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Possarnig / Shurkai / Dominici: "Bauhaus tanzt"

Bauhaustanz-Nachfolgerinnen in Aktion. © Immanuel Gfall

Die Tänzerin und Choreografin Anna Possarnig hat sich intensiv mit dem 1922 uraufgeführten Tanzstück „Triadisches Ballett“ von Oskar Schlemmer und dem Ehepaar Albert Burger und Elsa Hötzel beschäftigt und mit den Tänzerinnen Paula Dominici und Maria Shurkal eine Paraphrase auf das berühmte Tanztheater geschaffen. Eine exakte, verständliche und fein getanzte Performance, die vom Publikum im Ateliertheater begeistert aufgenommen worden ist.

Hier tanzt das Bauhaus tatsächlich "Triadisches Balett". Rekonstruktion an der Bayerische Staatsoper.  © Bayerische StaaatsoperMit „Triadisches Ballett“ wollte der Maler und Bühnenbildner Oskar Schlemmer, 1920 von Walter Gropius an das Bauhaus in Weimar berufen, das Ballett entindividualisieren. Gemeinsam mit dem Tänzerpaar Burger / Hötzel entwickelte er sogenannte Figuren, die in plastischen Kostümen steckten. Ihn interessierte vor allem die Beziehung zwischen Figur und Raum. Er legte den Tänzen einen Dreiklang zugrunde: Raum – Form – Farbe, oder auch Kostüm – Bewegung – Musik sowie die geometrischen Grundformen Kreis – Quadrat – Dreieck.

Diese Ideen liegen dem Werk von Anna Possarnig zugrunde, wenn sie selbst mit ihren beiden Kolleginnen die Bühne im Ateliertheater in eine Raumtanz-Bühne verwandelt. Dabei gibt es für Kennerinnen des (mehrfach auch im 21. Jahrhundert rekonstruierten) Triadischen Balletts so manches Déjà-vu. Die von Ova.L geschaffenen Kostüme sind sichtbar von Schlemmers Kreationen inspiriert. Die voluminösen Ganzkörperbodys in Weiß, dazu knallrote und knallblaue Socken, ein blauer Overall, der auch den Kopf einhüllt und sich selbst aufbläst, sind feine Anspielungen. Anna Possarnig in Triadischer Pose. © Scott Goetz
Auch der Witz ist ganz in Schlemmers Sinn, er wollte sein mechanisches Ballett vom Komischen zum Ernst hin bewegen. Paula Dominici, die sich als blaues Michelin-Manderl nur mühsam bewegt, ist, später elegant in Schwarz gehüllt, im Gegensatz zu ihren beiden Kolleginnen, ein Körper, ohne Zweifel ein weiblicher. Possarnig und Shurkal tragen weiße Masken, die Tänzerin im schwarzen Trikot wackelt auf Stöckelschuhen und einem silbernen Helm über die Treppe auf die Oberbühne.

Mit exakten Bewegungen – Gehen, Drehen, Neigen, Kniebeugen, Springen, Hüpfen, Stillstand – tanzen Possarnig und Shurkal ihr dyadisches Ballett, im Gleichklang oder gegenläufig. Fesselnde Geometrie (Shurkal, Possarnig im Hintergrund) © Immanuel GfallMitunter gesellt sich Dominici dazu. Mit einem Gürtel aus metallenen Spiralen entsprechen ihre Bewegungen der Kreisform. Sie ist ein weiches, überaus biegsames, fast menschliches Element in diesem Tanz der Figuren ohne Gesicht und Geschlecht.

Mit ratschenden weißen Klebebändern unterteilen sie selbst den schwarzen Bühnenboden. Die Kennzeichen der Inspirationsquelle, Geometrie, Abstraktion, Klarheit, Dreiklang, sind erkennbar, und doch ist dieser Abend eine eigenständige Kreation, die den Vergleich mit dem bald 100 Jahre alten Werk nicht zu scheuen braucht, auch Assoziationen weckt, doch Unvorbereitete nicht verschreckt oder verständnislos konsumieren lässt.

Ich wundere mich, wie die abstrakten Bewegungen im Raum, die absolut keine Gefühle vermitteln, mir keine Geschichte erzählen, so spannend sein kann. Wenn das Bahaus tanzt ist auch Stillstand Tanz © Scott Goetz

Der schwarze Bühnenraum ist durch eine Treppe ergänzt. Sie führt zu einer kleinen Bühne auf der Bühne, die dem Ablegen der Kostüme dient. Immer wieder verschwinden die Tänzerinnen unversehens im Dunkel, am Ende legen sie Masken und Verkleidung ab und sind wieder drei konzentriert tanzende Frauen. Großartig.

Großartig ist auch der Pianist, Amir Ahmadi, Jazzer und Komponist. Er spielt auf dem „präparierten Klavier“ exakt zählend, „Sonatas and Interludes“ von John Cage. Dieses präparierte Klavier hat Cage nicht „erfunden“, er hat die Methode von seinem Lehrer Henry Cowell übernommen und weiterentwickelt. Zwischen die Saiten des Klaviers werden Alltagsgegenstände, wie Radiergummis, Papier, Nägel, Schrauben etc., gesetzt, die das Klangbild wesentlich verändern, teilweise als Klaviermusik unkenntlich machen. Doch schon im 18. Jahrhundert wurde versucht, mit Papierstreifen zwischen Saiten und Hämmerchen des frühen Hammerklaviers neue Klangeffekte zu erzeugen.

Wie ein Handwerker muss Ahmadi sein Werkzeug anbringen, doch gibt es im Grunde keinerlei Pausen, das Bauhaus-Werk spult sich ohne Risse ab, fordert die gesamte Aufmerksamkeit der drei Tänzerinnen und ihres Begleiters am Klavier. Cage (1912–1992) war noch ein Volksschüler in Kalifornien, als „Triadisches Ballett“ in Stuttgart das Licht der interessierten Welt erblickt hat. Doch scheint es, als hätte er seine Sonaten und Zwischenspiele genau für „Bauhaus tanzt“ komponiert. Fast ein Original. Rekonstruktion des "Triadischen Balletts" mit dem Bayerischen Staatsballett. Foto:  Wilfried Hosl

Ein bemerkenswerter Abend, kurzweilig, bedeutungsvoll, beglückend, der nach der Initialzündung von Ahmadi im Kollektiv aller vier Beteiligten geschaffen worden ist. Präzise und auch anmutig getanzt, perfekt am Klavier intoniert.

Anna Possarnig / Maria Shurkal / Paula Dominici /Amir Ahmadi: „Bauhaus tanzt“ mit den Tänzerinnen Dominici, Shurkal und Possarnig und dem Musiker Amir Ahmadi am Klavier. Musik von John Cage. 29. Jänner 2018, Ateliertheater.