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"Tiger Lilien",Tanztheater im Dschungel

"Tiger Lilien", immer fröhlich und nett zueinander.

Die Tiger Lilien, das sind sechs weibliche Wesen, Frauen und Kinder, die sich tanzend mit dem Alter, ihrem jetzigen, der vergangenen Jugend und dem Altwerden, auseinandersetzen und auch das Zusammenleben der Generationen versuchen. Schwungvoller Tanz, den Sanja Tropp Frühwald / VRUm Performing Arts Collective mit nicht professionellen Tänzerinnen einstudiert hat. Till Frühwald assistierte als Dramaturg. Die Aufführung im Dschungel war von jungen Mädchen wie auch von Burschen besucht. Sie alle folgten dem Tanz der Generationen mit Aufmerksamkeit und zeigten ihre Begeisterung mit reichlich Applaus. Schade, dass keine Gelegenheit für ein Publikumsgespräch war.

Die sechs Frauen von 9 bis 80 symbolisieren ein ganzes Frauenleben. Es gibt ein wenig Text, meist aus dem Off gesprochen, der erklärt, worum es Tropp Frühwald geht. Die Zeit verrinnt, als Kind will man erwachsen sein, weil da scheinbar die Freiheit lockt; kaum ist man so weit, will man wieder Kind sein. Wann fühlt man sich alt? Mit 25? Mit 30? „Mit 35“, meint die Jüngste, „dann verändert sich der Körper, die ersten Falten werden sichtbar.“ Natürlich irrt sie, der Körper altert von der ersten Minute auf dieser Welt an, geht zielstrebig dem Tod entgegen.

Vom Tod ist aber nicht die Rede, wie es überhaupt in diesem Stück vor Harmonie, Liebe und Waschtrog nur so dampft. Es wird umarmt und gekuschelt, getragen, gespielt und gelacht. Jedes Alter ist das Schönste und wenn die Haare weiß sind, bleibt der Bauchnabel immer noch „der schönste der ganzen Welt“. Nur einmal gibt es eine Minisequenz mit einer Andeutung von Eifersucht und Konkurrenzneid, dann löst sich wieder alles in Wohlgefallen auf. Deutlich ist zu spüren, dass die Darstellerinnen einander mögen, bei den Proben es nett und kuschelig hatten und Brüche und Haken schnell ausgeblendet werden. Mit der Realität hat das wenig gemein.

Sanja Tropp Frühwald hat viele gute Ideen für ihre Choreographie, doch deutet sie diese nur an und verfolgt sie nicht weiter. Beispielhaft ist für mich der Beginn, wo die Jüngste (Emma Wiederhold) sich als Prinzessin schmückt und fröhlich umhertänzelt. Diese archetypische Sehnsucht kleiner Mädchen, wird nie wieder angesprochen, wie auch die Leiden und Ängste des Alters nicht vorkommen. Es gibt viele Wiederholungen, und naturgemäß ist das Bewegungsrepertoire von Laien beschränkt. Selbst wenn sie voll Energie und Bewegungsfreude tanzen und turnen, könnten von den 70 Minuten locker 20 gestrichen werden, ohne dass dem Stück der Sinn verloren geht. Auch wenn die Regisseurin die eingebauten Längen und Redundanzen verteidigt, weil es ihr auch um das Rieseln der Zeit geht. „Für manche ist das eben zu lang. Das macht mir nichts. Jede hat ja ein anderes Zeitempfinden.“ Da kann ich ihr nur Recht geben.

Schön und flexibel ist die Bühnenausstattung von Zdravka Ivandija Kirigin. Verschiebbare Wände, doppelseitig mit Stoff tapeziert, sind Labyrinth, Wohnung und mit Winkeln und Ecken Orte, um sich zurückzuziehen und zu verstecken. Aus den beiden unterschiedlich gemusterten Stoffbahnen hat Goran Bugaric einen weiten Mantel geschneidert, den die Frauen und Mädchen abwechselnd tragen. Manchmal verschwinden sie darunter oder werden eins mit der bunten Wand. Auch für zwei in einem reicht das gute Stück.

„Tiger Lilien“ (alle sechs Frauen werden Lilli gerufen, sie sind eine in unterschiedlichen Lebensaltern) ist für Kinder ab 10 empfohlen. In der von mir besuchen Vorstellung waren die Zuschauer*innen jedoch deutlich älter. Dass sie dem Tanz konzentriert gefolgt sind und ich kein einziges Handy-Display gesehen habe, bestätigt die Arbeit des Teams.

Am Ende rieselt der Flitter vom Himmel, die Luftballone steigen und zerplatzen auch, die Zuschauerinnen folgen willig auf die Bühne, um mit den Darstellerinnen eine Runde zu drehen. Das Team verbeugt sich hinter dem Publikum, als wollte es gar keinen Applaus. Es bekam ihn dennoch, reichlich.

„Tiger Lilien“, Tanztheater von Sanja Tropp Frühwald / VRUM Performing Arts Collective. Mit Adriana Cubides, Maria Farcher, Gat Goodovitch, Milena Leeb, Giordana Pascucci, Emma Wiederhold. Uraufführung im Dschungel am 1. März 2018. Besuchte Aufführung: 2.3. 2018.
Weitere Vorstellungen bis 7. 3 und ab 24.4. 2018.