„Was schenken wir unseren Kindern?“, Sachbuch
Das Christkind hat seine Pakete abgelegt, von dem, was drinnen war und Kinder beglücken sollte, ist vieles bereits in einer Ecke gelandet und wird nicht mehr beachtet. Demnächst leert der Osterhase seinen Korb aus, in dem sich nicht nur Schokoladeeier befinden, sondern auch Autos und Zuggarnituren, Rennbahnen, Puppen und möglicherweise auch ein Smart-Gerät. Auch von diesem Spielzeugberg wird vieles bald vergessen sein. Der bekannte Hirnforscher Gerald Hüther und der Autor André Stern fragen, ob wirklich Materielles, schnell Gekauftes das Richtige ist, wenn Eltern und Großeltern ihren Kindern und Kindeskindern Wertvolles schenken wollen.
„Eine Entscheidungshilfe“ nennen die Autoren im Untertitel den schmalen Band, in dem sie erklären, dass Kinder „offenbar etwas anderes brauchen, um lebensfrohe, selbstbewusste und verantwortungsvolle Entdecker und Gestalter ihrer Lebenswelt zu werden und ihre Potentiale so gut wie möglich entfalten können.“ Ursprünglich sollten die Ausführungen „ein Weckruf für alle jene sein , die Kinder auf ihrem Weg ins Leben begleiten.“ Doch bald wurde ihnen bewusst, dass es genügend Weckrufe gab, „die ungehört verhallt sind wie die der Kassandra in Troja". Sie hatte gewarnt, doch die Trojaner schleppten den geschenkten Gaul trotzdem in die Stadt und besiegelten damit ihr Ende.
Es wird in diesem Buch also nicht diskutiert, welches Spielzeug für welches Alter geeignet ist, ob Playmobil oder Lego besser sei oder ab wann der Computer oder das Mobiltelefon angesagt sind. Es geht überhaupt nicht um Geburtstag oder Ostern, um den Fünfer für das Sparschwein oder die Belohnung für gute Noten. Materielle Werte sind nicht die Geschenke, die Kinder wirklich brauchen, um in dieser Welt bestehen zu können, sie sogar zu verbessern und lebenswert zu machen.
Ein leicht verständliches, liebevoll geschriebenes Buch, in dem nicht belehrt und indoktriniert wird, sondern lediglich zum Nachdenken angeregt. Auch die Welt die die Elterngeneration hinterlässt, ist ein Geschenk für deren Kinder. Ob es willkommen ist, bleibt fraglich. Wenn die Leser*nnen verstehen, wie wichtig es ist, Kinder zu lieben, ohne Bedingungen zu stellen und Erwartungen zu haben; welch wertvolles Geschenk das ihnen vermittelte Selbstvertrauen ist, werden sie auch darüber nachdenken, warum überhaupt Geschenke verteilt werden, an Kinder und Erwachsene, was die Schenker*innen damit bezwecken oder auch darüber, ob das, was wir unseren Nachfahren neben materiellem Kleinkram hinterlassen (schenken), wertvoll und erwünscht ist.
Hüther und Stern bieten genügend Diskussionsstoff an.
Gerald Hüther / André Stern: „Was schenken wir unseren Kindern?“, Eine Entscheidungshilfe, Penguin, 2019. 80 S. € 10,30. Auch als e-Book erhältlich.