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Moritz Majce + Sandra Man: „Choros V", WUK

"Choros V" – Performerinnen. © Ulli Koch

Eine „in Bewegung geratene Installation“ nennen der bildenden Künstler Moritz Majce und die Autorin Sandra Man ihre Arbeiten, die aus Videos, gesprochenem Text, Musik, Objekten und Körpern zusammengesetzt sind. Die Nummer V sagt es, Choros ist ein mehrteiliges Projekt, das in Wien und Berlin entwickelt worden ist. Am 17. Oktober ist „Choros V“ im WUK uraufgeführt worden. Danach wird die bewegte Installation in Berlin zu sehen sein.

Am Beginn ist alles dunkel, nur die Bildschirme leuchten. © Ulli KochIm großen Saal des WUK sind die Sitzreihen ausgebaut und eine Landschaft eingebaut. Eine grüne Grasinsel, kreisrunde Trampoline, ein Pavillon auf 16eckigem Grundriss mit begehbarem Dach, Bildschirme, eine vierteilige Videowand. Noch ist es dunkel und ich tappe umher, versuche,, nirgends anzustoßen. Die Zuschauer haben den Auftrag sich zu bewegen. Es bleibt allerdings beim frommen Wunsch der Veranstalter. Es gibt wenig Grund, umherzuwandern, man dreht ein bisschen der Körper, lümmelt auf dem Trampolin (die Sportgeräte werden nun in einer Sequenz benutzt) und wechselt einfach die Position, es genügt, den bewegten Bildern und Körpern mit den Augen zu folgen.

Die Videowände leuchten auf, zeigen Bilder von Bewegung, von Choreografie. Weiße Quadrate ordnen sich zu kleinen Räumen, werden zum Kreis, streben wieder auseinander, ordnen sich in der Reihe. Vier Screens, vier unterschiedliche Filme, die mitunter unversehens kurz im Gleichklang laufen. Es sind Menschen, aus der Vogelperspektive gefilmt, die die weißen Rechtecke tragen, verschieben, neu ordnen, doch auch sie gehorchen einer Ordnung, verlassen, einer nach dem anderen, ihre Räume, am Ende sind die Objekte wieder gestapelt wie am Beginn der Filme. Landschaft mit Trampolin: Springen und Fallen. © Ulli Koch

Noch ein Video, dazu poetischer Text, Deutsch und Englisch nacheinander und auch übereinander gesprochen. Vom Kosmos ist die Rede, der sich selbst verschlingt und von vielem anderen, doch ich kann nicht viel verstehen. Auch wenn nicht durcheinander gesprochen wird. Ist die Tonanlage schuld? Einen schönen Satz habe ich mir gemerkt: „Ich bin ein Punkt.“

Leider bin ich der Punkt, der nach außen strebt, mir geht das alles zu langsam, auch wenn der Text mehrmals wiederholt wird, werden die Stimmen nicht klarer. Choros V macht mich ungeduldig, langweilt mich auch. Falls ich Bedarf an einer Meditation habe, gehe ich ins Eso-Zentrum.

"Choros V": Videoausschnitt © www.moritzmajcesandraman.com/Dennoch, die vier Videos mit Landschaft und Himmel und einer einzelnen Figur, die einen Bach entlangwandert, so langsam wie einst Laotse, sind wunderschön und es ist (eine Weile) spannend zuzusehen, wie sich der Mann bewegt. Auf einer Wand ist er gerade am Beginn seines Weges, auf der anderen steht er auf einer Sandbank oder blickt lange und unbeweglich in die Ferne. Ich aber hätte gern, dass er die Füße ins Wasser taucht, sich mal ins Gras legt oder ein Steinchen aufhebt und ein Lied singt.

Spätestens, wenn die Performerinnen auf die Grasinsel zustreben, sich zu zwölft im Kreis aufstellen und am Anfang nur den Kopf, später minimal die Beine bewegen und dann, dann endlich zusammenrücken, um sich in der Mitte zu verdichten und wieder ohne Hast und Hektik, ohne Sprung und Schwung, auseinanderstreben, meine ich verstanden zu haben, worum es geht: die Kreisbewegung. Ganz kurz tanzt die Gruppe sogar einen sanften Reigen (alles in völliger Stille), auch der Reigentanz ist im Begriff Choros enthalten. Später hüpft die Gruppe, auf die Hälfte reduziert, auf den Trampolinen. Ich blicke durch die Fenster des Pavillons und sehe das Hochspringen und Fallen wie durch ein Fernrohr, ganz klein und weit weg. Dann, Blicke um 90 Grad wenden, bitte, wird das Dach des 16Ecks erklettert. Zusammenrotten, Auseinanderstreben. Klettern bis auf das Dach. © Ulli Koch
Zum Abschluss erscheinen die Gesichter der Tänzerinnen auf den Bildschirmen, gegenüber ist auf den vier Videowänden eine Seenlandschaft zu sehen, Menschen wandeln umher, scheinen zufrieden. Die Bilder verändern sich kaum.
Das Wort Choros kommt aus dem alten Griechenland, betrifft die Vorstufe des antiken Theaters und hat viele Bedeutungen. Der Tanzplatz wurde χορός genannt und der Tanz, also der Reigen, selbst, auch die Tänzer waren ein Choros und bald sind wir auch bei der Choreografie, der schriftlichen Aufzeichnung der Bewegung des Chores. Eigentlich ist Choreografie alles, was wir sehen und hören. Noch eine Landschaft mit in der Ferne wandelnden Menschen.© Moritz Majce Sandra Man Choros V WUKEine Malerei ist choreografierte Farbe, der Himmel hat eine Choreografie der Wolken, eine Symphonie besteht aus choreografierten Tönen. Also darf ich auch sagen, dass Moritz Majce und Sandra Man eine schöne Choreografie angeboten haben, voll Tiefsinn und einem Publikum, das nicht distanzierter Zuschauer sein, sondern sich mittendrin in der Choreografie bewegen soll. Im erklärenden Text kommt auch unversehens der Klimawandel vor, das muss wohl sein. Doch muss die Choreografie des immer Gleichen, das zugleich immer anders ist, auf 80 Minuten gedehnt sein. Mir hätten 20 genügt.

So gerne wollte ich, dass mir diese ambitionierte Arbeit gefällt. Es ist nicht gelungen, für diese Art der Versenkung, diese Choreografie des Nicht-Geschehens bin ich nicht geeignet.

Moritz Majce + Sandra Man: „Choros V“, Idee, Raum, Video, Ton: Majce und Man. Performance und Bewegungschoreografie: Zoë Alibert, Tamar Grosz, Friederike Heine, Julia B. Laperrière, Sonia Noya, Laura Siegmund. Stimmen: Katharina Meves, Frank Willens.17. Oktober 2018, WUK.
Weitere Vorstellungen: 18., 19.Oktober 2018.