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Ethan Hawke in „Born To Be Blue“

Ethan Hawke als Chet Baker © Alamode Film / Thimfilm

Der Film “Born To Be Blue” von Robert Budreau ist eine Hommage an den US-amerikanischen Jazztrompeter und Sänger Chet Baker. Mehr als seine Trompete, später war es das Flügelhorn, liebte er das Heroin. . Ethan Hawke spielt eine Figur, die Chet Baker, der „Erfinder des West-Coast-Swing" sein könnte, als sympathischen, mitleiderregenden, auch kindischen und unsicheren Star, der seine Karriere selbst verspielt. Der reale Musiker, Chesney Henry Baker, ist 1988 nach einem Fenstersturz in Amsterdam gestorben.

<p">Regisseur und Drehbuchautor Robert Budreau hat nicht die Absicht gehabt, Bakers Biografie zu verfilmen. Er wählte einen Ausschnitt aus Bakers Vita, als dieser nach einem Gefängnisaufenthalt versucht, von den Drogen wegzukommen, um wieder auf der Bühne Fuß zu fassen. Im Mittelpunkt steht weniger die Musik Bakers als der Mensch, voll des guten Willens, aber ängstlich und schwach.Jane und Chet, er braucht sie. (Ethan Hawke, Carmen Ejogo). Alle Bilder © Alamode Film / Thimfilm

Der Beginn ist etwas verwirrend, zumal sich Budreau weniger um faktische Details kümmert, sondern Bakers Aufstieg und Fall nur als Basis für das Charakterbild eines begnadeten Künstlers, der sein eigener Feind ist, nimmt. Die Erzählung startet mit Bakers Entlassung aus einem italienischen Gefängnis und dem Angebot eines Regisseurs, einen Film über ihn zu drehen, Baker soll sich selbst spielen.  In die Szenen der Dreharbeiten sind in schwarz-weiß Rückblenden auf Bakers frühe Karriere eingebaut, die nicht nur die Groupie-Horden zeigen, sondern auch eine Nacht im Hotel, in der ihn die aufgezwickte Begleiterin mit der Wirkung von Heroin bekannt macht.
Der Film wird nicht fertig, weil Baker kein Schauspieler ist und sich als Ekel gebärdet. Eines nachts wird er von einer Bande von Dealern, denen er Geld schuldet, überfallen und niedergeschlagen. Dabei verliert er die oberen Schneidezähne. Ohne Zähne kann er nicht mehr Trompete spielen. Doch er gibt nicht auf, übt mit dem neuen schmerzenden Gebiss, während ihm das Blut aufs Hemd rinnt. Viele dieser Ereignisse sind tatsächlich passiert, wenn auch die Chronologie nicht stimmt. Doch, noch einmal sei es betont, um historische Fakten geht es dem Regisseur und Autor nicht.
Chet übt verbissen, auch am Strand. (Hawke, Ejogo)Der Hauptteil erzählt von Bakers Versuch, mithilfe einer Methadon-Therapie von den Drogen wegzukommen und den eifrigen Bemühungen seiner neuen Liebe, Jane, ihn bei der Stange zu halten, zum Üben anzufeuern und eine neue Karriere zu ermöglichen. Sie ist sein Fels in der Brandung, und als sie beschließt, sich auch um  ihre eigene Karriere als Schauspielerin zu kümmern, fällt Bakers Selbstbewusstsein ausgerechnet vor seinem ersten öffentlichen Comeback-Versuch im berühmten New Yorker Club „Birdland“ ins Bodenlose. Nervosität und Angst lassen ihn wieder zur Nadel greifen.

Die Liebesgeschichte wird von Budreau bis zur Langeweile in die Kitschecke getrieben. Da nützt das hübsche Gesicht von Carmen Ejogo als Jane auch nicht. Nicht grundlos nennen die anglo-amerikanischen Kritiker_innen den Film „bitter-sweet“. Ethan Hawke als um sein Publikum und gegen die Sucht und sich selbst Kämpfender hingegen, ist alles andere als ein Abziehbild.  Lebendig, sympatisch, emotional und, auch als Süchtiger noch, voll verführerischer Ausstrahlung ist dieser Jazzmusiker mit seinem patscherten Leben.  In den Sequenzen, in denen Baker sein Instrument wieder lernen muss, verbissen übt und unter Amateuren seine ersten Auftritte probt, spielt Kevin Turcotte den musikalischen Teil. Die gesungenen Nummern hat Hawke selbst aufgenommen, und wenn er mit zarter, spröder Stimme „My Funny Valentine“ sing, ist das wirklich rührend. Kameramann Steve Cosens fängt die Landschaft Kaliforniens samt dem Ambiente der 1960er Jahre glaubwürdig ein. Am Ende muss Jane aufgeben, Chet hängt wieder an der Nadel
Ein Film für alle, die ihre Schallplatten mit der Jazz-Legende noch hüten, die ihre CDs mit West-Coast-Jazz immer wieder anhören, doch ebenso  für jene, die noch nie etwas von Chet Baker gehört haben. Jazzfans werden etwas enttäuscht sein, Budreau hat keinen Musikfilm gedreht. Das Drama wird nicht ohne Humor erzählt, der traurige Schluss kommt nicht überraschend. An den harten Fakten rüttelt der Film nicht, eher setzt er auf ans Herz rührende Emotionen.

Robert Budreau: „Born to be Blue“, mit Ethan Hawkes und Carmen Ejogo in den Hauptrollen. Im Verleih von Thimfilm, ab 9. Juni 2017 im Kino.