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Madame D’Ora und Moriz Nähr im Leopold Museum

Moriz Nähr: Selbstporträts. Ausstellungsansicht © Claudia Rohrauer

Gleich mit zwei Ausstellungen lockt das Leopold Museum Freundinnen der frühen Fotografie ins Haus. „Machen Sie mich schön, Madame d’Ora“ beschäftigt sich ausgiebig und üppig mit der Mode- und Gesellschafts-Fotografin Dora Philippine Kallmus (1881–1963), die sich mit dem Künstlernamen Madame d’Ora anreden ließ. Gleich nebenan, schlichter präsentiert, sind die Bilder des „Fotografen der Wiener Moderne“ Moriz Nähr (1859–1945) zu studieren.

Atelier Madaame d'Ora: Josephine Baker,1928. © Museum fur Kunst und Gewerbe HamburgDie von Monika Faber kuratierte Schau über Madame d’Ora, die ihren Kundinnen und Kunden aus der Kunst- und Modewelt, der Aristokratie und Politik eine Bühne für die Selbstinszenierung bot, bietet das Vergnügen der Begegnung mi den Größen ihrer Zeit. Besonders gern fotografierte sie Tänzerinnen und Tänzer. Die wissen, wie man sich bewegt, können jede Pose einnehmen, die verlangt wird. So können die Schwestern Wiesenthal oder die Staatsoperntänzerin Hedy Pfundmayr ebenso getroffen werden wie der Ausdruckstänzer Harald Kreutzberg oder der englische Tänzer und Choreograf Anton Dolin, der seine Karriere bei den Ballets Russes begonnen hat Moriz Nähr: Elsa Wiesenthal um 1907. Privatbesitz, Foto: Leopold Museum / Manfred Thumbergerund die russische Ballerina Olga Spessivtzeva aus ihrem Kerker in der psychiatrischen Klinik befreit hat. Ihre Geschichte hat er in dem Buch „The Sleeping Ballerina – The Story of Olga Spessivtzeva“ (1966) erzählt.
Der Vollständigkeit halber muss erinnert werden, dass Ballettfreundinnen in Wien,  die Spessivtzeva bestens bekannt sein dürfte, hat ihr doch Boris Eifman das Ballett „Gisèle Rouge“ gewidmet, das mit großen Erfolg vom Wiener Staatsballett in der Volksoper aufgeführt worden ist.

Moriz Nähr: Gustav Klimt vor seinem Atelier, 1917.  ARGE Sammlung Gustav Klimt ,Dauerleihgabe im Leopold Museum. Foto: Leopold Museum / Manfred ThumbergerZurück zu den stummen Zeugen der Mitte des 20. Jahrhunderts. Nach dem 2. Weltkrieg, den Madame d’Ora versteckt in Frankreich überdauert hatte, war nicht nur die Welt, sondern auch ihre Fotografie eine andere geworden. Tierkadaver in den Pariser Schlachthöfen, Flüchtlinge, Kriegsheimkehrer stellte sie nach ihrer Rückkehr in die Heimat aus. Selbst die orgiastischen Feste, die der Ballett-Impresario Marquis de Cuevas († 1961) mit seinen Freunden und Tänzerinnen gefeiert hat, wirken, mit d’Oras Augen gesehen, als hilfloser Protest gegen Tod und Verderben.

Moriz Nähr hat zwar durch seine Freundschaft mit Gustav Klimt ebenfalls Zugang zur Wiener Gesellschaft (vom Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand bis zur Familie Wittgenstein) gefunden, doch beschränkt sich sein Œuvre nicht auf die Porträtfotografie allein, blieb nicht im Atelier, sondern wagte sich in die Landschaft, fotografierte Wiener Straßen und Plätze und Architektur. Atelier d'Ora: Maurice Chevalier um 1927.  © Photoinstitut Bonartes Wien.Mit 84 Fotografien gibt Kurator Uwe Schlögl einen kompakten Einblick in das Werk Moriz Nährs, dem als bedeutenden, aber wenig bekannten Fotografen diese erste Einzelausstellung gewidmet ist.

Dient der Spaziergang durch den Großteil der Retrospektive auf Madame d’Ora, die Jahre bis zur Besetzung Frankreichs durch Nazi-Truppen, dem puren Vergnügen, dem Wiedererkennen von Stars und Sternchen und dem Staunen über die Mode der 1920, 30er Jahre, so lernt man bei Moriz Nähr, weniger geschäftstüchtig und sicher nicht so exaltiert wie Madame, genau zu schauen und der biografischen Vernetzung zwischen dem Maler Klimt und dem Fotografen auch künstlerisch nachzuspüren.

Machen Sie mich schön, Madame d’Ora“, kuratiert von Monika Faber und Magdalena Vukovic; Ausstellungsarchitektur: Walter Kirpicseko.
Katalog, „Machen Sie mich schön Madame d’Ora – Dora Kallmus, Fotografin in Wien und Paris 1907–1957“, herausgegeben von Monika Faber, Esther Ruelfs und Magdalena Vukovic, Christian Brandstetter Verlag. 356 S. € 34,90.
"Moriz Nähr, Fotograf der Wiener Moderne“, kuratiert von Uwe Schlögl. Katalog, herausgegeben von Uwe Schlögl und Hans-Peter Wipplinger, Verlag Walther König: 161 S. € 24.90.
Zwei Ausstellungen im Leopold Museum, bis 29. Oktober 2018, täglich 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr.