Natascha Mair, Nina Tonoli: Luftige Zwillinge
Natascha Mair und Nina Tonoli haben ihre bisherige Karriere als Zwillinge erlebt. Dabei hatten sie sich vor ihrem Engagement ans Wiener Staatsballett gar nicht gekannt. Tanzt Mair virtuos und bravourös, so verkörpert Tonoli Grazie und Eleganz.
Im leichten Sommerkleid, die Spitzenschuhe an den Füßen, lassen Natascha Mair und Nina Tonoli die Touristen auf der Albertina Terrasse staunen. Synchron springen sie im Kitri-Sprung aus dem Ballet „Don Quixote“ in den blauen Himmel, geschmeidig wie zwei Kätzchen zeigen sie den italienischen Pas de chat und auch einen Grand Jeté. Neugierig trippeln sie zur Fotografin, um die Bilder zu begutachten. „Das untere Bein ist angezogen, das ist nicht gut.“ Also weg damit und noch einmal gesprungen, noch einmal und noch einmal. Eine Ballerina muss Geduld und Ausdauer haben.
Auch wenn sie keine Zwillinge sind, Tonoli kommt aus Belgien, Mair ist Wienerin, verläuft ihre Karriere parallel. Schon das Engagement ans Wiener Staatsballett verlief nahezu zugleich in der in der Saison 2012 / 13. Mair direkt von der Ballettakademie weg, sie war noch keine 20. Tonoli hat in Antwerpen studiert und ihren Abschluss mit Auszeichnung an der Royal Ballet School gemacht. „Ich habe vom Termin für das Vortanzen gelesen und mich gemeldet.“ Kokett schlägt sie die Wimpern über die braunen Augen: „Ich war das einzige Mädchen.“ Nicht nur deshalb hat Manuel Legris sie vom Fleck zum Tanz gebeten. Ihre eleganten Bewegungen, die Leichtigkeit in den Beinen und das darstellerische Talent, ließen sie schon im Jahr darauf in den Rang einer Halbsolistin aufsteigen. Zugleich mit Natascha Mair.
Oft sieht man die beiden zusammen lachen und auch die Kolleginnen bestätigen: „Die sind befreundet.“ Gibt es keine Konkurrenzgedanken? Die jungen Ballerinen heben die Schultern, schütteln den Kopf (übrigens, auch Mair hat große dunkelbraune Augen und lange Wimpern, mit denen perfekt zu klimpern versteht): „Natürlich gibt es Konkurrenz, doch Manuel ist relativ fair, er vernachlässigt keine. Wir haben zugleich Hauptrollen tanzen dürfen, doch wir haben unterschiedliche Talente und Vorlieben“, ist ihr jeglicher Neid fremd. „Ich weiß, dass ich sehr flexibel und auch gut gedehnt bin und mag schnelle Sachen, vor allem Pirouetten. Und Choreografien, in denen ich auch eine Rolle darstellen kann.“ Da muss Tonoli zustimmen, auch sie spielt gern. Ihrem Bewegungsrepertoire entsprechend, schwärmt sie für „elegante Choreografien, lyrische Rollen“, liebt aber auch technische Herausforderungen.“
Vom schwierigen, weit über den klassischen Tanz hinausgehende William-Forsyth-Ballett „The second Detail“ sind beide begeistert. „Das war spannend, sehr extrem, Forsyth fordert den ganzen Körper, jeden Muskel, die Koordination ist ganz anders, jedes Detail ist wichtig. Wenn wir die Schritte neu bekommen muss sich der Körper total umstellen, alles ist neu, doch sogar die Proben machen Freude und je mehr wir proben, desto bequemer wird es.“ Noch immer sind sie begeistert von Forsyths Kreation: „Man kann sich so richtig hineinwerfen. Ich habe das wirklich gern getanzt“, erinnern sie sich.
Verschämt gesteht Tonoli, dass sie auch die Gerda in „Die Schneekönigin“ von Michael Corda gerne tanzt. Beim Publikum ist die etwas akademische, dennoch tänzerisch schwierige Choreografie mit sehr einfacher Handlung (nach Hans Christian Andersen) so beliebt, dass sie auch im kommenden Herbst wieder im Programm der Volksoper mit den Staatsoperntänzerinnen und -tänzern zu sehen sein wird. Bei den Kritikerinnen und auch dem Ensemble, ist „Snowqueen“ weniger erfolgreich. „Da kann ich ein bisschen spielen, das gefällt mir“, verteidigt Tonoli ihre Vorliebe. Aber auch „A Million Kisses to my skin“ (David Dawson, Repertoire Programm „Tanzperspetkiven“) war ihr eine Tanzwonne. Mair stimmt enthusiastisch zu: „Dawson lieben wir alle. Diese herrlichen Linien, die gestreckten Gliedmaßen, die fließenden Formen. Das reine Vergnügen.“
Schon die fünfjährige Natascha hüpfte in der Tanzschule. „Meine Mutter hat gesehen, dass ich mich dauernd bewegt habe.“. Mit sechs wurde sie in die Kinderklasse der Staatsopern-Ballettschule aufgenommen, die an der Akademie nicht mehr geführt wird. „Dann habe ich ein Jahr Pause gemacht und Inlineskating trainiert. Fast das Gegenteil. Doch ich habe bemerkt, dass mir das Tanzen abgeht, da bin wieder eingetreten und habe bis zur letzten Prüfung durchgehalten. Je mehr ich gelernt habe, desto mehr Freude hatte ich.“ Auch Nina Tonoli ist „eher so hineingerutscht.“ Auch sie wurde von der Mama inskribiert und zeigte bald ein Talent, das ihre einen Platz an der Royal Ballett School in London gesichert hat.
Ein Beispiel für ihre Unterschiedlichkeit in Stil und Möglichkeit gibt der gemeinsame Auftritt als Odalisken in Manuel Legris’ Choreografie „Le Corsaire“. „Manuel hat uns beiden eine Variation auf den Leib choreografiert, ganz unterschiedlich, er weiß genau wo unsere Stärken liegen“, sagt Mair. Sie muss manchmal auch für ihre Kollegin sprechen, denn die Belgierin Tonoli, tut sich im Englischen leichter, auch wenn sie nach drei Jahren Wien Deutsch ganz gut versteht. Ihr Freund kann da wenig Unterricht geben: Er kommt aus Portugal und tanzt ebenfalls im Wiener Staatsballett. Mair lacht: „Mein Freund ist auch in unserer Compagnie. Wir haben fast keine Zeit außerhalb jemanden zu treffen und es ist auch schwer für einen Partner, der nicht vom Ballett ist.“ Gemeinsam in der Küche geprobt wird dennoch nicht. „Die Männer tanzen ganz andere Rollen als wir. Auf der Bühne treffen wir uns kaum.“
Dass bei der kommenden Nurejew-Gala keine Herausforderungen durch neue Rollen auf die Ballerinen warten, bedauernd sie ein wenig, doch ist ihnen klar, „dass gar keine Zeit war, ganz Frisches einzustudieren. Wir haben eine extrem anstrengende Saison hinter uns, oft waren in der Volksoper und in der Staatsoper zwei Ballette nahezu zu gleich angesetzt. Zu Weihnachten etwa, La fille mal gardée’ und ,Die Schneekönigin’, kürzlich erst ,Mayerling’ in der Staatsoper und fast parallel ,Marie Antoinette’ in der Volksoper.“ Der Traum von der lieblichen Prinzessin im Tutu ist zerplatzt? „Den hatten wir gar nicht.“
Wenn Mair glücklich von ihrem Debüt als „Fille mal gardée“ mit Jakob Feyferlik als Partner erzählt, kann Tonoli hinzufügen, dass sie mit James Stephens ebenfalls schon die Lise getanzt hat. „Einen Pas de deux aus der Choreografie von Joseph Lazzini, die in Frankreich populär ist. In Wien wird Frederick Ashtons Version getanzt.“ Der Auftritt erntete den verdienten Applaus bei den Vorstellungen „Junge Talente’“ in der Volksoper. Jung sind Natascha Mair und Nina Tonoli immer noch, das Talent wird sich weiter entwickeln. Aus der Reihe der „Jungen Talente“ sind sie bald herauswachsen. Auf die nächste Stufe in der Balletthierarchie, Solotänzerin, haben sie bereits den Spitzenschuh gesetzt.
Natascha Mair und Nina Tonoli, ein Porträt.
Nächster Auftritt: „Nurejew-Gala“, 26.6., Wiener Staatsoper und als Liveübertragung auf dem Karajanplatz.