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MAK: „Wiener Keramik“ von Goldscheider

Josef Lorenzl, Figur Tänzerin, 1923 © MAK

Die MAK-Ausstellung „Firma Goldscheider. Wiener Keramik 1885–1938“ würdigt eine der bedeutendsten Wiener Keramikmanufakturen. 80 Exponate geben Einblick in die bunte Produktpalette, die die renommierte Keramikproduktion einer breiten Klientel äußerst erfolgreich anbot. Die ausgewählten Prunkstücke der figuralen Keramik aus der MAK-Sammlung Glas und Keramik verdeutlichen, weshalb der Name Goldscheider, der zeitweise sogar synonym für „Wiener Fayencen“ verwendet wurde, noch heute viele Sammlerherzen höherschlagen lässt.

Durch zwei bedeutende Schenkungen verfügt das MAK über einen umfassenden Bestand an Kunstkeramiken der Firma Goldscheider, deren Highlights nun erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die Ausstellung spannt einen Bogen von den wohl bekanntesten Verkaufsschlagern – den mondänen Revuetänzerinnen- Figurinen des Art déco und den bunt glasierten Wandmasken der 1930er Jahre bis zurück zu frühesten Erzeugnissen der Manufaktur. Maske mit Golddiadem, 1937–1953. © MAK

Viele der polychromen Keramikfiguren der Firma Goldscheider sind dem Historismus verpflichtet. Nachahmungen von Bronzen, nostalgische Reinterpretationen von Rokoko- oder Biedermeiermoden und nationale Typenporträts sowie Kopien von Renaissancebüsten sind charakteristisch für die Produktion bis zur Jahrhundertwende. Der Exotik des Orientalismus huldigende„OrientalInnen“ und „AraberInnen“ zählen ebenso zum Repertoire des Keramikproduzenten wie an Kitsch grenzende Tierfiguren, die den breiten Geschmack des Bürgertums trafen.

Zwei Putti mit einem Kaninchen, um 1919. © MAKNach Anfängen in Pilsen und Karlsbad (heutiges Tschechien) konnte sich das 1885 von Friedrich Goldscheider in Wien gegründete Unternehmen auf den nationalen und internationalen Märkten etablieren. Zahlreiche Dependancen in Wien, Paris, Florenz und Leipzig sowie mehr als 10 000 verschiedene Keramikmodelle, die über drei Generationen hinweg produziert und international vertrieben wurden, versinnbildlichen den hohen Stellenwert, der der europaweit bekannten Marke zeit ihres Bestehens zukam. Obwohl das erfolgreiche Unternehmen um 1900 seriell produzierte und zeitweise Hunderte Angestellte beschäftigte, blieb es für die hohe Qualität seiner Glanzstücke bekannt. Das Augenmerk richtete sich durchwegs auf technische Innovationen und auf eine gefällige Motivwahl am Puls der Zeit.

Die Zusammenarbeit mit BildhauerInnen und KeramikerInnen trug maßgeblich zum Erfolg des Betriebs bei. Viele der für Goldscheider tätigen KünstlerInnen zählten zum Umfeld der Wiener Secession oder der Kunstgewerbeschule und sicherten das künstlerische Niveau. Stephan Dakon, Stehendes Mädchen in futuristischem Kostüm, Arthur Goldscheider, La Stèle, 1924–1928. Bronze, Messing, Marmor. © MAK / Georg Mayer

Eine Zäsur in der Erfolgsgeschichte der Firma Goldscheider in Wien bedeutete die Arisierung des Unternehmens im Jahr 1938. Die Goldscheider-Brüder konnten in der Emigration in den USA und England neue Betriebe aufbauen, während in der arisierten Firma Goldscheider in Wien antikisierende Figuren nach dem Geschmack des NS-Körperkults gefertigt wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Walter Goldscheider nach Wien zurück, aus wirtschaftlichen Gründen war er jedoch in den 1950er Jahren gezwungen, die Lizenz für die Marke Goldscheider an die deutsche Firma Carstens zu verkaufen.

„Firma Goldscheider. Wiener Keramik 1885–1938“: MAK Forum, 26. Oktober–11. Dezember 2016, Di: 10–12 Uhr, Mi–So. 10–18 Uhr; jeden Dienstag von 18 bis 22 Uhr Eintritt frei.