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Catherine Deneuve in „Ein Kuss von Béatrice“

Catherine Deneuve (Claire), Catherine Frot (Béatrice)

Eine feinsinnige Komödie, die weniger vom dünnen Handlungsfaden als vom Spiel der beiden Hauptdarstellerinnen lebt. Catherine Deneuve ist Béatrice, eine exzentrische Frau, die sich vom Leben geholt hat, was es zu holen gab. Doch dieses ist fast am Ende angelangt, ein Tumor ist diagnostiziert worden. Béatrice fürchtet sich vor dem Sterben und ist einsam. Da erinnert sie sich an die Tochter ihres einstigen Lebensgefährten, Claire, gespielt von Catherine Frot, und versucht Kontakt zu ihr aufzunehmen. Claire gefällt das gar nicht.

Es ist dreißig Jahre her, dass diese Béatrice mit dem Vater Claires gelebt hat. Als er mit ihr aufs Land ziehen wollte und eine Familie gründen, hat sie ihn in Panik verlassen. Sie, die ihren biederen französischen Nachnamen geändert hat, damit sie als ungarische Großfürstin durchs pralle Leben wandern kann, wollte weder Häuschen mit Garten noch eine Kinderschar. Claire war damals 15 und hat ihrer Stiefmutter den Verrat nie verziehen. Und jetzt soll sie sich ihrer annehmen? Nur weil die im Grund immer noch fröhliche Lebedame alt, allein und krank ist? Noch sind die beiden Frauen auf Distanz (Deneuve, Frot) alle Fotos © Michael Crotto / Thimfilm

Es geht nicht anders. Claire, eine pflichtbewusste Hebamme alten Stils, kann nicht anders. Was sie jedoch anfangs als Störung ihres geordneten, aber überaus langweiligen, Lebens empfindet, wird bald zur Chance für Veränderungen und Neubeginn. Wenn Claire zum ersten Mal vor dem Spiegel ihre zusammengewurstelten Haare auflöst, ist sie ein anderer Mensch. Statt den Nachbarn im Schrebergarten mürrisch und knapp abzufertigen, folgt sie ihm voll sinnlicher Begierde in die Hütte. Paul (Olivier Gourmet), von Beruf Fernfahrer, erweist sich als wahrer Engel. Er ist da, wenn er gebraucht wird, erträgt Claires lehrerinnenhaften Ton und Béatrices Anfälle, wenn der Tumor sich bemerkbar macht. Höhepunkt des Films ist eine Fahrt der zwei Frauen im riesigen Laster Pauls. Er erlaubt Béatrice, das Ungetüm zu lenken. Nicht nur die Todgeweihte genießt die fröhliche Fahrt.

Pul und Claire im Schrebergarten (Olivier Gourmet, Frot) So wirklich sympathisch ist keine der Frauen. Claire ist engstirnig, lustfeindlich, ganz ihrem Beruf hingegeben; Béatrice ist schrill, lästig, eine Spielerin und egozentrisch. Im Lauf der Zeit, die sie miteinander verbringen – Claire nimmt die Ältere, die selbst keine Wohnung hat, in ihrer kleinen Hochhauswohnung am Stadtrand auf – , profitieren beide voneinander, füllen die Leere, die bisher das Leben bestimmt hat.

Regisseur Martin Provost hat einen besonderen Grund, diesen Film zu drehen. In einer Szene erfährt man ihn: Eine junge Frau kommt zu Claire auf die Geburtenstation und die Hebamme erkennt in ihr das Nachbarmädchen von früher, dem sie ohne viel Aufhebens mit ihrem Blut das Leben gerettet hat. Provost erinnert damit an die Hebamme, die für ihn das Gleiche getan hat. Auch als Baby Martin wegen der Diagnose Rhesus + eine Blutspende benötigte. Die Hebamme hatte die richtige Gruppe und rettete Martin. Deshalb ist der französische Originaltitel auch „Sage femme / Hebamme“. Der deutsche Titel ist einem Filmzitat entnommen.

Provost hat sich nicht entscheiden können, ob er die beiden Stars in den Mittelpunkt stellen soll oder die Tätigkeit einer Hebamme und die Diskussion über die unterschiedlichen Geburtshilfemethoden. Wohl deshalb dauert der Film zwei volle Stunden, was nicht ohne Leerstellen möglich ist. Doch die beiden französischen Filmstars lassen kaum Langeweile zu. Beide gehen in ihren Rollen voll auf, ohne zu outrieren. Béatrice und Claire haben einander gefunden (Deneuve, Frot)
Durch Deneuves Mimik schimmert immer wieder die schöne, junge Frau durch, auch wenn sie keine Scheu hat, eine überkandidelte, dem Tod nahe, alte Frau zu sein. In einer winzigen Rolle ist noch eine andere Ikone des französischen Films zu sehen:Filmplakat © Thimfilm Mylène Demongeot ist eine verlotterte alte Geldverleiherin. Eigentlich will Béatrice diese aufsuchen, doch sie hat einen Schwächeanfall und muss im Auto bleiben, also übernimmt Claire die Aufgabe, das Kuvert zu überbringen. Sie weiß überhaupt nicht, worum es geht, und wenn ihr die Vettel einen Pack Euroscheine übergibt, spricht ihr Gesicht mehrere Bände.

Mehr Komödie als Tragödie, auch wenn der Tod schon lauert. Ein Film für zwei große Darstellerinnen, die zu beobachten pures Vergnügen bereitet. Provost verzichtet auf Pathos und Psychologie. Er lässt die Frauen einfach spielen. Das genügt.

„Ein Kuss von Béatrice / Sage femme“ von Martin Provost, Kamera: Yves Cape – AFC SBC. Mit Catherine Deneuve und Catherine Frot. Im Verleih von Thimfilm. Ab 9. Juni im Kino.