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Alexis Michalik: „Vorhang auf für Cyrano“

Cyrano de Bergerac (Olivier Gourmet)

Mit seinem Schauspiel „Edmond“ hat Alexis Michalik, nicht nur Autor, auch Schauspieler und Regisseur, 2016 die Franzosen begeistert, nach langem Ringen um die Finanzierung hat er die Komödie nun mit exzellenten Darstellern verfilmt. Alles dreht sich um Edmond Rostand und die schwierige Geburt seines Versdramas „Cyrano de Bergerac“, des bis in die Gegenwart meistgespielten französischen Theaterstücks. Im Film wird das Leben des Dichters zur Literatur.

„Cyrano amoureux“ könnte man den Film als französische Parallele zu „Shakespeare in Love“ (John Madden, 1998) nennen, auch wenn das Verwirrspiel, den historischen Grundtaten entsprechend, 300 Jahre nach Shakespeare für theatralische Turbulenzen unter dem Eiffelturm sorgt. Edmond Rostand, Autor der Tragikomödie "Cyrano de Bergerac"  (Thomas Solivérès). Alle Filmbilder: Filmladen FilmverleihRegisseur Michalik hält sich an das Uraufführungsdatum des vielfach verfilmten, vertanzten und versungenen Dramas um den französischen Dichter und Haudegen Cyrano (eigentlich Hector Savinien de Cyrano, 1619–1655) und auch an die Namen der Darsteller*innen der Uraufführung bekannten Theterstücks, lässt aber bei der Entstehungsgeschichte des Dramas, mit dem der bisher erfolglose 29 jährige Dichter Edmond Rostand (Thomas Solivérès) mit einem Schlag berühmt geworden (und bis heute geblieben) ist, seiner Fantasie freien Lauf.

Kern des Plots ist die Anziehungskraft der Theatergarderobiere Jeanne (Lucie Boujenah), die Edmonds Freund Léo (Tom Leeb), ein hübscher, jedoch etwas einfältiger, des Schreibens nicht mächtiger Schauspieler, anbetet. In einer hinreißenden Balkonszene schwärmt Edmond als Léo Jeanne an. Sie ist hingerissen, doch muss sie mit der Truppe des erfolgreichen Komödienautors Georges Feydeau auf Tournee gehen. „Schreib mir“, ruft sie Léo, den sie im Finstern ebenso wenig sieht wie Edmond. Initialzündung. Autor Rostand und sein Freund Léo als Christian (Solivérès, Tom Leeb). Edmond hat unter dem Balkon eben seinen dritten Akt gedichtet. Er hat nämlich den Auftrag für ein neues Stück, in dem der anerkannte Schauspieler Constant Coquelin (Olivier Gourmet) die Hauptrolle spielen will. Die Premiere muss in drei Wochen stattfinden. Mehr als seine Hauptfigur, Cyrano de Bergerac, ist Edmond noch nicht einfgefallen. Doch nachdem er Jeanne Léos Liebe als die seine gestanden hat, fließen ihm die Verse als Sturzbach aufs Papier. Bald ist er mit den Liebesversen an Jeanne beschäftigt, fiebert ihren ebenso poetischen Antworten entgegen, die der eigentliche Adressat, Léo, nie zu Gesicht bekommt. Edmond ist Cyrano, Léo wird zu Christian, Jeanne zu Roxane, das Leben wird zum Theater.
Coquelin hat seine Rolle, er wird den ob seiner Hässlichkeit kampfeslustigen Dichter spielen.

Bis zur Premiere sind aber einige Hindernisse zu überwinden, Rostand schreibt und schreibt, die Briefe an Jeanne werden zum Text für Cyrano.Turbulenzen und Verwechslungen auszubügeln. Coquelin hat den Direktor der Comédie française beleidigt, wird hinausgeworfen und erhält Auftrittsverbot; die Geldgeber wünschen schon im ersten Akt „Sex, Frauen, Titten, Brüste“, außerdem soll ihre Maitresse, die alternde Diva Maria Lagault (Mathilde Seigner), die angebetete Roxane spielen, und sie hat selbst allerhand Sonderwünsche, die zu erfüllen sind, und der Sohn Coquelins, Jean (Igor Gotesman), der De Guiche, den Nebenbuhler Christians spielen soll, erweist sich als Untam auf der Bühne und muss ins Bordell geschickt werden, um sich zu entspannen, dann muss er nicht mehr De Guiche sein, sondern darf Raqueneau spielen. Zu allem Überfluss findet Madame Rostand den Briefwechsel und entzündet ein Feuer auf dem Ehedach. Und weil Feydeau (zwei Auftritt für Regisseur Michalik als Darsteller), sowohl Léo wie auch Edmond als Besucher bei Jeanne erwischt, wirft er sie hinaus. Sie meldet sich als Garderobiere von Madame Lagault, Die Garderobiere Jeanne schaut der Probe zu "Cyrano" zu und erkennt die Verse, die sie für Léos Poesie gehalten hat. (Lucie Boujenah)um Léo nahe zu sein. Doch der echte Léo ist nicht der Léo der romantischen Briefe. Das Vorbild dient dem Bild und hört mit Erstaunen die Verse, die an es gerichtet waren. Doch alles fügt sich zum Guten, durch einen Trick darf Coquelin die Bühne betreten, Constant Coquelin bekommt seine Fechtszene, Jean Coquelin ist tatsächlich erlöst worden und kann endlich seinen Text frei sprechen, der mit seinem Stammkunden Edmond befreundete Cafétier sorgt mit einer freien Mahlzeit, dass das Theater am 28. Dezember 1897 prall gefüllt ist, und das Publikum unterhält sich so gut, dass es mehr als nur den ersten Akt sehen will. Plötzlich erstarren die Spieler auf der Bühne, wollen die Lagault warnen, doch sie bemerkt das Gefuchtel nicht. Achtlos steigt sie auf die kaputte Falltüre und verschwindet unter Getöse.

Die Geschichte besagt, dass trotz aller Hindernisse die Premiere ein Triumph wurde, Rostand wurde in die Ehrenlegion aufgenommen, sein Stück wurde 200 Mal en suite gespielt, nach der Wiederaufnahme 1900 noch 400 Mal in derselben Besetzung. Rostand (Thomas Solivérès) und die skeptischen Geldgeber (Simone Abkaian und Marc Andreoni).Die Hautfigur, Cyrano de Bergerac, ist in der Literatur, nicht nur der französischen, ein Archetypus wie Hamlet, Faust oder Don Quixote. Bis heute ist Rostands tragikomisches Drama mehr als 20.000 Mal aufgeführt worden und steht immer wieder auch auf deutschsprachigen Spielplänen. Zum Beispiel am Salzburger Landestheater, wo die romantische Komödie am 23. November 2019 Premiere haben wird.

Regisseur und Drehbuchautor Michalik blickt jedoch zurück in die Vergangenheit und versetzt sein Publikum in ein quirliges Paris des ausgehenden 19. Jahrhunderts, als das Kino zur Bedrohung für das Theater und das Automobil für die Kutschpferde heranwuchs und Jacques Offenbachs Ruhm langsam verblasste. Zwar werden auch Melodien des Komponisten im Film verwendet, hauptsächlich werden aber Originalkompositionen von Romain Trouillet verwendet, um Verführungskunst und Begierde zu wecken, darf auch Maurice Ravels „Boléro“ herhalten, der dreißig Jahre nach Rostands Hauptwerk komponiert worden ist. Sei`s drum, die Musik ist dezent und fördert ebenso die gute Laune wie das in Karlsbad, Prag und Pilsen gedrehte zauberhafte Ambiente.

Michalik erzählt seine Geschichte mit Esprit und Charme, Cinéma français par excellence. Die Aufführung war ein Triumph.Der Applaus wollte nicht enden.dDie französische Kritik lobt die spritzig-fröhliche Komödie mit vielen kleinen Spitzen und ironischen Randbemerkungen – ausgerechnet Feydeau ist Teil einer Verwechslung. Auch kommt Michalik seine Erfahrung als Theaterregisseur bei der Führung der Darsteller*innen zugute. Als Drehbuchautor hat er die Rollen fein ziseliert und mit zurückhaltender Komik ausgestattet. Auch die Verse Rostands haben ihren Anteil an diesem filmischen Vergnügen. „Eine entzückende Überraschung zum Jahresanfang“, urteilte ein Kritiker in Paris. Ein Film, der verzaubert wie Rostands Cyrano und eine Hommage an das Theater. Schmeichelnd und erheiternd wie der Mairegen.

Alexis Michalik: „Vorhang auf für Cyrano“ / „Edmond“, Idee, Drehbuch, Dialoge und Regie: Alexis Michalik, Kamera: Giovanni Fiore Coltellacci; Kostüme: Thierry Delettre; Musik. Romain Trouillet.
Mit Thomas Solivérès, Olivier Gourmet, Mathilde Seigner, Tomm Leeb, Lucie Boujenah, Alice de Lencquesaing und vielen anderen. Ab 26. April im Kino. Verleih: Filmladen.