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ImPulsTanz – „Little Stories About S.O.S.“

State of Solitude: Akemi Takey. © TatsuhikoNakagawa:KazuoOhnoDanceStudio

Eine „Performance-Ausstellung“ nennt Akemi Takeya ihr neues Solo, uraugeführt im Schauspielhaus. Wie der Titel andeutet, zeigt sie „kleine Geschichten“, die auf symbolische und teilweise ironische Weise einen Notfall zeigen. Takeya ist allein auf der als Laufsteg ausgelegten Bühne, mit Konzentration und Esprit hält sie das Publikum gespannt.

In Takeyas Rezeptbuch ist genau nachzulesen, wie die 31 kleinen Geschichten konzipiert sind und was die Künstlerin damit ausdrücken will. Im strengen zeitlichen Rahmen (viele der Geschichten dauern nur 30 Sekunden, werden mit einem Beep begonnen und beendet) zeigt Takeya winzige Aktionen und Bewegungen, die Gefühlszustände, Ereignisse oder Erinnerungen ausdrücken. Begonnen wird jede Story mit dem Rücken zum Publikum zu einem großen Bildschirm gewendet, auf dem bewegte Grafiken (Road Izumiyama) als eine Art Logo für jede Action zu sehen sind.

The „Breath Body“. Begonnen wird der überaus kurzweilige Abend mit einer Ansprache der Tänzerin, in der sie ihre Grundeinstellung zum Körper darlegt. Takeya kennt zwei Körper, den bekannten, „Material Body“ (MB) und den damit lose verbundenen „Breath Body“ (BB). Nicht ohne Grund wird der MB dem männlichen Geschlecht zugeordnet. Der BB, von gasförmiger, wandelbarer Substanz, ist eher weiblich. Akemi Takey ist seit je eine Künstlerin mit komplizierten Gedanken, die außerdem in einer Art (kulturellem) Spalt lebt, nämlich dem zwischen Japan, ihrem Heimatland, und Europa, wo sie seit gut 20 Jahren lebt und arbeitet. So einen Spalt spürt sie auch zwischen dem sichtbaren MB und dem unsichtbaren stets in Veränderung begriffenen BB und nützt diesen für ihre kreative Arbeit. Der BB ist ebenso groß wie der materielle Körper (ist aber weder eine Art von Seele oder geistige Kapazität), ein eigenständiges Sein (Wesen, Schöpfung). Der BB (Takeya hält es mit den Akronymen, eines davon steht bereits im Stück-Titel: S.O.S) kann helfen, die Form des MB zu verändern, verbessern, erneuern. So nützt ihn die Choreografin für ihre Soloperformance. Verstehen muss man diesen Energiefluss, den Takeya gefunden hat, dieses Agieren und Reagieren, das Innen und Außen nicht wirklich. Die exakt und konzentriert ablaufende Vorstellung erklärt sich von selbst.

Witz und Ironie. Takeya setzt ihren Körper samt Mimik und Stimme, die Positionen und Bewegungen, als Metapher oder Modell ein, überlässt aber nichts dem Zufall. Sie erinnert an den Schrecken der Erdbebenkatastrophe 2011 in Japan und lässt Kirschblüten regnen, sie „berichtet“ von Einsamkeit und betrachtet ihre beschriftete Fußsohle, der Geist der Samurai wird in 31 Sekunden beschworen, sie nimmt Kontakt mit dem Publikum auf, lässt es über das Machismo-Kapitel 31 Sekunden lachen und denkt über die Liebe nach. Auf der Leinwand gibt es zu den Grafiken auch schriftliche Erklärungen, sie erweitern das Verständnis, hindern aber ein wenig am Genuss der tänzerischen Bewegungen. 


Show Our Sacredness: Akemi Takeya. © TatsuhikoNakagawa:KazuoOhnoDanceStudio

Die strenge Ordnung, der sich Takeya selbst unterwirft ist beim Studium der Titel-Akronyme erkennbar. In drei Worten kann jeder einzelne mit S. O. S. abgekürzt werden: Save Our Souls oder eben „Speech On Secrecy“, „Sensation Of Sense“ oder „Strip Our Self“ und am Ende „Suggest Our Stories“. Das Wörterspiel ist beliebig fortzusetzen (auf Deutsch allerdings etwas schwierig), wie auch jedes einzelne Kapitel mit der genauen Anleitung im „Rezeptbuch“ exakt nachgeformt werden kann. Takeyas Performance hat keinen Hauch von Beliebigkeit.  Bestechend  geordnet, durchdacht, theoretisch abgefedert und doch sinnlich, aufregend, anregend, nahezu beglückend ist dieses feine Solo der Akemi Takeya. Nach diesem Abend bedeutet S. O. S. „Survival Of Solo“.

Akemi Takeya: „Little Stories About S. O. S. – Survival Of Solo“, 9. August 2014, Schauspielhaus im Rahmen von ImPulsTanz.

Das Rezeptbuch:
Akemi Takeya: „Little Stories about S. O. S.: Performance Recipe Book“,  IMEKA 2014.