wasser springen, um neben Beate 1 aufzuwachen.
Håkan Nesser © Caroline AnderssonAuch ein Kästchen, das Arne der Mutter übergeben soll, spielt eine Doppelrolle und die Taube, die ans Fenster von Arnes Hotelzimmer klopft, ist ebenfalls nicht ohne. Schließlich heißt seine Mutter mit dem Geburtsnamen Violetta Dufva und das ist das schwedische Wort für Taube. Einen Moment denkt Arne, die Taube sei … So ist Arne eben. Doch niemand kann ihm böse sein und auch nicht dem Autor, obwohl er sich manchen Kalauer („Auf Wiederschnitzel“) nicht verkneifen kann.

Håkan Nesser hat selbst einige Zeit in Berlin verbracht, kennt sich aus und weiß auch, was deutschsprachige Leserinnen wünschen. In Schweden wird er gar nicht so heiß geliebt. „Elf Tage in Berlin“ hat die Kritiker_innen seiner Heimat nur wenig berührt. Im deutschen Sprachraum aber bleibt Nesser auf dem Podest, ein kluger Mann, der sein Handwerk versteht. So kann ich ihm auch so manchen pseudo-tief schürfenden Satz Arnes über das Leben nachsehen.

Ich habe geschmunzelt und auch nasse Augen bekommen, habe mit Arne gezittert und auch mit ihm geschimpft, mich geärgert, dass ich „Die Brüder Löwenherz“ von Astrid Lindgren nicht gelesen habe und mich über das ohnehin erwartete gute Ende gefreut und gebe freudig ich eine warme Empfehlung ab.

Buchcover © Randomhouse

Håkan Nesser: Elf Tage in Berlin, übersetzt von Paul Berf, btb, 2015. 384 S. 18,50 €.
Auch als E-Book erhältlich.
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