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Xavier Giannoli: „Die Erscheinung“, fast ein Thriller

Anna (Galatéa Bellugi) ist die Jugnfrau erschienen. © Fimladen Filmverleih

Der Kriegsberichterstatter Jacques Mayano wird vom Vatikan gebeten, an einer Kommission der Glaubenskongregation teilnehmen. Es gilt eine Marienerscheinung zu untersuchen. Ist das Übernatürliche tatsächlich geschehen, oder die junge Anna, die die Erscheinung behauptet, eine hysterische Schwindlerin? Der vielfach preisgekrönte französische Schauspieler Vincent Lindon spielt einen hartgesottenen, skeptischen Mann, den seine Begegnung mit Anna (Galatéa Bellugi, eine Entdeckung) im Zuge seiner Recherchen merklich aufweicht.

Jacques (Vincent Lindon) studiert seine Recherchen. © Filmladen FilmverleihIn einer südfranzösischen Kleinstadt ist einem Mädchen die Jungfrau Maria erschienen. Die Mär von dem Wunder verbreitet sich schnell, die Pilgerscharen strömen herbei, Andenkenverkäufer und auch die Kirche sahnen ab. Der Vatikan hat ein Dilemma, so leicht und besonders gern wird „das Übernatürliche“ nicht bestätigt und abgesegnet. Neben diversen kirchlichen Würdenträgern und einer gläubigen Kirchenhistorikerin soll vor allem der integre und wegen seiner beinharten Recherchen bekannte Journalist Mayano die Fakten prüfen und bei der Entscheidung behilflich sein. Doch die Flut ist nicht mehr aufzuhalten, das Wunder ist kommerzialisiert, Gläubige und Abergläubische beten weniger die Jungfrau als die jungfräuliche Anna, die sich entschlossen hat, Nonne zu werden, an. Pater Borrodine (Patrick d’Assumçao) heizt das Spektakel immer von neuem an und nimmt Anna unter seine Fittiche, legt sie jedoch in Wahrheit in Ketten. Der schleimige Priester Anton Meyer (Anatole Taubmann) spielt sein eigenes teuflisches Spiel. Das Mädchen gerät in einen Teufelskreis, aus dem es keinen Ausweg mehr weiß. Anna (Galatéa Bellugi) vor dem Tribunal: "Ich lüge nicht". © Filmladen FilmverleihIn ihrer Not wendet Anna sich an den Zweifler Jacques Mayano, weil sie erkennt, dass er ebenso eine gequälte Seele ist wie sie. Jacques hat während eines mörderischen Kriegs in einem arabischen Land den Tod seines Freundes und Kollegen miterlebt. Das posttraumatische Syndrom macht ihn einsam. Zwischen Anna und Jacques entsteht eine Beziehung der nahezu feierlichen Art. Wie der Apostel Thomas will er den Finger in die Wunde legen, der Geschichte ganz auf den Grund gehen, bis er Annas Geheimnis entdeckt hat. Schließlich kann er dem Vatikan ein Paket an recherchierten Fakten präsentieren. Die Entscheidung, ob tatsächlich ein Wunder geschehen ist oder Annas Fantasien von den Männern der Kirche missbraucht worden sind, überlässt er anderen. Gläubig ist er nicht geworden, doch hat ihn Annas Sanftmut, ihre feste Überzeugung, niemals zu lügen und die Wahrheit durch einen Hungerstreik zu beweisen, tief berührt. Seine Verletzungen vernarben allmählich.

Jacques wird von einem jungen Priester in die Archive des Vatikan geführt. © Filmladen FilmverleihRegisseur und Drehbuchautor Giannoli versucht mutig – gerade jetzt, da die Allmacht des Klerus bröckelt, bis in die höchsten kirchlichen Gremien, die Fehlbarkeit der Männer klar wird – die Balance zwischen Glauben und Skepsis zu finden und verirrt sich dabei in allzu viele Details. Im Kern geht es gar nicht um Wundergläubigkeit und Religion, sondern um die beiden gequälten Seelen, die einander bedürfen. Weil es aber auch Thriller sein soll und das Publikum auf eine Lösung wartet, präsentiert Giannoli einen so hanebüchenen Schluss, dass Dan Brown und Konsorten noch etwas lernen können.

Kameramann Eric Gautier ist von Bellugis schönem, ausdrucksvollen Gesicht fasziniert und präsentiert sie häufig als präraffaelitische Heilige mit zum Himmel gedrehten Augen. Anna und Jacques trösten einander. © Filmladen FilmverleihDas wird mit der Zeit ziemlich langweilig, zumal der Film für die wirre Geschichte, die Jacques letztlich herausfindet, fast zweieinhalb Stunden benötigt. Eindeutig zu lang.

Dass Giannoli keine Antworten gibt, sondern viele Fragen stellt, kann als Pluspunkt gewertet werden, Plakat zum Film "Die Erscheinung", ab 15.3. im Kino. © Filmladen Filmverleihsehenswert wird der in Kapitel unterteilte Film (wird da auf eine TV-Serie geschielt?) durch Lindon und Bellugi, er, wie gegerbtes Leder, hart und doch biegsam; sie, eine zarte Blume, die der Sturm, den sie selbst entfacht hat schließlich bricht. Die Überlänge und die zahlreichen Nebenhandlungen mindern den Genuss, langweilige war mir dennoch nicht. Die Musik kommt aus dem Kirchenraum. Avo Pärt und Claudio Monteverdi verbreiten geheiligte Stimmung und Georges Delerue verwöhnt die Ohren während des Abspanns mit interstellarer Musik aus der französischen Dokumentationsreihe „Tours du monde, tours du ciel“ („Über Erde und Himmel“, 1987). Versöhnung. Die Gliedmaßen dehnen und das Wunder des frühen Frühlings außerhalb des Kinos bestaunen.

Xavier Giannoli: „Die Erscheinung“, Original: „L’Apparition“. Regie und Drehbuch: Giannoli. Kamera: Éric Gautier. Mit Vincent Lindon und Galatéa Bellugi in den Hauptrollen. Gedreht wurde vor allem rund um Gap im Département Hautes-Alpes. Verleih: Filmladen, im Kino ab 15.3.2019.