ImPulsTanz – Bärendienst. Ein Kommentar
Neue Spielorte locken neues Publikum an. Nicht nur im Off-Theater werden die oft unbequemen Sitzreihen verlassen, wird die vierte Wand niedergerissen. Das ImPulsTanz Festival hält es da nicht anders. Immer schon. Wenn aber diese neuen Orte nicht mit Bedacht gewählt werden, dann ist der Bär in Dienst genommen und der ist bekanntlich als Arbeitstier untauglich.
Heuer, bei ImPulsTanz 2015, wird (auch) in Wiener Museen (mumok, 21erHaus, Weltmuseum) gespielt, getanzt, vorgeführt. Neue Blickwinkel und Möglichkeiten tun sich auf. Für die Künstler/innen und das Publikum. Beide Fraktionen, die der Agierenden und die der Konsumierenden, müssen sich umstellen. Daher ist es besonders wichtig, dass die Räume, in denen eine Performance, die sehr oft für den konventionellen Theaterraum konzipiert ist, stattfinden sollen, mit aller Umsicht gesucht werden.
Sind Sicht und Akustik miserabel, sind alle Gäste, auch alte und gebrechliche, gezwungen auf dem Boden zu hocken oder starr zu stehen, ist der Raum auch bei 35 Grad nicht klimatisiert, dann ist das keineswegs nur für die Zahlenden eine Zumutung. Auch die Künstlerinnen leiden, wenn es im Publikum unruhig ist, die Konzentration nachlässt, dauernd mit dem Programm oder den Reklamefächern gewachelt wird oder ein fortwährendes Gehen herrscht, weil ab der zweiten Sesselreihe ohnehin niemand mehr etwas sehen kann.
Oleg Soulimenko hat diese bedenkenlose Wahl irgend eines Zimmers im Weltmuseum schmerzhaft erlebt, zeigte sich zwar tapfer und unbeeindruckt, doch die großartige Vorstellung „Meet The Shaman“ verpuffte.
Obwohl der Künstler seine Performance mit Akribie an die neuen Verhältnisse angepasst hat, sich mangels einer Oberbühne eine wunderbare Schütte für den Erdäpfelregen gebaut, auf den Rückzugsraum verzichtet hat und immer wieder den Kontakt zum Publikum gesucht hat, wollte diese großartige Session nicht gelingen.
Die notwendige Gemeinschaft das Publikums untereinander und mit dem Performer ist nicht entstanden, die Sicht war eingeschränkt, kleine Gesten und Szenen sind wirkungslos geblieben. Als im letzten Drittel der dichten und präzisen Vorstellung die Abwanderung eingesetzt hat, war klar: Alles ist verloren. Schade!
Soulimenko ist zu bewundern, er hat durchgehalten bis zum umwerfenden Ende. Das Publikum jedoch ist nicht zu verurteilen. Mit dem falsch gewählten Raum ist allen ein Bärendienst erwiesen worden. Neue Räume für Theater, Tanz und Performance zu finden und zu öffnen, ist wichtig und richtig (sogar Opernintendantinnen und Chefs etablierter Theaterhäuser suchen bereits danach). Allein, neu allein ist zu wenig. Irgendein Raum darf es nicht sein. Aus Respekt vor dem Künstler und auch vor dem Publikum.
Ein Kommentar anlässlich der Aufführung „Meet The Shaman“ von Oleg Soulimenko, 24. Juli, Weltmuseum, leerer Raum. Im Rahmen von ImPulsTanz 2015.